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Neonyt in Frankfurt: Reicht ein Event für Endkund:innen?

Von Weixin Zha

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Messen |Aktualisiert

Die komprimierte Neonyt in der Union Halle in Frankfurt. Bild: FashionUnited

Die nachhaltige Modemesse Neonyt richtet sich zum ersten Mal an Konsument:innen. Bis Sonntag präsentierten sich viele Newcomer-Brands im Frankfurter Ostend, wenige bekannte Gesichter und dazu kamen neugierige Kund:innen. Aber reicht den nachhaltigen Modelabels ein an die Endkundschaft gerichtetes Event aus?

Auf den ersten Blick ist es fast so wie immer – die Stimmung ist herzlich, die Atmosphäre dynamisch und die Gespräche offen. Im Obergeschoss der Union Halle auf einem ehemaligen Industriegelände gibt es eine Prepeek-Lounge, in der Influencer:innen Bilder mit Kleidungsstücken aus der Kollektion der nachhaltigen Modelabels schießen; im Untergeschoss diskutieren Expert:innen über nachhaltige Entwicklungsziele und Greenwashing.

Bekannt und doch anders

Und doch ist einiges anders. Die grüne Modemesse heißt jetzt offiziell Neonyt Lab. Alle Interessierten kommen rein, solange sie sich über die Website oder noch schnell an der Tür registrieren. Die 30 Marken, die hier zeigen, verkaufen ihre Kleidung auch direkt an die Besucher:innen des Events. Offiziell sind sie auch Teil des “Greenstyle. The Store”. Die Brands wurden nämlich von Mirjam Smend, der Veranstalterin des grünen Modeevents Greenstyle aus München ausgewählt. Seit der Gründung von Greenstyle vor vier Jahren sind auf Endkonsument:innen ausgerichtete Events mit nachhaltiger Mode ihre Spezialität.

Der Eingang zur Union Halle in Frankfurt. Bild: FashionUnited

Die Neonyt reagiere mit der Erweiterung ihrer Angebote auf zusätzliche Bedürfnisse der Kund:innen, sagt Olaf Schmidt, Vice President Textiles and Textile Technologies der Messe Frankfurt, in einem Gespräch am Donnerstag. Das Konzept, das sich direkt an Endverbraucher:innen richtet, ist nicht nur neu für die Neonyt. B2C ist auch neu für die Textilveranstaltungen der Messe Frankfurt. Ob es ein Format ist, das bleibt, lässt Schmidt offen, aber eine Entscheidung könnte Ende Juli folgen.

Was klar ist, ist dass in der Zwischenzeit viel passiert ist. Eigentlich sollte alles ganz groß werden, als die Modemesse Premium und die Neonyt nach Frankfurt zogen. Die Frankfurt Fashion Week wurde ins Leben gerufen, wo neben den neuesten Kollektionen für die kommende Saison auch die vorgelagerten Teile der Bekleidungsproduktion ihren Platz bekommen sollten. Und dazu noch Modeschauen und andere coole Events in der Mainmetropole.

Interessierte Endkundschaft am Stand von Sinah Schlemmer. Bild: FashionUnited

Nachhaltige Brands klagen über Lücke

Aber dazu kam es nie. Die Messen konnten während der ersten zwei Jahre Pandemie nicht stattfinden, und die Modemesse Premium zog wieder nach Berlin. Die Neonyt erprobt sich jetzt, nach zwei Jahren Pause, als Event für Endkonsument:innen und wie es weiter geht ist unklar. Für nachhaltige Modelabels, die über Boutiquen oder Onlineshops verkaufen, sind der Wegfall des Events für das Fachpublikum und die Unsicherheit problematisch.

