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Reju-CEO Patrik Frisk: „Es gibt nur sehr wenig, was man nicht wiederverwenden kann“

Von Simone Preuss

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Business|CEO Interview
Reju-Gründer Patrik Frisk. Bild: Reju via CGPR

„Ich habe jahrzehntelang für Marken wie Under Armour, The North Face, Timberland, Jansport, Smartwool, Reef, Peak Performance, Gore-Tex und Vans gearbeitet, die Kleidung herstellen, die Menschen gerne anziehen. Dennoch landen zu viele dieser Kleidungsstücke auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Und der steigende globale Konsum und Fast Fashion beschleunigen dieses Problem nur“, resümiert Patrik Frisk nach Jahrzehnten in der Bekleidungsindustrie.

Nachdem er die Top-Position erreicht hatte, trat Frisk als CEO zurück, aber nicht etwa, um in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen, sondern um „in den letzten Jahren meiner Karriere etwas Gutes zu tun“. Der dynamische Unternehmer möchte „die Branche neu gestalten“ und gründete daher vor einem Jahr (nach fünf Jahren Vorbereitungszeit) Reju, ein Unternehmen für die Textil-zu-Textil-Regeneration. 

Reju nutzt die VolCat-Technologie von IBM, die den selektiven Abbau von Polymeren ermöglicht und schwer zu recycelnde Polyester-Kleidungsstücke angeht. FashionUnited hatte kürzlich die Gelegenheit, Frisk in einem Zoom-Call einige Fragen zu stellen, als er Journalist:innen über den neuen 1000-Tonnen-Regeneration Hub Zero in Frankfurt am Main informierte.

Lassen Sie uns mit dem Offensichtlichen anfangen - warum Polyester?

Weil es das größte Problem ist: 75 Prozent aller Fasern sind Polyester und es ist natürlich ein Problem, weil es sich nicht zersetzt. Es wird auch aus einer endlichen Ressource hergestellt, das sind schon zwei gute Gründe. Polyester-Textilabfälle sind eine der größten Nachhaltigkeitsherausforderungen unserer Zeit. Es ist die weltweit am häufigsten verwendete synthetische Faser. Laut Daten der Textile Exchange aus dem Jahr 2022 werden jährlich über 60 Millionen Tonnen Polyesterfasern produziert, doch weniger als 1 Prozent der weltweiten Textilabfälle werden laut Daten der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2012 zu neuen Fasern für Kleidung recycelt.

Der dritte Grund ist, dass die Technologie jetzt zum ersten Mal verfügbar und gut ist. Denn eine geeignete Technologie muss schnell, hocheffizient und ertragreich sein. Ein weiterer Grund ist, dass Polyester eine zu gute Faser ist, um sie ganz aufzugeben. Sie ist zu weit entwickelt, sie ist zu sehr ein Rohstoff. Außerdem ist sie zu stark in die nachgelagerte Lieferkette integriert, um ersetzt werden zu können. Und sie wird nicht nur von der Textil- und Bekleidungsindustrie verwendet - sie ist überall, in der Automobilindustrie, in Flugzeugkabinen, in Teppichen usw.

Was ist mit der Baumwolle, die von Kleidungsstücken aus gemischten Materialien übrig bleibt?

Das ist Projekt Nummer zwei (lacht). Wir wissen auch, wie man mit Baumwolle umgeht, aber darauf konzentrieren wir uns im Moment nicht, weil wir zuerst das Polyester richtig hinbekommen müssen.

Wir haben auch Arbeitsgruppen zum Thema Farbstoffe. Farbstoffe sind ein großes Problem, aber das niemand spricht. Vier bis sechs Prozent eines Kleidungsstücks bestehen aus Farbstoffen - das ist eine Chance, und wir glauben, dass wir das im Laufe der Zeit auch recyceln können. Farbstoffe sind bei Baumwolle eher ein Problem, da sie sich schwerer abtrennen lassen als bei Polyester. Glauben wir, dass dies ein lösbares Problem ist? Ja, auf jeden Fall. Aber die Technologie, mit der wir angefangen haben, ist nicht für Baumwolle, sondern für Polyester gedacht. Wir entwickeln derzeit aber Chemie speziell für Baumwolle.

Das bedeutet übrigens nicht, dass wir die gewonnene Baumwolle nicht verwenden können. Wir sind sehr wohl in der Lage, sie in den Zellulose-Abfallstrom einzubringen, um daraus Fasern herzustellen; das können wir also bereits tun. Aber letztendlich denken wir dabei an Zero Waste. Wir glauben, dass wir letztendlich auch Elastan oder Spandex recyceln können. Wir denken, dass es eine Möglichkeit gibt, das zu tun, und wir haben Leute, die daran interessiert sind. Im Wesentlichen gibt es sehr wenig, was man nicht wiederverwenden kann.

