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Wie Lebensmittel-Discounter den Modemarkt erobern

Von Simone Preuss

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Mode

Designer-Mode bei Aldi oder Lidl? Noch vor ein paar Jahren hätte der bloße Gedanke daran bei so manchem Kunden ein ungläubiges Kopfschütteln oder gar Hohngelächter hervorgerufen. Inzwischen gibt es Jette Joop bei Aldi und Heidi Klum bei Lidl. Und die Kunden stehen Schlange. Was ist passiert? Wann war der Wendepunkt? FashionUnited hat die Entwicklungen der beiden Lebensmittelketten nachgezeichnet.

Vor exakt zehn Jahren fing das Umdenken bei den Lebensmittel-Discountern an, denn 2007 stellten sie im Jahresrückblick für 2006 zum ersten Mal massive Umsatzrückgänge im Geschäft mit Textilien fest. Wie das Branchenmagazin Textilwirtschaft meldete, hatten Aldi und Lidl im Textilsegment Umsatzrückgänge um gut 4 Prozent hinnehmen müssen, und „auch bei Netto, Penny und Plus lief das Textilgeschäft nicht so gut wie in den Vorjahren“. Eine Accenture-Studie in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigte im Juni 2008, dass Discounter nicht zukunftsfähig seien. „Discounter wie Aldi, Lidl oder Penny haben kaum noch neue Kunden und müssen sich künftig auf rückläufige Geschäfte einstellen“, hieß es. Da schien guter Rat teuer.

Aldi, Lidl & Co. müssen kreativ werden

Lidl versuchte im April 2010, mit fairen Arbeitsbedingungen bei seinen Textilzulieferern in Bangladesch zu werben, immerhin genau drei Jahre vor Rana Plaza und gut zwei Jahre vor den Fabrikbränden in Pakistan und Bangladesch. Keine schlechte Idee, aber die Hamburger Verbraucherzentrale, die Kampagne für Saubere Kleidung und der ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) durchschauten Lidls PR-Stunt: „Überlange Arbeitszeiten, Lohnabzüge als Strafmaßnahmen, mangelnde und intransparente Vergütung von Überstunden, Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit und Diskriminierung von weiblichen Beschäftigten,“ monierten sie und verklagten Lidl vor dem Landgericht Heilbronn wegen „unlauteren Wettbewerbs“, so dass der Discounter seine Kampagne stoppen musste.

Die Kampagne für Saubere Kleidung prangerte im Januar 2012 erneut Discounter an. Man konfrontiere Aldi, Lidl und KiK nun bereits seit fünf Jahren mit massiven Arbeitsrechtsverletzungen bei der Textilproduktion in ihren Zulieferfabriken in Bangladesch, China, Indien und anderen Billiglohnländern, bemerke jedoch keine signifikanten Änderungen zum Besseren. Und tatsächlich, dann passierte der Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes im April 2013, der diese Anschuldigungen bestätigte, schließlich wurde wie beim Brand bei Tazreen Fashions Kik-Bekleidung am Unglücksort gefunden.

Bald wurde das Gebäude- und Brandschutzabkommen für Bangladesch (Accord) ins Leben gerufen und von mehr und mehr internationalen Auftraggebern aus Europa unterzeichnet, darunter auch Aldi, Lidl, Rewe und Tchibo. FashionUnited untersuchte im Juni 2013, ob Auftraggeber den Preis von Billigprodukten zahlen.

Lebensmittel-Discounter erweitern ihr Produktangebot, setzen auf Mode

Die Produkterweiterung der Discounter begann im Jahr 2014: Während Aldi es mit günstigen Schuluniformen auf dem britischen Markt versuchte, bot Lidl nach Trachtenmoden auf dem deutschen Markt in Großbritannien Kilts an. Für knapp 30 Pfund. Im August brachte Lidl dann seine erste Damenkollektion in die Filialen - die innerhalb von drei Tagen ausverkauft war - und legte im November mit einer Livergy-Herrenkollekton nach.

Parallel gaben sich die Discounter umweltbewusster, nachdem Greenpeace Kinderkleidung aus dem Supermarkt auf Giftstoffe untersuchte und Textilsiegel prüfte: Tchibo kündigte im November 2014 an, seine Produktpalette komplett entgiften zu wollen, während Lidl im Dezember nachzog und sich verpflichtete, bis zum Jahr 2020 alle umwelt- und gesundheitsgefährlichen Chemikalien aus der Textilproduktion seiner Eigenmarken zu verbannen und Textilien künftig ökologischer herstellen zu lassen. Auch Aldi und die Rewe Groupentschieden sich endlich zu entgiften.

Im Jahr 2016 fingen die Designer-Kooperationen der Discounter an: Im April verkaufte Aldi Süd in seinen Filialen eine limitierte Modekollektion der Designerin Jette Joop, die wie oben erwähnt ein großer Erfolg war. Ein Modetruck, der in München, Frankfurt am Main und Düsseldorf Station machte und ausgewählten Kundinnen ein Styling durch die Designerin anbot, sorgte zusätzlich für Aufsehen. Lidl konterte im September und verkaufte zehn Tage lang an der Hamburger Luxusmeile Am Neuen Wall in einem Pop-Up-Store eine Premium-Kollektion seiner Modelinie Esmara, gefolgt von einem weiteren Pop-up-Store in Brüssel im November.

Designer-Mode bei Aldi und Lidl boomt

Im Jahr 2017 scheint für die Lebensmittel-Discounter alles prächtig zu laufen: Im Juni zog Greenpeace Zwischenbilanz und stellte fest, dass Mode aus Supermärkten sauberer wird. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch erste Meldungen, dass Heidi Klum für Lidl entwerfen werde. Ende Juni gab es dann auch auf sozialverantwortlicher Ebene gute Nachrichten: Große Modemarken und Discounter wie Aldi, Lidl und Tchibo verpflichteten sich nach Ablauf des alten zum neuen Bangladesch-Abkommen.

Mit seinem neuesten Coup scheint Lidl im Konkurrenzkampf mit Aldi die Nase vorn zu haben: Auf der New Yorker Modewoche präsentierten Lidl und Heidi Klum die neue "Esmara by Heidi Klum"-Kollektion in großem Stil, deren Verkauf am 18. September weltweit startete. Doch Aldi schläft nicht und konterte bereits: Die US-Sängerin Anastacia stellte Anfang des Monats in Köln ihre neue Modelinie für Aldi Süd vor.

Der Siegeszug der Lebensmittel-Discounter auf dem Modemarkt zeigt, dass es nicht reicht, Verbrauchern Mode anzubieten, sondern diese muss durch innovatives Marketing in Szene gesetzt werden: durch Pop-up-Stores, Foodtrucks und eigene Modenschauen. Zudem nehmen Verbraucher es nicht mehr hin, dass billige Kleidung oder Kleidung aus dem Supermarkt weniger sozial- und umweltverträglicher ist als andere. Sie fordern gute Qualität und faire Arbeitsbedingungen zusammen mit modischen (Designer-)Kreationen. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Trend zum Dauerbrenner wird.

Fotos: Aldi Süd / Lidl / Greenpeace / Lidl
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