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Warum Verbraucher bei Bekleidung weniger auf Nachhaltigkeit achten als bei Lebensmitteln, Kosmetik

Von Simone Preuss

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Mode |KOMMENTAR

Derzeit reden nicht wenige davon, dass die Coronavirus-Pandemie die Nachhaltigkeitsbemühungen in der Modebranche angekurbelt hat und tatsächlich finden sich Marken und Einzelhändler in Kooperationen zusammen, schließen sich staatlichen Textilsiegeln wie dem Grünen Knopf an oder zweigen einen Teil ihres Budgets für eigene Nachhaltigkeitsinitiativen ab. Wie sieht es aber bei den Verbrauchern aus? Hat die Pandemie sie tatsächlich nachhaltiger werden lassen oder gilt dies eher für Lebensmittel und Kosmetik statt für Bekleidung?

Wenn man sich die Schlangen vor Fast Fashion-Geschäften nach der Wiedereröffnung ansieht, könnte man denken dass Nachhaltigkeitsbemühungen auf Verbraucherseite im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlich sind: Was unter die Haut geht (wie Kosmetik) oder gar in den eigenen Körper (wie Nahrungsmittel) rein soll, muss nachhaltig und gut sein; bei unserer zweiten Haut (Kleidung) sind wir da weniger wählerisch und lassen uns zu oft vom Preis oder von der Bequemlichkeit lenken. FashionUnited hat ein paar Stimmen zusammengestellt, die Erklärungen bieten.

Nachhaltige Lebensmittel ja, nachhaltige Kleidung vielleicht

Lisa Ahrens, Co-Gründerin und Geschäftsführerin des Online-Leasing-Services für nachhaltige Premium-Mode Unown, erinnert sich daran, wie ihr Weg zu nachhaltiger Bekleidung über bewusstere und bessere Lebensmittel führte: „Das fing bei Lebensmitteln an; wir wollten nachhaltiger werden und weniger Müll im Alltag produzieren. Das wollten wir auch auf andere Bereiche ausweiten, aber bei der Mode schaltete bei uns selbst auch ständig der Verstand und der Nachhaltigkeitsfilter aus. Man würde gerne, macht es aber nicht.“

Foto: Kleid von Black Velvet Circus / Unown

Wir würden gerne, machen es aber nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Auswirkungen ungesunder Kleidung auf unseren Körper nicht so direkt erfahrbar sind wie bei Lebensmitteln zum Beispiel: Nahrungsmittel mit geringem Nährwert oder solche, die unserem Körper wenig Energie zuführen oder gar verdorbene Lebensmittel machen sich sofort bemerkbar. Also sind wir vorsichtig, was wir in unseren Körper hineinlassen.

Auch bei Kosmetikprodukten schlägt er Alarm: Wir bekommen Pickel, Ausschlag oder Juckreiz von Pflege- oder Schönheitsprodukten, die uns nicht passen. Oft sind dies solche mit vielen synthetischen oder tierischen Zusatzstoffen. Hier ist der Trend zu natürlicher Hauptpflege und nachhaltigen Kosmetikprodukten, die auch mehr kosten dürfen, spürbar. Der Covid-19-Ausbruch hat diesen Trend verstärkt; wie Olivia Janus vom Bochumer Beauty-Tech Startup Beautyself glaubt, sogar zu mehr als einem Trend gemacht und zu einem Wandel des Konsumverhaltens geführt.

Covid-19 fördert nachhaltigen Ansatz zu Kosmetik

„Zu Beginn des Ausbruchs haben wir Dank des sehr engen Kontakts zu unserer Community und mit Hilfe der Analyse der Suchanfragen, über welche unsere User auf Beautyself.de gekommen sind, ein verändertes Verhalten und Themeninteresse bemerkt, das sich immer weiter verstärkte. Es hat sich schnell herausgestellt, dass es sich hierbei nicht um ein kurzweiliges gesteigertes Interesse handelt, sondern um eine grundlegende Änderung der Einstellung und des Kaufverhaltens. Covid-19 hat jeden Konsumenten dazu veranlasst, mehr über seine eigene Gesundheit, die Umwelt sowie das eigene Konsumverhalten nachzudenken“, so die Beautyself-Gründerin.

Dies erklärt, warum der jüngst eingeführte Clean Beauty Shop des Unternehmens, der bei seinem Angebot auf die höchsten Standards hinsichtlich von Inhaltsstoffen, Produktion und Nachhaltigkeit setzt, sich auch während der Krise so großer Beliebtheit erfreut. Er definiert nämlich den Begriff „clean“, der in Deutschland in Bezug auf Kosmetik oft eine Herausforderung darstellt, denn bisher gibt es keine offiziell festgelegten Richtlinien.

„Im Wesentlichen steht in der Beautywelt „clean“ für „frei von“. Das kann sich jedoch auf vieles beziehen: frei von schädlichen Inhaltsstoffen, die die Haut reizen, die Haare austrocknen, schlecht für die Umwelt sind oder die nachweisbar gesundheitsschädigend sein können. Ob Hersteller von Produkten sich bei der Angabe dabei jedoch auf nur einen Inhaltsstoff beziehen oder aber auf alle, ist nicht eindeutig geregelt“, weiß Beautyself aus eigener Erfahrung zu berichten.

