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„Made in America“: neuer Kurzfilm beleuchtet Missstände der US-Bekleidungsindustrie

Von Simone Preuss

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Ist die Bekleidungsproduktion in heimischen Gefilden besser, sicherer und fairer? Nicht unbedingt, wie verschiedene Exposés über „Made in Europe“ gezeigt haben. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist es nicht anders und auch „Made in America“ ist weder besser und sicherer noch fairer. In einem jüngst veröffentlichten, gleichnamigen Kurzfilm gewährt US-NGO Remake einen Blick hinter die Kulissen verschiedener Bekleidungsfabriken in Los Angeles und lässt Bekleidungshersteller vor Ort, Designer und eine Inspekteurin für Arbeitsbedingungen zu Wort kommen.

„Wenn wir an 'Made in America' denken, denken wir an unsere reiche Herstellungstradition. ... [Aber] für die Bekleidungsbranche ist es zu einem Personalbestand gekommen, der verletzlich ist und ausgebeutet werden kann. Und das ist anders, wenn wir an 'Made in America' denken. All diese Dinge, von denen wir uns vorstellen, dass sie sich in anderen Ländern abspielen könnten, können hier passieren, und sie tun es auch“, sagt eine Arbeitsinspekteurin aus Los Angeles mit mehr als 20 Jahren Erfahrung, die anonym bleiben möchte, um ihren Arbeitsplatz zu schützen.

Los Angeles ist Zentrum der US-Bekleidungsindustrie

Los Angeles ist das Zentrum der Bekleidungsindustrie in den Vereinigten Staaten. Hier arbeiten mehr als 50.000 Menschen, die meisten davon Einwanderinnen. Dem Film zufolge stellte das US-Arbeitsministerium fest, dass 85 Prozent der Bekleidungsfabriken gegen Auflagen verstoßen, wobei die Probleme von Niedrigstlöhnen bis hin zu körperlichen Misshandlungen reichen.

In dem zehnminütigen Film beleuchtet die Inspekteurin den Grund, warum die Arbeiterinnen - hauptsächlich Frauen aus Lateinamerika und Mexiko, aber auch aus Asien - so leicht ausgebeutet werden können: Sie brauchen Geld für ihre Familien zu Hause, um die Schulbildung ihrer Kinder, Medikamente für ihre Angehörigen oder oft nur das Nötigste zu finanzieren.

Yeni ist eine dieser Frauen, eine Schneiderin der dritten Generation aus Indonesien. Sie liebt ihre Arbeit und ist stolz auf das Geschick und die Handwerkskunst, die sie erfordert. Aber auch sie wurde ein Opfer der Ausbeutung, als sie zuerst nach Los Angeles kam. Sie sprach wenig Englisch und kannte ihre Rechte nicht - weder das auf einen Mindestlohn noch auf einen gut beleuchteten Arbeitsplatz oder saubere Toiletten. Yeni fand nichts dergleichen. Sie bekam 125 US-Dollar die Woche, bar auf die Hand, weit weniger als ihre Kolleginnen, da sie kein Englisch sprach. So war sie sich dessen lange Zeit nicht bewusst, da sie sich nicht mit den anderen Frauen unterhalten konnte.

„Made in America“ heißt nicht automatisch ethisch, legal oder fair

„‘Made in America’, ‘Made in L.A.’ - es gibt hier eine sehr gefährliche Annahme, dass [Kleidung] ethisch und legal hergestellt wird. Es ist für die Leute nur schwer vorstellbar, dass Menschen buchstäblich nur die Straße runter unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten. Aber wir müssen auf dieses Problem aufmerksam machen und es bereinigen“, sagt Jaleh Factor, Besitzerin der Bekleidungsfabrik Sourcing Theory, bei der Yeni jetzt arbeitet.

Factor weist auf die einfache Tatsache hin, dass viele Menschen - wie sie selbst am Anfang - nicht wissen, dass die Herstellung von Kleidung kein automatisierter Prozess ist, sondern dass an jedem Tank-Top und an jeder Jeans Menschen gearbeitet haben. Es sind talentierte, hart arbeitende Menschen, die einen Job wollen, in dem sie sich gut behandelt und respektiert fühlen. Factor ist sich dessen bewusst und plant deshalb, im nächsten Jahr ein Work-Ownership-Programm einzuführen, dass ihre Arbeiterinnen und Arbeiter zu Partnern macht.

Matt Boelk, Mitbegründer des Labels Groceries Apparel mit Sitz in Los Angeles, ist seit zehn Jahren im Geschäft. Für ihn liegt das Problem bei Fast Fashion. „Es fängt mit den Verbrauchern an. Sie sind Teil eines großen Systems, in dem die Menschen selbst nicht viel verdienen, aber in unserer Konsumgesellschaft darauf programmiert werden, immer mehr haben zu wollen. Und sie können es bei H&M oder Zara für weniger als 20 Dollar haben“.

Fast Fashion drückt Preise und steigert den Konsum

„Durch den Zustrom von Billigprodukten auf den Markt herrscht in der Branche ein extremer Preisdruck. ... Das hat seinen Preis“, fügt Boelk hinzu. „Wenn man ständig fast nichts für seine Kleidung bezahlt, muss man einen Moment innehalten und sich fragen, ob jemand missbraucht oder ausgenutzt wird, wenn der Preispunkt so niedrig ist“, stimmt Factor zu.

„Wir haben hier ein gutes Arbeitsklima. [Die Fabrik] ist gut beleuchtet, gut belüftet, und [die Arbeiter] haben einen schönen Pausenraum“, sagt Boelk über seine Marke und Fabrik Groceries Apparel. „Man kennt sich. Große Unternehmen sind völlig gewinnorientiert, und wenn sie sagen, dass nicht verantwortungsbewusst produziert werden kann, dann ist das eine Lüge. Es ist alles möglich.“

„Made in America“ fasst den Konsens des verantwortungsbewussteren, nachhaltigeren Teil der Modebranche zusammen, nämlich dass es darauf ankommt, dass sich Verbraucher darum kümmern, wer ihre Kleidung hergestellt hat und Marken und Einzelhändler ihre Quellen offenlegen, um mehr Transparenz in der Lieferkette zu erreichen. Dies wird dazu führen, dass Bekleidungsarbeiter mit Würde behandelt werden und dass sie stolz auf ihre Arbeit und den Ort sind, an dem sie arbeiten, unabhängig davon, ob sie in Bangladesch, Indien, Rumänien oder den Vereinigten Staaten leben.

„Made in America“ kann auf der Remake-Website (remake.world/stories/made-in/made-in-america) angesehen werden.

Bilder aus dem Film: Bekleidungsfabrik; Yeni bei Sourcing Theory; Groceries Apparel

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