Gerry Weber schlittert erneut in die Insolvenz
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Nicht einmal zwei Jahre nach dem letzten Insolvenzverfahren hat die Gerry Weber International GmbH, die Holdinggesellschaft des in Halle in Westfalen ansässigen Bekleidungsanbieters, einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt.
Das Amtsgericht Bielefeld hat dem Antrag bereits zugestimmt und ein vorläufiges Verfahren angeordnet, teilte Gerry Weber am Dienstag mit. Zudem wurde Rechtsanwalt Lucas Flöther zum Sachverwalter bestellt.
„Trotz der tiefen Einschnitte, die Gerry Weber in den vergangenen Jahren bereits vorgenommen hat, und trotz der guten Resonanz des Marktes auf das Modeangebot: Um eine solche Kumulation unerwarteter Krisenfaktoren finanziell zu kompensieren, hat das Unternehmen noch nicht genug Speck angesetzt“, so Christian Gerloff, der als Sanierer in die Geschäftsführung berufen wurde. „Das anhaltend schwache Konsumklima in Deutschland und anderen Teilen Europas führt dazu, dass wir Strategie und Strukturen des Unternehmens nochmals anpassen müssen.“
Mögliche Anschlussinsolvenzen von Tochtergesellschaften des Konzerns werden derzeit geprüft.
Veränderte Einkaufspolitik macht Gerry Weber zu schaffen
Grund für die erneute Sanierung sei die zurückhaltende Vororder des Fachhandels aufgrund eines verstärkten Fokus auf das Working Capital Management sowie die geänderte Einkaufspolitik, die zu einem deutlichen Rückgang der Vororder für das dritte Quartal 2025 geführt habe, so Gerry Weber. Zwar habe sich die Marke unter der Führung von Produktchefin Frauke Stein erfolgreich im Bereich Modern Classic repositioniert, dennoch sei das Unternehmen von der veränderten Einkaufspolitik des Fachhandels nicht verschont geblieben.
Hinzu kamen im Februar finanzielle Probleme eines Vertriebspartners, die zu Zahlungsverzögerungen oder -ausfällen führen könnten. Allerdings betont das Unternehmen, dass die Verkaufszahlen im eigenen Retail im Jahresvergleich konstant geblieben seien.
Geschäftsbetrieb wird ohne Einschränkungen fortgesetzt
Ziel der Sanierung sei es, die Fortführung des Unternehmens zu gewährleisten und die Strukturen an das aktuelle Marktumfeld anzupassen. Das operative Geschäft werde während des Verfahrens ohne Einschränkungen fortgesetzt, insbesondere die Belieferung der Wholesale-Kund:innen bleibe bestehen. Die Finanzinvestor:innen der GWI würden eine Fortführungslösung finanziell unterstützen, und auch wesentliche operative Geschäftspartner, etwa in den Bereichen Logistik und Sourcing, hätten ihre Unterstützung zugesagt.
Geplant sei zudem, zeitnah einen strukturierten Investorenprozess zu starten, um eine nachhaltige Finanzierung des Geschäfts sicherzustellen. „Wichtig ist, dass der Investorenprozess straff geführt wird, um schnellstmöglich Klarheit für Kund:innen, Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner:innen zu schaffen – auch mit Blick auf die kommende Orderrunde im April/Mai“, so Gerloff. „Gerry Weber ist nach wie vor eine der bekannten deutschen Mode- und Lifestylemarken, die für Investor:innen mit entsprechendem Branchen-Know-how attraktiv ist.“
Mit Gerloff holt Gerry Weber einen erfahrenen Sanierer an Bord. In den vergangenen Jahren begleitete er unter anderem Modeunternehmen wie Escada und Adler durch Insolvenzen. Doch auch für den in Halle in Westfalen ansässigen Bekleidungsanbieter ist er kein Unbekannter: Als Chief Restructuring Officer der Gerry Weber Retail GmbH begleitete er das Unternehmen bereits durch die letzte Insolvenz.
Dritte Insolvenz in sechs Jahren
Für den Bekleidungshersteller ist es bereits die dritte Insolvenz innerhalb von sechs Jahren. Schon 2019 stellte die Gerry Weber International AG beim Amtsgericht Bielefeld einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, um die Muttergesellschaft zu sanieren. Damals erklärten sich die Finanzinvestoren Robus Capital Management und Whitebox Advisors bereit, dem angeschlagenen Unternehmen eine Finanzspritze von bis zu 49,2 Millionen Euro zu gewähren. Im Januar 2020 konnte das Unternehmen diese erste Insolvenz schließlich hinter sich lassen – allerdings auf Kosten von über hundert Filialschließungen und dem Abbau zahlreicher Arbeitsplätze.
Viel Zeit zum Durchatmen blieb dem Unternehmen jedoch nicht. Bereits im April 2023 musste sich die Gerry Weber International AG erneut sanieren und ihr deutsches Retail-Geschäft restrukturieren. Als Gründe wurden insbesondere die pandemiebedingten Schließungen der Stores in Deutschland sowie das veränderte Kaufverhalten der Kund:innen genannt, das unter anderem durch den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation beeinflusst wurde. Im Zuge der Insolvenz lag der Fokus verstärkt auf dem Großhandelsgeschäft des Unternehmens, was unter anderem zur Schließung von 122 Stores führte.
Der Restrukturierungsplan sah außerdem einen vollständigen Kapitalschnitt vor. Dazu gehörte die Herabsetzung des Grundkapitals auf null, wodurch die bisherigen Aktionär:innen von Gerry Weber ohne Kompensation ausschieden und die Börsennotierung der Aktien erlosch.