„Die Händlermesse Neonyt findet nicht statt, das ist für uns Ecofashionbrands natürlich ein großes Problem. Wo gehen wir diese Saison jetzt hin?“, sagte Hermann Kohnen, Geschäftsführer des nachhaltigen Labels Lana. Er selbst zeigt – wie viele nachhaltige Modemarken – in zwei Wochen auch auf den Messen der Premium Gruppe in Berlin. Die 1987 gegründete Marke aus Aachen plant später noch im neuen Green Room der Modemesse Gallery in Düsseldorf auszustellen.

„Wir machen einen Rundumschlag und hoffen, dass wir in der ersten Messesaison, die jetzt wieder stattfindet, neue Kunden finden”, sagt Kohnen. Denn obwohl die meisten Aufträge auf der Naturtextilmesse Innatex geschrieben werden, bekam die Marke ihre neuen Kund:innen meist über die Neonyt.

Lana hat nun einen Stand in Frankfurt, um die Neonyt als langjährigen Partner zu unterstützen und nutzt das Event für Marketing. Kohnen will hier ein neues Publikum und junge Konsument:innen ansprechen. Zehn Teile aus der SS23-Kollektion des Labels hängen bei der Prepeek im Obergeschoss, womit Influencer:innen Bilder schießen können.

Im Prepeek-Bereich können Influencer:innen Bilder schießen. Bild: FashionUnited

Teile aus der SS22-Kollektion verkauft Lana an seinem Stand mit einem leichten Rabatt. „Wir würden auch ein bisschen von den Kosten, die wir haben, reinholen, wenn wir Sachen verkaufen.“

Quo vadis Neonyt?

Ähnlich handhabt es auch das Kölner Label Lanius. Musterteile aus der SS22-Kollektion sind leicht reduziert, das Label hat am Freitagnachmittag bereits ein paar Teile verkauft und mit zwei Buyern gesprochen. „Wir wollten der Messe treu bleiben, wir finden die Idee gut und stehen hinter der Messe”, erzählt Annabelle Homann, Chief Operating Officer von Lanius. Aber am Ende sei es ein Event für Endkund:innen, Lanius stelle seine neue SS23-Kollektion nicht hier vor, sondern in Berlin auf der Seek.

„Ich finde es schade, dass die Neonyt sich nicht dazu entschieden hat, eine große B2B-Veranstaltung in Berlin zu machen, weil sie sich wahnsinnig gut entwickelt hatte“, sagt Homann. Die Marke stellte in der Vergangenheit sowohl auf der Neonyt als auch auf der Premium aus, und zuletzt nur auf der Neonyt, weil die Messe “sich so gut etabliert hat”.

Das neue Fashionlabel Make Somebody Happy. Bild: FashionUnited

Das letzte Mal für Fachbesucher:innen fand die Neonyt während der Berlin Fashion Week statt – auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tempelhofs, neben der mittlerweile insolventen Bekleidungsmesse Panorama. Mehr als 210 nachhaltige Modelabels aus 22 Ländern zeigten ihre Kollektionen, und lockten konventionelle Modehändler wie Breuninger, CJ Schmidt oder Amazon. Im Vergleich dazu stehen in der Frankfurter Unionshalle 30 eher kleine, regionale Labels.

In der Vergangenheit profitierte die grüne Modemesse von der Nähe zu den großen Modemessen, die die Einkäufer:innen großer Modehandelsunternehmen brachte. „Das war die Kombination, die man braucht. Da war die Hölle los“, sagt Kohnen. Für die Zukunft glaubt er: „Es muss schon im Zusammenhang mit den anderen Messen passieren, sonst kommt keiner.” Er findet es auch schwer denkbar, dass Einkäufer:innen nach den Messen in Berlin extra nach Frankfurt fahren. „Sie müssen sich dort anbinden, wo die Musik spielt.“

Selbst wenn die Neonyt in der alten Form in Berlin wieder stattfinden sollte, besteht die Gefahr, dass Brands auf den anderen Messen bleiben, gibt Homann zu bedenken. „Es ist auch eine Preisfrage. Welche nachhaltige Brand kann es sich leisten auf beiden Messen auszustellen, oder will es sich leisten?”