Glauben Sie, dass es mit dem im Prozess gewonnenen Wissen in Zukunft noch Materialmischungen geben wird?

Das ist schwer zu sagen. Ich würde hoffen, dass wir in Zukunft in der Lage sein werden, die Mischungen zu verarbeiten; es wird viel einfacher werden. Aber es wird auch darum gehen, bessere Garne und Stoffe herzustellen. Letztendlich müssen wir den Verbrauchenden ein besseres Produkt bieten, und ich glaube, dass wir das schaffen können. Wenn wir mehr Kleidungsstücke aus einem einzigen Material herstellen können, gut; wenn wir sicherstellen können, dass wir bessere Garne und Stoffe herstellen, gut, denn sie werden weniger Auswirkungen haben, solange sie in Gebrauch sind.

Stichwort bessere Produkte - wie wird Reju die neuen EU-Bekleidungsvorschriften angehen?

Wir haben unsere eigene Positionierung geschaffen und sind uns der Bedeutung der Koordinierung der verschiedenen Bemühungen sehr bewusst. Wir schaffen Systeme wie EPR [erweiterte Herstellerverantwortung, Anm.d.Red.] für Marken, damit die Anstrengungen in diesem Bereich in Investitionen in die Infrastruktur fließen, um tatsächlich bei der Abfallentsorgung zu helfen.

Wenn man also ein Programm zur Verantwortung der Endproduzent:innen hat, sollte man sicherstellen, dass das Geld, das in dieses Programm fließt, auch tatsächlich dazu verwendet wird, die Infrastruktur bereitzustellen, die dazu beitragen kann, einen Teil dieser Abfälle zu recyceln. Wir engagieren uns also auf höchster Ebene zu vielen verschiedenen Themen, um sicherzustellen, dass unsere Stimme gehört wird. Und ich muss sagen, es ist sehr ermutigend, dass man auf EU-Ebene in jeder Hinsicht bereit ist zuzuhören; es braucht den Input der Industrie. Wir sind auch sehr aktiv in der Euratex-Initiative in Europa und deren Rehubs-Initiative.

Textil-zu-Textil-Recycling ist zwar das Gebot der Stunde, aber es ist nicht einfach, ein solches Unternehmen zu gründen und es am Leben zu erhalten. Was machen Sie anders als Akteure auf diesem Gebiet wie etwa Renewcell (jetzt Circulose) und Soex?

Wir haben eine ganzheitliche Sichtweise. Als Unternehmen haben wir vom ersten Tag an verstanden, dass man, um die Textilzirkularität zu erschließen, das gesamte Ökosystem verstehen muss. Man muss auch sicherstellen, über Fähigkeiten zu verfügen, die nicht nur bei der Regeneration, sondern auch bei der Rückgewinnung und letztendlich der Rückführung wirksam sind.

Für uns beginnt es damit, dass wir Expert:innen für Abfallwirtschaft und Ingenieur:innen in den Bereichen Chemie, Bauwesen und Textil haben - wir verfügen über ein erfahrenes Management in allen Bereichen. All diese Funktionen in einem so jungen Unternehmen sind wirklich wichtig und entscheidend, weil man Zusammenhänge erkennen muss.

Außerdem muss man verstehen, dass Technologie nur der Schlüssel ist; die Öffnung geschieht dadurch, dass man diese Zusammenhänge erkennt. Man muss eine Technologie haben, die für die Industrialisierung geeignet ist. Wir wissen, dass die Technologie, die wir haben, die schnellste und effizienteste ist, also den geringsten Energieverbrauch hat, aber auch den höchsten Ertrag. Alle diese Dinge sind sehr wichtig, wenn man eine wirtschaftliche Skalierung dessen erreichen will, was man aufbaut.

Also die richtige Technologie mit der richtigen Besetzung, Erfahrung und Wissen und einer soliden Rohstoffversorgung. Wenn man das nicht hat, ist es leicht, irgendwo auf der Strecke eine Lücke zu lassen, die per Definition keine Kette sein wird. Was wir bisher gesehen haben, sind sehr gute Absichten und einige großartige Projekte, aber in einigen Fällen fehlen vielleicht einige der Komponenten.

Wir haben zum Beispiel mehr Zeit darauf verwendet, sicherzustellen, dass wir eine solide Rohstoffversorgung für unsere Technologie haben, die einzigartig und mit Textilien verbunden ist. Es ist die einzige Technologie, die auch gemischte Post-Consumer-Materialien verarbeiten kann. Wir sind auch in der Lage, andere Materialien vom Polyester zu trennen, zu depolymerisieren und wieder in Polyester zu verwandeln.

