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Global Fashion Exchange: “Wenn die Menschen lächeln, wird sich die Welt verändern”

Von Simone Preuss

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Mode |INTERVIEW

Im Durchschnitt tragen wir ein Kleidungsstück sieben Mal, bevor wir es wegwerfen; oft einfach in den Müll. Pro Jahr sind dies 2,5 Milliarden Pfund Kleidung um genau zu sein. Eine erschreckend große Menge, die aber leicht zu verkleinern ist, denn eine der einfachsten und nachhaltigsten Möglichkeiten, Kleidungsstücke länger leben zu lassen, ist, ihnen neue Besitzer zu geben. Und genau das ist das Anliegen der Global Fashion Exchange (GFX): Nachhaltige Konsumgewohnheiten von Kleidung wie Wiederverwendung und Recycling auf der ganzen Welt durch inspirierende Foren, Bildungsinhalte und kulturelle Veranstaltungen wie den Kleidertausch zu fördern. Seit der Gründung im Jahr 2013 hat GFX 22 Tonnen Kleidung vor der Mülldeponie gerettet. FashionUnited fand das sehr beeindruckend und sprach mit GFX-Mitbegründer Patrick Duffy, um mehr zu erfahren.

Patrick, könnten Sie ein bisschen von den Anfängen der Global Fashion Exchange erzählen?

Natürlich. Vor langer Zeit arbeitete ich als Promoter, auch in Produktionsfirmen für große Modemarken. Ich habe meine Fähigkeiten weiter ausgebaut und bin dann Gastronom geworden. So bekam ich irgendwie eine Rundum-Erfahrung in der Unterhaltungbranche und wurde auch mehr und mehr mit Nachhaltigkeit vertraut. Dann ging ich als Journalist zur Copenhagen Fashion Week, um für verschiedene Publikationen darüber zu schreiben. Damals gab es dort einen Nachhaltigkeitsbereich, über den ich noch nicht viel wusste. Dann passierte Rana Plaza und veränderte meine Sicht der Modebranche. Alles hatte mit dem Überkonsum zu tun. Er machte mich krank und ich hatte meinen - wie ich es nenne - Oprah- Aha-Moment. Ich dachte darüber nach, wie man Veränderung bewirken könnte. Dann wurde ich zurück nach Kopenhagen eingeladen und dort hatten sie 2013 einen ersten Kleidertausch und ich dachte ‘Das ist etwas, in das ich all meine Fähigkeiten einbringen und daraus eine Botschaft machen kann’. Und das zu einer Zeit, als ‘Sustainability’ noch immer das S-Wort war, das niemand sagen wollte. Nachhaltigkeit brauchte noch viel Unterstützung.

Wurde Ihre Idee gut angenommen?

[lacht] Anfangs nicht. Als ich den Leuten in der Branche von der Idee erzählte, sagten sie, was Leute oft zu einer wirklich guten Idee sagen: "Du bist verrückt". Das sagten sie, aber es war nicht wahr. Aber dann erkannte ich, dass die Leute, mit denen ich sprach, für Modemarken arbeiteten, deren Hauptziel es war, Kleidung zu verkaufen. Aber wir haben unsere Kapazität erreicht, was die Produktion von Kleidung angeht, wir platzen aus allen Nähten. Ich gab nicht auf und stellte meine Idee immer wieder vor und hörte bald andere Kommentare, Leute, die sagten "Das ist unglaublich, aber wir wissen nicht, wie wir es machen sollen". Plötzlich waren alle super aufgeregt, wollten mitmachen und halfen mir, die Idee weiter zu verfolgen. Privat gab ich alles weg, all meinen materiellen Besitz und gab selbst New York City auf, da es so teuer war, dort zu leben. Ich ließ alles hinter mich und konzentrierte mich darauf, etwas zu machen, an dem ich wirklich gerne arbeiten würde.

Kosten die Veranstaltungen etwas?

Nein, die größeren Kleidertauschs sind völlig kostenlos, weil wir niemanden ausschließen wollen, da auch Nachhaltigkeit niemanden ausschließt; es geht alle an. Wir hatten gerade eine große Outdoor-Veranstaltung im Brooklyn Mirage, einem riesigen Outdoor-Standort in East Williamsburg in New York. Die Leute dort waren fantastisch und unterstützten die Veranstaltung, indem sie uns den Standort kostenlos zur Verfügung stellten. Wir hatten Superstar-DJs, viele Leute, die beim Aufbau mithalfen und 20 ethische und nachhaltige Marken, die ihre Produkte präsentierten. Sie bekamen den Stand umsonst, weil sie eine Chance brauchten, ihre Nachricht zu verbreiten, und ich dachte, es wäre nicht richtig gewesen, dafür von ihnen Geld zu verlangen. Außerdem hatten wir eine Modenschau mit 120 Models aller Hautfarben und Größen, einige waren sogar im Rollstuhl. Alle arbeiteten umsonst, so dass die Veranstaltung kostenlos sein konnte, so dass es keinen Grund gab, warum jemand nicht teilnehmen sollte - eine Ticketgebühr von 10 oder 20 Dollar zu verlangen, kann für manche ein Hinderungsgrund sein.