Kleidung macht Verbraucher krank, aber sie merken es nicht

Dies ist in der Bekleidungsbranche durchaus ähnlich: Kleidung kann gesundheitsgefährdend oder krebserregend sein und müsste eigentlich mit entsprechenden Warnhinweisen kommen, tut sie aber nicht. „Die Kosten der globalen Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung stehen leider nicht auf dem Preisschild am Produkt“, findet auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die die Modebranche notfalls gesetzlich zu mehr Nachhaltigkeit zwingen will.

Nur sehr selten werden Kleidungsstücke oder Schuhe aus entsprechenden Gründen vom Markt genommen. Verbraucher bringen Juckreiz, Kopfschmerzen oder andere unangenehme Nebenwirkungen giftiger Kleidung nicht mit den Artikeln in Verbindung, die sie wie eine zweite Haut tragen. Bis jetzt zumindest, denn in der Beautybranche vollzieht sich gerade ein Wandel, der auch auf die Modebranche abfärben könnte.

Foto: Lance Lee, Greenpeace Detox Campaign

Wird Covid-19 die Beautybranche nachhaltig beeinflussen?

Beautyself sieht während der Corona-Krise nicht nur einen Trend zu mehr Nachhaltigkeit, sondern einen neuen, holistischen Ansatz: „Covid-19 wirkt sich auf die Art und Weise aus, wie Verbraucher an Schönheits- und Körperpflegeprodukte herangehen, insbesondere weil sie zunehmend die Sicherheit der Inhaltsstoffe, ihre Herkunft und ihre „Sauberkeit“ berücksichtigen wollen“, erklärt Janus.

„Schnell haben wir gemerkt, dass es sich um eine grundlegende Änderung der Einstellung und des Kaufverhaltens handelt. Covid-19 hat jeden einzelnen dazu veranlasst, über die eigene Gesundheit und das eigene (Konsum-)Verhalten nachzudenken. Denn was plötzlich deutlicher wurde wie nie zuvor: Health is the new wealth! Und dabei wird Gesundheit holistisch betrachtet. Was als Trend zu natürlichen Inhaltsstoffen begann, hat sich zu einer Bewegung entwickelt, die Elemente wie Sicherheit, Transparenz, Produktionsbedingungen und eine Reihe anderer Elemente, die in das Endprodukt einfließen, einbezieht“, fügt Janus hinzu.

Warum zögern Verbraucher bei der Anwendung von Nachhaltigkeit auf Bekleidung?

Warum geht dies in Bezug auf Mode nicht so reibungslos? Linda Ahrens von Unown hat eine Erklärung: „Wir dachten uns: Warum übertragen wir unseren bewussten Konsum nicht auf Fashion? Wir haben mit anderen geredet und Fokusgruppen gebildet und dabei festgestellt, das es anderen so geht wie uns: Sie wollen Nachhaltigkeit in vielen Bereichen, stellen aber fest, dass es in der Mode nicht so richtig klappt. Für viele Leute ist es schwer, die richtigen Marken zu finden. Nischenmarken wie Kowtow aus Neuseeland zum Beispiel sind relativ schwierig zu beziehen. Viele Leute wissen daher nicht, wo sie anfangen sollen oder müssen sich auf Websites mit einem nachhaltigen Angebot erst einmal zurechtfinden“, sagt sie.

Der vermeintliche Vorteil der Mode - das Überangebot - entwickelt sich hier also zum Nachteil für Verbraucher: zu viel, zu unübersichtlich für Verbraucher, zu wenig geregelt. Etiketten helfen hier auch nicht viel und Verbraucher fühlen sich überwältigt und allein gelassen.

Gesetzliche Regelungen können helfen

Zumindest in Deutschland tut sich gesetzlich etwas: Das Bundesumweltministerium plant derzeit eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, mit der eine sogenannte Obhutspflicht für Produkte eingeführt werden soll. Händler sollen so verpflichtet werden, Waren so lange wie möglich gebrauchstauglich zu halten. Damit soll der Anreiz erhöht werden, weniger Überschuss zu produzieren.

„Zum einen gilt es, für Hersteller und Handel Anreize zu setzen, damit diese sich stärker an Nachhaltigkeit orientieren. Notfalls auch mit gesetzlichen Regeln. Zum anderen gilt es, Konsumentinnen und Konsumenten zu bewegen, mehr Wert auf qualitativ hochwertige und langlebige Bekleidung zu legen“, so die Umweltministerin.

Fazit: Freiwillige Ansätze zu mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche, wie etliche Marken und Einzelhändler sie bereits verfolgen, sind gut und richtig, aber um flächendeckende (sprich: branchenweite) Auswirkungen zu erzielen, die auch die Lieferketten miteinbezieht, bedarf es gesetzlicher Regelungen weltweit. Diese sollten dazu führen, dass Nachhaltigkeit zum Standard wird, dass Verbraucher also gar keine andere Wahl haben, als sich für ein nachhaltiges, fair gehandeltes und fair hergestelltes Kleidungsstück zu entscheiden. Denn was Kleidung angeht, haben wir bis jetzt noch Elefantenhaut, die so leicht nichts durchdringt.

Foto: Samuel Boivin / NurPhoto / NurPhoto via AFP

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