Sobald man das hat, was wir liefern, nämlich regeneriertes Polyester, muss man in der Lage sein, dies in die Marke zu integrieren, an die man verkauft. Und wenn man die Möglichkeiten hat, die wir haben, wo wir im Wesentlichen das Molekül oder Polyester bis zu seinem Polymer reinigen, so dass alle Verunreinigungen, alle PFAs, alles Schlechte entfernt wird, dann kann man alles wieder zu einem Polyester von großer Qualität zusammenbauen.

Wir haben die Möglichkeit, nicht nur das Versprechen zu erfüllen, das wir Marken für regeneriertes Textil-zu-Textil-Polyester gegeben haben, sondern wir haben auch die Möglichkeit, mit den Marken zusammenzuarbeiten, um bessere Garne und Stoffe herzustellen, so dass es wirklich Textil-zu-Textil bis zum Verbraucher:innenlevel ist. Es geht darum, diesen Weg zu einem besseren zu machen, so dass das zweite Leben ein besseres Produkt hervorbringt und sicherzustellen, dass das Polyester ein besseres Garn und Gewebe und letztendlich ein besseres Kleidungsstück ergibt. Wir glauben also an diese Upcycling-Idee. Wenn man Verbraucher:innen nur sagt, dass etwas "grüner" sei, wissen wir nicht, ob sie aufgrund dessen eine bessere Wahl treffen werden. Aber wenn man deutlich macht, dass das Produkt sich besser anfühlt, besser funktioniert, hat man meiner Meinung nach eine bessere Chance, Verbraucher:innen davon zu überzeugen, dass dies eine wirklich gute Sache ist.

In Bezug auf die Rohstoffversorgung sind Sie gerade eine neue Zusammenarbeit eingegangen sind?

Ja, wir arbeiten jetzt mit Nouvelles Fibres Textiles (NFT) zusammen, einem französischen Unternehmen, das sich auf die Rückgewinnung von Alttextilien spezialisiert hat. Gemeinsam gehen wir die Beschaffung und das Recycling von Textilabfällen an, um den Aufbau eines Kreislaufsystems in Frankreich zu unterstützen. NFT wird Reju mit Sekundärrohstoffen aus gebrauchten oder ungebrauchten Textilabfällen für das Recycling und die Herstellung von regeneriertem Reju-Polyester beliefern.

Da die Sammlung von Textilabfällen in der Europäischen Union ab 2025 obligatorisch ist, ist es unerlässlich, dass wir über skalierbare Systeme und Partnerschaften verfügen, um das gesammelte Material zu verarbeiten und es von Deponien oder Verbrennungsanlagen fernzuhalten. Gemeinsam bauen Reju und NFT die Technologie und Infrastruktur auf, um Materialien branchenübergreifend zu regenerieren und wiederzuverwenden und die Art und Weise, wie wir unsere Ressourcen nutzen, zu verändern.

Wer sind neben NFT Ihre wichtigsten Partner:innen?

Wir arbeiten hauptsächlich mit Marken, Sortier- und Sammelbetrieben, Garnspinnereien und Polymerherstellenden zusammen und werden von Investor:innen, gemeinnützigen Organisationen, Einzelhändler:innen, Logistikanbietern, lokalen Behörden und Koalitionen unterstützt. Wir sind kürzlich eine Partnerschaft mit Goodwill Industries und Waste Management (WM) eingegangen, dem führenden nordamerikanischen Anbieter von umfassenden Umweltlösungen.

Woher beziehen Sie sonst noch Ihr Material, den Rohstoff?

Wir haben noch ein paar weitere Partner:innen aus Europa. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Quellen innerhalb der Länder, einiges davon kommt aus dem allgemeinen Abfall, aber das ist noch keine große Quelle, weil die EU-Richtlinie zur Trennung von Textilabfällen im Januar 2025 in Kraft tritt, das ist also etwas für die Zukunft. Es gibt auch einige der von Ihnen erwähnten Sortierbetriebe, einige gemeinnützige Organisationen, Unternehmen, die Dinge herstellen; das sind viele verschiedene Möglichkeiten. Wir sprechen mit fast 100 verschiedenen Quellen allein in Europa und knüpfen Kontakte zu den verschiedenen Möglichkeiten, im Laufe der Zeit in diesen verschiedenen Abfallströmen etwas zu bewirken.

Rejus farbenfroher „Regeneration Hub Zero“ in Frankfurt am Main. Bild: Reju via CGPR

Können Sie uns etwas mehr über den „Regeneration Hub Zero“ in Frankfurt am Main erzählen? Warum haben Sie diesen Standort gewählt?