Wie sieht es mit den kleineren Veranstaltungen aus?

Die kleineren ‘Clothing Swaps’ ermöglichen es den Veranstaltern, ihre Kosten zu decken. Und das ist etwas, was die Leute immer fragen: "Wie verdient ihr euer Geld?" Für die kleineren Swaps arbeiten wir mit den Botschaftern zusammen, damit sie ihre Kosten decken können und um zu bestimmen, welchen Ticketpreis die Gemeinschaften aufbringen können. Schließlich verwenden die Veranstalter vor Ort viel Zeit mit der Organisation und verdienen es, dafür bezahlt zu werden.

Haben Menschen etwas dagegen, Kleidung von Leuten zu tragen, die sie nicht kennen?

Nein, nicht auf den Tausch-Veranstaltungen, denn vergessen Sie nicht, dass die Leute freiwillig kommen. Und die großen Veranstaltungen sind gut besucht. Sie werden zu glamourösen Events und die Leute interessieren sich dafür. Interesse ist der Köder, um sie einzufangen und sie über das Thema und Nachhaltigkeitsziele wie Menschenrechte, usw. aufzuklären. Und wenn sie erst ein bisschen mehr darüber wissen, werden sie hoffentlich über den Kleidertausch hinausgehen.

Würden Sie sagen, dass ein Kleidertausch die Einstellung ändern kann?

Ja, sogar das Leben von jemandem. Bei der jüngsten Veranstaltung in New York zum Beispiel mit 1.600 Leuten stand ich am Eingang und unterhielt mich mit jedem einzelnen Besucher und fragte: "Wissen Sie, warum Sie hier sind?" Viele wussten es; viele wussten es nicht. Sie waren nur gekommen, um Kleider zu tauschen. Es ist also ein Berührungspunkt, um die erstaunlichen Fakten zu kommunizieren - und dann passiert der Aha-Moment, der transformative Moment. Sobald die Menschen das Problem verstehen - dass die Modebranche die umweltschädlichste Industrie ist und wie Verbraucher dazu beitragen - können sie es nicht mehr aus ihrem Gedächtnis löschen.

Die Leute ändern vielleicht nicht ihren Lebensstil, aber sie haben die Informationen erhalten, und die meisten wollen sich engagieren. Sie werden auf ihre eigene Art zu Aktivisten, teilen ihre Erfahrung auf den sozialen Medien und zeigen stolz ihre getauschten Artikel. Das ist eine positive Entwicklung.

Wenn man die Menschen anspricht, besonders Millennials, dann ist es wichtig psychologisch zu verstehen, wie sie denken. Und ich weiß, was die Leute wollen; sie wollen Erfahrungen. Und die Erfahrung, die sie haben, wirkt sich auf das Thema Nachhaltigkeit und die Botschaft aus. Deshalb ist es einfacher, durch eine positive Erfahrung zu kommunizieren; wenn die Menschen lächeln, wird sich die Welt verändern.

Könnten Sie erzählen, wie GFX Local entstanden ist?

GFX Local entstand als Lösung des Problems, wie wir das, was wir machen, auf größerer Ebene tun und mehr Clothing Swaps fördern können. Wir haben nach der Organisation der größeren Swaps bemerkt, dass sie viel Geld und Arbeitskraft benötigen. Es war jedoch immer mein Traum, diese Botschaft auf der ganzen Welt zu verbreiten, aber es ging nicht so schnell, wie ich es wollte, weil es auf Sponsoren angewiesen war; Geld im Grunde. "Geld ist ein dummer Grund dafür, dass sie nicht verbreitet wird", dachte ich und GFX Local wurde ins Leben gerufen, inspiriert von der Fashion Revolution. Wir haben ein Toolkit für Interessierte zum Download und zur Bewerbung entwickelt. Dann gehen wir eine Art Frage-und-Antwort-Prozess durch, um herauszufinden, ob jemand qualifiziert ist und sich als GFX-Botschafter anmelden möchte. Und Interessierte können das Kit herunterladen und in ihrer Heimatstadt einen Kleidertausch starten.

Gibt es länderspezifische Besonderheiten? In Indien zum Beispiel ist Second Hand ganz und gar nicht in.