Viele Newcomer

Am Freitagnachmittag fanden neben Endkonsument:innen und Fachbesuchenden aus der Szene auch vereinzelt Einkäufer:innen in die Union Halle. Eine von ihnen war Christiane Sami, Inhaberin des Ladens Emma 2.0 aus Bad Hölz.

Die Quereinsteigerin hat ihren Laden im vergangenen Jahr gegründet und ist auf der Suche nach neuen Marken, die es ernst mit der Nachhaltigkeit meinen. „Ich bin zwar auf der Durchreise, aber auch extra hergekommen, weil ich das Vertrauen habe, dass es eine echte Nachhaltigkeitsveranstaltung in der Branche ist”, sagt Sami. Sie hat zwei interessante Labels gefunden, aber findet die Veranstaltung insgesamt etwas klein.

Nachhaltigkeit und Mode schließen sich nicht aus, beweist die Neonyt-Show in Frankfurt aufs Neue. Bild: Toni Passig für Neonyt

„Fast ist es ein bisschen klein“, sagt auch Christine Richter. Sie ist eine der drei Schwestern, die das Label "Make Somebody Happy" im Herbst vergangenen Jahres gegründet haben und ist zum ersten Mal auf der Neonyt. Am Freitagnachmittag hat sie bisher fünf Kleidungsstücke verkauft und mit zwei Einkäufer:innen gesprochen. Für die junge Brand ist es wichtig, sich zu zeigen und hier Kontakte zu knüpfen, erzählt die Gründerin.

Für Helena Harfst, Inhaberin der gleichnamigen Marke, war die Öffnung der Neonyt für Endkonsument:innen der Hauptgrund herzukommen. „Ich suche gar keine Zwischenhändler, ich mache alles allein“, sagt sie.

Harfst verkauft ihre Kollektionen, die eine Schneiderin im hessischen Hüttenberg herstellt, bis jetzt online. Sie tut sich mit der Idee mit Modeläden zusammenzuarbeiten etwas schwer: Dafür müsste sie ihre Preise erhöhen, damit die Margen stimmen.

Neugierige Verbraucher:innen

„Ein Pop-up-Store oder eine Messe, wo auch Verbraucher:innen Zugang haben, finde ich gut. Und wo man gleich auch kaufen kann. Ist doch super“, sagt Sinah Schlemmer, die 2020 ihr Upcycling-Label Amaran Creative gegründet hat. Sie verkauft ihre Mode online, jetzt steht sie in Frankfurt, um Kund:innen auch persönlich zu treffen. Ihre Stücke sind Unikate und können, wie ein opulentes Krawattenkleid, auch mal bis zu 599 Euro kosten.

Eine Dame mit schwarzem Plisséerock sieht sich mit ihrem Mann die Entwürfe von Schlemmer interessiert an. Später erzählt sie, dass sie sich viel mit Nachhaltigkeit beschäftigt und sich freut, dass die Messe so ein Event veranstaltet und auch die Vorträge frei zugänglich sind. Eine andere Frau schlendert mit ihrer Tochter zwischen den Ständen auf der Suche nach einem Hochzeitskleid. Sie arbeitet in einem Büro nebenan und mag es, nachhaltige Modelabels zu entdecken, die man sonst nicht so findet.

Nachhaltige Mode-Events für alle zu öffnen, hält die Greenstyle-Veranstalterin Mirjam Smend für äußerst wichtig. „Ich bin der ganz dringenden Meinung, dass Veränderung sehr viel mit dem Bewusstsein von Konsumenten und Konsumentinnen zu tun hat. Wenn wir die nicht erreichen, wird sich nichts verändern.”

Dieser Beitrag wurde mit weiteren Informationen um 17.18 Uhr am 27. Juni aktualisiert.

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