Das Besondere an unserer Arbeitsweise ist, dass wir beim Bau des Regenerationszentrums hier in Frankfurt etwa 80 bis 90 Ingenieur:innen bereits vor Ort hatten, so dass wir über unglaublich viel Fachwissen und Erfahrung verfügen.

Als wir 2021 das Joint Venture mit IBM gründeten, war einer der Gründe, warum sich IBM für Technip (Rejus Muttergesellschaft) entschied, deren umfassende Erfahrung in der Polymerwissenschaft. Technip hat über tausend Polyesteranlagen gebaut und vor etwa 20 Jahren ein Unternehmen namens Zimmer in Frankfurt gekauft; Zimmer ist einer der Pioniere der Polyesterwissenschaft und der Polyesterherstellung. Und etwa ein Drittel der gesamten Kapazität, die es heute weltweit in Bezug auf die Polyesterherstellung gibt, wird in einer Fabrik hergestellt, die irgendwann von Technip und dem Zimmer-Team betreut wurde. Alle Zimmer-Ingenieur:innen arbeiten in Frankfurt.

Ich denke, es ist ein Punkt, der manchmal übersehen wird, wenn wir über Regeneration oder Recycling von Polyester sprechen - keine der Technologien, die derzeit verfügbar sind, wird am Ende immer Polyester liefern, sondern ein Polymer. Sobald man seinen Abfall depolymerisiert hat, muss man ihn repolymerisieren, und der Vorteil, den wir in Frankfurt haben, ist, dass wir eine Polymeranlage direkt neben unserer Regenerationsanlage haben. Wir sind in der Lage, den Textilabfall zu nehmen und zu depolymerisieren und dann sofort, mit dem BHGT, das wir erhalten (was im Wesentlichen ein weißes Pulver ist) direkt in die Polymerisationsanlage zu geben und daraus Polyester herzustellen. Ein großer Vorteil für uns, der uns eine große Markteinführungsgeschwindigkeit ermöglicht.

Gibt es Pläne für weitere Regenerationszentren?

Ja, aber unser erstes europäisches groß angelegtes Regenerationszentrum wird nicht in Frankfurt gebaut werden. Der Grund dafür ist, dass man, wenn man die Kriterien für den Bau in diesem Bereich betrachtet, automatisch darauf achten wird, dass man sich an einem Chemie-Standort befindet. Der Grund dafür ist, dass man dort alle notwendigen Versorgungseinrichtungen hat, und in unserem Fall stellen wir auch sicher, dass wir in der Nähe von Orten sind, an die wir so umweltfreundlich wie möglich liefern können, also in der Nähe eines Bahnnetzes oder in der Nähe von Wasser. Wenn man sich die Lebenszyklusanalyse ansieht, ist der Standort, an dem man baut, sehr wichtig für den CO2-Fußabdruck, was zum Teil damit zu tun hat, welche Art von Energie man für den Betrieb des Regenerationszentrums verwenden kann, aber auch mit dem Wasserverbrauch. Wir wägen also alle verschiedenen Aspekte der Umweltbilanz ab.

Beachten Sie auch, dass wir unser B Corp-Status noch aussteht. Wir haben uns entschieden, sofort den B Corp-Status zu beantragen, als wir ein Unternehmen wurden. Für uns als Hersteller gibt es viele Dinge, die wir aus einer Due-Diligence-Perspektive bedenken müssen, aber wir wissen bereits, dass wir alle Kriterien erfüllen werden. Wir werden erst dann vollständig zertifiziert werden können, wenn wir zwei Jahre bestehen. Soviel zur Sorgfalt und Disziplin, die wir vom ersten Tag an an den Tag gelegt haben.

Für 2026/27 planen wir die nächsten beiden Regenerationszentren und haben die Auswahl auf drei Standorte in Europa und zwei in den USA eingegrenzt, wobei die Entscheidung bis Ende des Jahres fallen sollte. Wir sind sehr damit beschäftigt, die vorgelagerte Rohstoffversorgung aufzubauen und uns darum zu kümmern, während wir weiter daran arbeiten, sicherzustellen, dass die Technologie das tut, was wir von ihr wollen, und natürlich viele Gespräche nachgelagert in Bezug auf die Abnahme führen.

Wir schaffen auch ein Bildungsumfeld für unsere Regenerationszentren, um sicherzustellen, dass wir das chemische Recycling und das Recycling im Allgemeinen entmystifizieren. Wir sehen dies als eine Gelegenheit, nicht nur die Branche, sondern auch diejenigen außerhalb der Branche zu informieren, damit wir mehr Fortschritte für den gesamten Planeten machen können.

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