Gerry Weber will nach schwachen Halbjahreszahlen sein Geschäftsmodell grundlegend verändern
Wird geladen...
Der Bekleidungskonzern Gerry Weber International AG kommt nicht aus der Krise. Gerade hatte er mit dem Online-Label Gr8ful, das nach wenigen Wochen wieder eingestellt wurde, eine bittere Pleite erlebt. Am Mittwoch veröffentlichte Gerry Weber nun aktuelle Zahlen für das erste Halbjahr 2017/18 und musste einräumen, dass der Umsatz in den vergangenen Monaten hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. So revidierte der Vorstand auch seine Umsatz- und Ergebnisprognosen für das gesamte Geschäftsjahr. Beim Betriebsgewinn wird jetzt bestenfalls eine schwarzen Null erwartet.
Angesichts der schwachen Resultate kündigte das Unternehmen aus Halle in Westfalen ein weiteres kostspieliges Sanierungsprogramm an, das den Gewinn im laufenden Geschäftsjahr belasten wird. Vorstandschef Ralf Weber betonte in einer Mitteilung die Tragweite der geplanten Maßnahmen: „Die Änderung unseres Geschäftsmodells ist eine Revolution für Gerry Weber“. Die Halbjahreszahlen hätten gezeigt, dass der Konzern „fundamental und konsequent gegensteuern“ müsse.
Im ersten Halbjahr sank der Umsatz um mehr als fünf Prozent
Im ersten Halbjahr 2017/18 musste Gerry Weber einen Umsatzrückgang um 5,4 Prozent auf 404,7 Millionen Euro hinnehmen. Für einen Lichtblick sorgte das Konzept Hallhuber, dessen Erlöse um 12,2 Prozent auf 104,3 Millionen Euro zulegten. Dazu trugen neue Läden, aber auch ein kräftiges Wachstum auf vergleichbarer Fläche (+8,0 Prozent) bei.
Bewegen Sie Ihre Maus über die Grafik um mehr zu erfahren.
Schlechter sah es erneut im traditionellen Kerngeschäft mit den Marken Gerry Weber, Taifun, Samoon und Talkabout aus. Der Einzelhandelsumsatz in diesem Segment sank um 14,2 Prozent auf 165,0 Millionen Euro. Dazu trugen Filialschließungen im Rahmen des 2017 abgeschlossenen Sanierungsprogramms Fit4Growth bei: Im Laufe der vergangenen zwölf Monate hatte der Konzern das zu dieser Sparte gehörenden Store-Netzwerk von 886 auf 835 Standorte verkleinert. Auch im Großhandelsgeschäft mit den Kernmarken ging der Umsatz zurück: Er sank um fünf Prozent auf 135,4 Millionen Euro.
Ein Abrutschen in die Verlustzone wurde nur knapp verhindert
Trotz eines Aufwärtstrends im zweiten Quartal, der aus den bereits abgeschlossenen Restrukturierungsmaßnahmen resultierte, sank der Betriebsgewinn im ersten Halbjahr deutlich. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) schrumpfte um 46,7 Prozent auf 3,2 Millionen Euro. So konnte der Konzern im ersten Halbjahr das Abrutschen in die Verlustzone nur knapp verhindern: Der Nettogewinn lag bei 0,1 Millionen Euro, nachdem er im Vorjahreszeitraum noch 1,7 Millionen Euro erreicht hatte.
So sah sich Gerry Weber gezwungen, das nächste umfassende Restrukturierungsprogramm aufzulegen. Nachdem im Rahmen des vorigen Maßnahmenpakets bereits viele Einschnitte vorgenommen wurden, stehen nun zusätzliche Umbauten auf der Agenda. Geplant sind auch weitere Entlassungen. So sollen in der Zentrale im Laufe der kommenden zwei Jahre 140 bis 150 Vollzeitstellen abgebaut werden.
„Das Performance-Programm, das insgesamt acht Teilprojekte – Produktentwicklung, Beschaffung, Retail, Wholesale, Logistik, IT, Support, und Digital – umfasst, verfolgt konsequent einen vertikalen Prozessansatz“, erklärte das Unternehmen. Grundsätzlich will Gerry Weber „die Organisation nach dem Go-to-Market-Modell ausrichten, die Kundin konsequent in den Mittelpunkt stellen und schnell und flexibel auf kurzfristige Entwicklungen und modische Trends reagieren können“.
Für das laufende Jahr rechnet das Management nicht mehr mit einem operativen Gewinn
Langfristig soll mit der einhergehenden Veränderung des Geschäftsmodells wieder „nachhaltig profitables Wachstum“ erzielt werden. Kurzfristig geht das Programm aber ins Geld. Für das laufende Jahr werden „zusätzliche Sonderbelastungen“ in Höhe von 15 Millionen Euro und „Umsatzverschiebungen in das folgende Geschäftsjahr“ erwartet.
So korrigierte der Konzern seine Jahresprognosen nach unten. Der Vorstand rechnet nun nur noch mit einem Umsatz im Bereich von 830 bis 840 Millionen Euro, nachdem zuvor 870 bis 890 Millionen Euro erwartet worden waren. Beim EBIT prognostiziert er jetzt „-10 bis 0 Millionen Euro“. Bislang hatte das Unternehmen einen operativen Gewinn in Höhe von zehn bis zwanzig Millionen Euro angepeilt.
Langfristig sollen sich die zusätzlichen Reformen aber positiv auswirken: „Auf Basis des Performanceprogramms strebt das Unternehmen an, die Umsatzerlöse in den nächsten drei bis fünf Jahren deutlich und stärker als der Markt zu steigern und insgesamt die Kosten im mittleren, zweistelligen Millionenbereich zu senken“, erklärte Gerry Weber. So soll „innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre für das operative Ergebnis (EBIT) ein zusätzliches Potenzial in Höhe von bis zu jährlich 35 bis 40 Millionen Euro ermöglicht werden“.
Gerry Weber, 1. Halbjahr 2017/18Lesen Sie auch: