Der leise Luxusriese Hermès und der laute Rechtsstreit um die Birkin-Bag
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Das französische Modehaus Hermès machte in letzter Zeit nicht nur aufgrund seines anhaltenden Wachstumskurses auf sich aufmerksam, sondern stand vor allem mit seinen fortwährenden Rechtsstreitigkeiten im Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Auseinandersetzungen um die ikonische Birkin-Tasche tauchen nicht nur tief in die digitale Welt ein, sondern werfen auch Fragen über Künstlerische Freiheit auf oder darüber, ob es ein Recht auf Luxusgüter gibt.
Markenrecht im Metaverse
Seit Dezember 2021 befindet sich der Luxuskonzern in einem Rechtsstreit mit dem Künstler Mason Rothschild. Dieser hatte eine virtuelle ‘MetaBirkin’ entworfen – ein NFT, das von der berühmten Hermès-Handtasche inspiriert wurde. Über 100 individuelle Taschen-Simulationen standen auf OpenSea, einem Peer-to-Peer-Marktplatz für NFTs, mit einem Handelswert von 1,1 Millionen US-Dollar (rund 1 Millionen Euro) zum Verkauf.
Hermès ging gegen die digitalen Duplikate an und beschuldigte den Künstler, dass er mit seiner MetaBirkin das Markenrecht des Luxuxlabels verletzt hätte. Nach einem Unterlassungsschreiben des Modekonzerns wurden die Taschen von der OpenSeas-Website entfernt. Der Künstler antwortete auf die Vorwürfe mit einem offenen Brief, der auf seinem Instagram-Profil veröffentlicht wurde und betonte, dass die NFTs vor den Markenrechtsansprüchen der Luxusmarke geschützt seien.
Im Januar 2022 reichte Hermès eine Klage gegen Rothschild beim New York Southern District Gericht über Markenrechtsverletzung ein. „Hermès hat der Kommerzialisierung oder Kreation unserer Birkin Bag durch Mason Rothschild im Metaversum weder genehmigt noch zugestimmt", sagte das Unternehmen zur britischen Zeitung Financial Times Anfang Dezember 2021.
In der Klage forderte das Luxusunternehmen den Künstler zur Unterlassung seiner Aktivitäten sowie der Abgabe der MetaBirkin-Domain-Rechte und Schadensersatzzahlungen auf. Das Unternehmen warf Rothschild außerdem vor, dass er versuche „ein Vermögen zu machen, indem er die ‘realen Eigentumsrechte’ von Hermès gegen ‘virtuelle Eigentumsrechte’ austauscht". Der Künstler soll sich aufgrund des physischen Wertes der Tasche bewusst dafür entschieden haben eine digitale MetaBirkin zu verkaufen.
Hermès gewann den Rechtsstreit im Februar 2023 als eine neunköpfige Jury dem französischen Taschen-Spezialisten einen Schadenersatz von 133.000 US-Dollar (etwa 123.289 Euro) zusprach. Das US-amerikanische Bundesgericht entschied, dass der Verkauf der NFTs durch den Künstler eine Markenrechtsverletzung darstellt – auch im unregulierten Metaverse.
„Die MetaBirkin-Kontroverse hatte eine Diskussion um Markenrecht und Freiheit des kreativen Schaffens ausgelöst. Mit dem Einzug vieler namhafter Modegrößen, wie unter anderem Nike, Adidas, Givenchy und Karl Lagerfeld, stellt sich zunehmend die Frage, wie das auf physische Produkte ausgelegt Markenrecht auf digitale Produkte und NFTs anwendbar ist. Mit der aufstrebenden Kommerzialität des Metaverse wird die Dringlichkeit klarer Regeln und rechtlicher Lagen immer deutlicher.”
Weiterlesen: Recht & Praxis: Wie geschützt ist eine Marke im Metaverse?
Das Anwaltsteam der Luxusmarke argumentierte, dass Rothschild durch die Aneignung der Marke MetaBirkins schnell an Vermögen kommen will, indem er die ‘realen’ Rechte von Hermès gegen ‘virtuelle Rechte’ austauscht.
Neuauflage des Prozesses?
Im März 2023 ging der Rechtsstreit in die zweite Runde, als Rothschild bei Gericht die Abweisung der Klage forderte. Außerdem reagierte der Künstler auf den vorab von Hermès eingereichten Antrag auf eine dauerhafte Unterlassungsverfügung mit der das Luxusunternehmen die Aushändigung aller Materialien inklusive der Website-Domain und der Social-Media-Accounts der MetaBirkins forderte.
Mit dem zweiten Antrag auf gerichtliche Entscheidung könnte es zu einem neuen Prozess kommen.
Der Rechtsstreit zwischen den beiden Parteien war der erste Prozess, in dem über die rechtlichen und kreativen Grenzen von digitalen Gütern verhandelt wurde. Die NFTs der MetaBirkin unterlagen laut Jury den Markengesetzen, da sie direkt mit der physischen Birkin in Verbindung gebracht werden können. Die Verhandlungen verdeutlichen jedoch die Notwendigkeit die Grenzen zwischen der Digitalisierung von Vermögenswerten und den Rechten von Konsumgütern zu verschärfen.
Markenstreit auch in der realen Welt
Doch die Birkin Bag von Hermès sorgte nicht nur im Metaversum für Aufsehen, sondern rollte auch in der physischen Welt das Thema der Markenrechtsverletzung neu auf.
Das Berliner Modelabel Namilia zeigte auf der Berlin Fashion Week im Juli 2023 eine umgearbeitete Birkin auf dem Laufsteg. Die Marke fertigte für ihre SS24-Kollektion ‘In Loving Memory of My Sugar Daddy’ eine Corsage aus der Luxushandtasche und sah sich im Anschluss daran mit einer Klage gegen das Markenrecht von Hermès konfrontiert.
Der Fall wurde vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt, welches den Antrag des Luxuslabels auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung ablehnte. Hermès könne seine europäischen Markenrechte in diesem Fall nicht geltend machen, so das Gerichtsurteil. Das Landgericht hat sich in der Erklärung auf das Recht der Künstlerischen Freiheit berufen. Ein entscheidender Faktor war, dass die Marke Hermès durch die Fashionshow von Namilia nicht verunglimpft oder herabgesetzt wurde.
Janina Wortmann, Rechtsanwältin und Assoziierte Partnerin im Münchener Büro der Kanzlei Noerr für FashionUnited.
Quelle: Streit um Hermès-Taschen auf Fashionshow: Kunstfreiheit trumpft Markenrecht
Streit setzt sich 2024 fort
Die Streitigkeiten bezüglich der Birkin setzen sich in diesem Jahr in einer anderen Dimension fort: Nun sieht sich Hermès in Kalifornien mit einer Klage durch potenzielle Kund:innen konfrontiert.
In einer Sammelklage beschuldigen sie das Modehaus, dass sie keinen Zugang zu der exklusiven Handtasche bekommen, wenn sie vorher nicht hohe Geldsummen für andere Luxusprodukte der Marke ausgeben.
Die Birkin Bags werden nicht in den Geschäften ausgestellt und können nicht online bestellt werden, sodass sich die Kund:innen die Kaufmöglichkeit ‘verdienen’ müssen. Diese Praxis verstoße laut Anklage gegen das Kartellrecht, da sie die tatsächlichen Kosten des Produkts künstlich erhöht.