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Wie nachhaltig ist Primark wirklich?

Von Simone Preuss

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Mode |HINTERGRUND

T-Shirts für 4 Euro, Sweatshirts ab 12 Euro, Jacken für 25 Euro und Leggings für 10 Euro - bei kaum einem anderen Modekonzern bekommt man soviel nagelneue Bekleidung für so wenig Geld wie beim Textildiscounter Primark. Die Verbraucher freut's, wollen sie doch nach wie vor bei der Mode sparen, wie eine jüngste Umfrage ergab. Andere empören sich, vermuten sie doch Ausbeutung der Arbeiter und andere unethische Praktiken bei der Herstellung. Wohl kaum eine Bekleidungskette spaltet die Gemüter so wie der irische Discounter, dessen Schweigen über seine Nachhaltigkeitsbemühungen der letzten Jahre nicht gerade geholfen hat. FashionUnited hat untersucht, wie nachhaltig Primark wirklich ist.

„Amazing fashion, amazing prices“ ist die Tagline des Unternehmens. Die großartigen Preise erklärt Primark durch eine Reihe von Faktoren: Zum einen die Tatsache, dass das Unternehmen keine Werbung macht und dementsprechend kein Geld in teure Werbungkampagnen stecken muss. Auch Kollaborationen oder Werbung mit Prominenten, wie es selbst bei Lebensmittel-Discountern wie Aldi, Lidl & Co., die den Modemarkt erobern, inzwischen gang und gäbe ist, ist bei Primark tabu. „Prominente können wir uns nicht leisten“, äußerte sich Primarks Deutschland-Chef Wolfgang Krogmann noch Ende des letzten Jahres.

Günstige Preise durch Mengen und ein Minimum an Extras

Ein weiterer Faktor ist, dass Primark als großer Modekonzern entsprechende Mengen in Auftrag geben und abnehmen und so entsprechend niedrige Preise bieten kann. Zudem verzichtet das Unternehmen auf unnötige Ausgaben und setzt auf das Notwendigste - also gibt es keine teuren Bügel, Anhänger oder Etiketten, um die Preise niedrig zu halten. Auch beim Transport wird auf Effizienz und die kürzesten Wege gesetzt, um Einsparungen in der Lieferkette zu gewährleisten.

Primark investiert dementsprechend nicht in eigene Fabriken, setzt aber auf regelmäßige Audits der von ihm ausgewählten Zulieferer. „Wir handeln verantwortungsvoll, von der Beschaffung bis in die Filialen“, brüstet sich das Unternehmen und stellt dies auf seiner Website - die übrigens immer noch keine E-Commerce-Site ist - heraus. Denn es fällt auf, dass die Rubrik „Unsere Ethik“ ganz oben steht, gleich neben „Style News“, „Produkte“, „Primania“ und „Filialen“ und nicht etwa am Rand der Seite versteckt ist, wie bei anderen Marken und Einzelhändlern. Klickt man auf diese Rubrik, kommt man zu einem Überblick von Primarks Bemühungen in den Bereichen Menschen und Produktion, Planet, Standards und Partner.

Audits der Hersteller sind bei Primark A und O

Besonders der Bereich „Menschen & Produktion“ ist aufschlussreich, enthält er doch neben zahlreichen Fotos Informationen zu international anerkannten Standards, der Durchführung von Audits, der Zusammenarbeit mit dem Fabrikmanagement und der Durchführung von Bildungsprogrammen. Sogar einen virtuellen 360-Grad-Rundgang durch eine Fabrik in der Nähe von Dhaka, Bangladesch gibt es, in dem die einzelnen Arbeitsschritte und Sicherheitsvorkehrungen in der Fabrik erklärt werden.

„Jede Fabrik, die Produkte für Primark fertigt, muss sich vor der Erteilung eines Auftrags an sie zur Einhaltung international anerkannter Standards verpflichten. Wir besitzen keine eigenen Fabriken; und die Zulieferer und Fabriken, mit denen wir zusammenarbeiten, werden streng ausgewählt. Wenn sie einmal in unsere Liste der genehmigten Fabriken aufgenommen worden sind, ist unser Team für ethischen Handel und ökologische Nachhaltigkeit, eine Gruppe von über 90 Experten in unseren Hauptbeschaffungsländern, für die Kontrolle der Einhaltung dieser Standards durch die Fabriken zuständig. Jede Fabrik wird mindestens einmal im Jahr (in manchen Fällen auch häufiger) von den Experten besucht, um zu prüfen, ob die internationalen Standards effektiv eingehalten werden“, heißt es auf Primarks Webseite.

Wer sich jetzt fragt, wie die genannten international anerkannten Standards aussehen, muss nicht lange suchen, den Primark veröffentlich auf seiner Webseite auch den hauseigenen Verhaltenskodex, der auf dem Grundkodex der Ethical Trading Initiative (ETI) basiert, der seinerseits auf den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beruht. „Der Primark-Verhaltenskodex besteht aus einer Reihe strenger Anforderungen, die einen wesentlichen Bestandteil der Geschäftsbedingungen der Verträge mit unseren Lieferanten bilden“, heißt es.

