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Kambodscha: mögliche EU-Handelssanktionen gefährden Jobs von 90.000 Näherinnen

Von Simone Preuss

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Etwa 90.000 kambodschanische Bekleidungs- und Textilarbeiter könnten arbeitslos sein, sollten die von der Europäischen Union vorgeschlagenen Handelssanktionen dazu führen, dass Modemarken in anderen Ländern fertigen lassen. Dies befürchten zumindest Arbeitnehmerrechtsgruppen und die Betroffenen selbst. Derzeit profitiert Kambodscha von dem 2001 eingeführten "Everything but Arms"-System (EBA), das 49 der ärmsten Länder der Welt im Rahmen des umfassenderen Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU zollfreien Zugang zu EU-Märkten gewährt. Die EU hat jedoch am 11. Februar dieses Jahres angekündigt, dass Kambodscha seinen Status wegen Verstößen gegen grundlegende EU-Standards verlieren könnte. Bemängelt wird etwa der harte politische Kurs von Premierminister Hun Sen, der das Land auf den Weg zum Einparteienstaat bringt, aber auch die weit verbreitete Korruption.

Dies hätte schwerwiegende Folgen für die Bekleidungsindustrie des Landes, Kambodschas größten Arbeitgeber mit 700.000 Beschäftigten und einem Exportvolumen von 7 Milliarden US-Dollar (3,36 Milliarden Euro) jährlich, von denen die Exporte in die EU im Jahr 2018 45 Prozent ausmachten. Diese Zahl schrumpfte bereits, nachdem die EU einen Prozess eingeleitet hat, der zur Wiedereinführung der Zölle im August 2020 führen könnte: Laut Ken Loo, Generalsekretär des Verbands der Bekleidungsherstellers Kambodschas (GMAC), gingen die Exporte in die EU im ersten Halbjahr 2019 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um rund 600 Millionen US-Dollar (rund 545 Millionen Euro) zurück.

Internationale Auftraggeber beschaffen anderswo, sollte zollfreier Handel enden

Die Wiedereinführung von Zöllen ist ein Schritt, dessen finanzielle Folgen nur wenige internationale Auftraggeber bereit wären zu tragen: Xiaoxu Liu, Sourcing Manager für China und Südostasien beim irischen Bekleidungsdiscounter Primark, der etwa 20 Fabriken im Land hat, sagte vor einigen Wochen, dass europäische Unternehmen „aus der Produktion aussteigen“ würden und dass es „eine große Herausforderung“ wäre, ohne das Handelsabkommen zu agieren. David Savman, Produktionsleiter des schwedischen Fast Fashion-Riesen H&M mit rund 50 Fabriken in Kambodscha, warnte ebenfalls vor einem „erheblichen Rückschlag“ und bestätigte, dass das Unternehmen im Falle eines Endes der Handelsvorteile weniger Geschäfte im Land tätigen würde. Alternative Beschaffungsländer könnten China und Indonesien sein, sagte er laut Reuters.

Während die meisten internationalen Unternehmen eine Exit-Strategie haben, die den Übergang für Zulieferunternehmen erleichtern würde, während sie nach neuen Auftraggebern suchen, schließt diese Bekleidungsarbeiter nicht ein; die meisten von ihnen sind Frauen: Rund 90.000 von ihnen oder fast 13 Prozent könnten ihren Arbeitsplatz verlieren und würden wahrscheinlich „in der Unterhaltungs- oder Dienstleistungsbranche, in Bars und Massagesalons landen und der sexuellen Ausbeutung ausgesetzt sein“, so Khun Tharo, Programmkoordinator des Center for Alliance of Human and Labor Rights.

Eine Alternative wäre die Migration nach Thailand, wo bereits zwei Millionen Kambodschaner arbeiten. „Viele von ihnen sind undokumentiert und anfällig für die moderne Sklaverei. So oder so, es werden ernsthafte Risiken eingegangen“, warnte Tharo laut Reuters.

Bekleidungsarbeiterinnen und ihre Familien wären am stärksten betroffen

Zu Monatsbeginn veröffentlichte der gemeinnützige Think-Tank Mekong Future Initiative (MFI) einen kurzen Dokumentarfilm der die Notlage der Bekleidungsarbeiterinnen in Kambodscha verdeutlicht: Er begleitet die Schneiderin Sek Hong, die seit 1997 arbeitet, an einem ganz normalen Arbeitstag. Anschaulich wird, dass der Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familie - ihren Vater und schulpflichtigen Sohn - und ihr Umfeld betreffen würde, also Lehrer, Busfahrer, Gemüseverkäufer und andere Händler. Alle würden zu kurz gekommen, sollte Sek Hong ihren Job verlieren.

Wieder einmal stehen die Auftraggeber im Mittelpunkt, um eine mögliche Krise abzuwenden. Sie sollten mit Interessengruppen wie internationalen und lokalen Gewerkschaften, dem GMAC und Programmen wie Better Factories Cambodia zusammenarbeiten. Wie Reuters berichtete, sagten internationale Auftraggeber, die am Textile and Apparel SEA Summit teilnahmen, der Ende letzten Monats in Phnom Penh stattfand, dass sie bereits mit Lieferanten in Kambodscha zusammenarbeiten, um die Produktivität zu steigern und so den Verlust von Arbeitsplätzen zu minimieren.

Foto: Film-Standbild

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