Natürlich, und GFX berücksichtigt in allen Märkten, was kulturell und sozioökonomisch passiert, bevor ein Kleidertausch gestartet wird. Bolivien, Costa Rica, Barcelona usw. sind alle verschieden und in einigen Ländern, wie Indien, ist Second-Hand-Kleidung weniger wünschenswert. Aber GFX macht Spaß und die Erfahrung ist wirklich entscheidend; ein Hilfsmittel, um den Leuten zu zeigen, dass die Idee großartig ist. Die Qualität der Kleidung ist genauso wichtig wie das Marketing und Branding.

Eine Geschichte zu erzählen ist wichtig, wenn wir zum ersten Mal einen Tausch veranstalten und wir leisten viel Hilfestellung für die Botschafter, um einflussreiche Leute an den Tisch zu bringen. In Indien war dies Evelyn Sharma, eine berühmte Bollywood-Schauspielerin, die auch ihre eigene Organisation Seams for Dreams hat. Die Organisation stellt den weniger privilegierten Mitgliedern der Gesellschaft in Indien angemessene Kleidung zur Verfügung und sammelt Mittel und Aufmerksamkeit durch Modeveranstaltungen. Es hilft wirklich, wenn GFX von jemand anderem unterstützt wird. Evelyn war nicht nur ein Gesicht, sondern ist selbst in etwas Ähnlichem aktiv, was mit der Sache zusammenhängt. Dies ist nicht nur in Indien wichtig, sondern überall auf der Welt. In Indien erhielten wir eine so positive Resonanz und viel Publicity, dass der Botschafter vor Ort mehr Veranstaltungen organisieren wird.

Was haben Sie persönlich vom Start der Global Fashion Exchange gelernt?

Oh, ich habe so viel gelernt und ich hatte so wundervolle Lehrer in den verschiedenen Organisationen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Im Laufe der Zeit wurde ich auch eingeladen, auf Konferenzen zu sprechen, und ich habe vier Mal bei den Vereinten Nationen über GFX gesprochen. Ich war auch auf dem Omina Fashion Summit und hielt die Grundsatzrede auf der ersten Australian Circular Fashion Conference. Die Leute sehen mich und sie sehen, dass ich nur eine normale Person bin und dass selbst ein Einzelner die Welt verändern kann. Außerdem wollen die Leute positive Dinge hören; sie wollen nichts über die verrückten Probleme hören, die passieren. Es besteht also keine Notwendigkeit, die Probleme zu diskutieren, sondern es geht vielmehr darum, über Lösungen zu sprechen. So wird GFX zur Lösung und bietet verschiedene Lösungen an.

Erzählen Sie uns doch bitte, was es mit GFX Consulting auf sich hat.

GFX Consulting ist Teil des Geschäftsmodells, das sich aus meinen Überlegungen zu den Fragen entwickelte: ‘Wie kann dies funktionieren?’, ‘Was soll ich mit diesem Wissen anfangen?’ Ich wollte es von Anfang an als Open Source anbieten und jetzt zeige ich Unternehmen, wie man eine Lieferkette verwandeln kann und wie man diese Verwandlung kommuniziert. Das könnte ein Projekt mit einer großen Marke sein, aber auch mit kleinen, um herauszufinden, wie man das Geld dazu aufbringt, wie man sich mit verschiedenen Märkten verbindet und wie man seine Nachhaltigkeits- Geschichte kommuniziert. Im Grunde, verschiedene Bedürfnisse einschätzen und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln.

Im Marketing werden viele Geschichten erzählt und Marken fangen gerade erst an zu verstehen, dass das Erzählen ihrer Nachhaltigkeits-Geschichte ein großer Teil dessen sein kann, was sie tun. Die Menschen, der Planet, der Prozess. Marken bleiben jedoch häufig in linearen Modellen oder Zyklen stecken, während Zirkularität wichtig ist und wir ihnen beibringen können, wie sie dazu übergehen können.

Angesichts des jüngsten Skandals verschiedener Marken, die einwandfreie Ware vernichten, wie erwärmen Sie Marken für Zirkularität und Nachhaltigkeit?

Die größte Frage ist doch: Warum tun sie das, warum verbrennen sie all diese Ware? Man muss den Menschen beibringen, dass Marken weniger produzieren müssen, wenn sie weniger kaufen. Was Marken derzeit tun, belastet den Planeten. Sie müssen deshalb auf Innovationen setzen und kritisch betrachten, was sie tun. Sie müssen sich auf bessere Qualität, aber auch auf Zirkularität konzentrieren und Produkte kreieren, die zu 100 Prozent kreislaufwertig sind. Marken müssen auch selbst Aufklärungsarbeit betreiben. Sie müssen zusammen mit den Verbrauchern Verantwortung übernehmen. Die Produktion verlangsamen, da Fast Fashion die Branche erstickt. Innovative Materialien sind der Schlüssel, zum Beispiel solche aus Meereskunststoffen. Glücklicherweise ist Nachhaltigkeit ein Trend, der hoffentlich anhalten wird.

Fotos: Global Fashion Exchange

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