Zudem arbeitet Primark als Partner mit Dutzenden globalen Organisationen und Experten vor Ort wie dem Bangladesch Abkommen, der Ethical Trading Initiative, Partnership for Sustainable Textiles, Cotton Connect, Solidaridad, Sustainable Apparel Coalition, ZDHC und anderen zusammen, um sich zu beraten und Veränderungen zu bewirken.

Kurbelt Primark den Überkonsum an?

Soweit, so gut. Bleibt aber der Vorwurf, dass Primark mit seinen extrem günstigen Artikeln die Verbraucher zum Überkonsum einlädt - statt also ein T-Shirt für 8 Euro zu kaufen, kann man sich bei Primark zwei leisten. „Man kann nirgendwo anders so viele Klamotten für so wenig Geld kaufen“, erklärt Greenpeace-Textilexpertin Kirsten Brodde. „Die Kleidung von Primark müsste gesellschaftlich genauso geächtet sein wie Käfigeier“, findet sie, da Bekleidung zum Wegwerfprodukt werde und das Unternehmen für einen immensen Ressourcenverschleiß stehe.

Dagegen wehrt sich Krogmann. „Sie sind gemacht, um lange zu halten“, sagt er von Primarks Produkten. „Ich habe persönlich auch keinen Sinn für Wegwerfmentalität. Ich kann nicht verstehen, dass man einfach Dinge wegschmeißt. Ich bin anders groß geworden“, erklärt er.

Und das scheint Primark auch durch sein Handeln zu beweisen, hat der Discounter doch stillschweigend verschiedene Anstrengungen unternommen, wie eine exklusive Fallstudie von FashionUnited zeigte, und wird damit in einigen Bereichen zum Vorreiter der Branche. Was Primark allerdings von anderen Marken und Einzelhändlern unterscheidet, ist, dass der Konzern bis jetzt wenig Werbung für seine Nachhaltigkeitsbemühungen gemacht hat.

Primark: Taten statt Worte

„Vorher, als wir nichts sagten, glaubten die Leute, dass wir überhaupt nicht nachhaltig seien, dass wir nur versuchen würden, uns durch die Kommunikation damit abzufinden“, erklärte Katharine Stewart, Primarks Direktorin für ethischen Handel, Umwelt und Nachhaltigkeit. „Es ist nichts Neues, die Geschäfte laufen wie üblich und wir haben es schon lange so gemacht. Aber jetzt fragen uns unsere Kunden danach, also reden wir auch mehr darüber ... vor allem jetzt, wo unsere Kunden älter werden, wollen sie mehr wissen.“

Tatsächlich gehörte das Unternehmen zu den ersten Einzelhändlern, die das Abkommen zu Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch unterzeichneten, das von IndustriALL und UNI Global Union ins Leben gerufen wurde. Zudem hat das Unternehmen ein Programm zur strukturellen Überprüfung von Gebäuden in Bangladesch eingeführt, um die Standsicherheit der Fabriken beurteilen zu können, von denen es herstellen lässt.

Der Einzelhändler hat sich auch verpflichtet, sowohl kurz-als auch langfristig finanzielle Entschädigung für die Betroffenen des Rana Plaza-Einsturzes zu leisten und hat konkret bis jetzt insgesamt 14 Millionen US-Dollar gezahlt - 11 Millionen davon an die bei seinem Lieferanten New Waves Bottom beschäftigten Arbeitnehmer und ihre Familien. Zudem startete Primark das „Pashe Achi-Projekt“, um sicherzustellen, dass die Entschädigungsempfänger Zugang zu ihrem finanziellen Ausgleich erhalten und sich über ihre Rechte im Klaren sind.

Aber Primark ist nicht nur in Bangladesch für Arbeiter aktiv: Derzeit beschäftigt der Textildiscounter als Teil seines Ethical Trade Teams über 90 Fachleute, die sich um Nachhaltigkeit, ethische Mode und Schulungen der Arbeiter kümmern. Diese Teams in neun wichtigen Beschaffungsstandorten wie China, Indien, Bangladesch und der Türkei, fungieren als „die Augen und Ohren des Einzelhändlers vor Ort“, so Stewart.

Seit Jahren ist Primark auch in dem Förderprogramm für nachhaltige Baumwollle aktiv, das erst jüngst ausgebaut wurde, durch das Primark mit CottonConnect und der Selbstständigen Frauenvereinigung (SEWA) zusammenarbeitet, um über 11.000 Baumwollbäuerinnen in Indien zu unterstützen. Der irische Discounter scheint aus seinen Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben und hat angefangen, seine Nachhaltigkeitsbemühungen publik zu machen.

Fazit? Primark hat in den letzten Jahren einige Anstrengungen in Punkto Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung unternommen, die ihn von anderen Bekleidungsunternehmen abheben. Ob dies genug ist, um den Discounter durch den Kauf seiner Produkte zu unterstützen, muss jeder Verbraucher selbst entscheiden. Sie sind sicher gut damit bedient, sich genauestens über die Marken und Einzelhändler zu informieren, deren Kleidung sie kaufen. Und angesichts einer Fülle verfügbarer Informationen wie etwa in den sozialen Medien, ist dies nicht mehr so schwierig wie es einst war.

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Fotos: Primark Facebook, Primark-Website

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