Der Grüne Knopf kommt: Das sagen Unternehmen, Verbände und NGOs
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Am Montag wird das erste staatliche Textilsiegel der Welt in Berlin vorgestellt: Der Grüne Knopf, der bescheinigt, dass Bekleidung und Textilien sozial und ökologisch nachhaltig hergestellt wurden. Anfängliche Zweifler hat der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller zum Mitmachen bewegt, aber viel Kritik und offene Fragen bleiben.
Bereits jetzt sind die mit dem Grünen Knopf zertifizierten Jacken beim Bergsportausrüster Vaude im Onlineshop zu kaufen und auch Bettwäsche bei Tchibo trägt das Siegel. Nach und nach werden die Produkte, die den Grünen Knopf auf ihren Etiketten tragen, auch in die Läden kommen.
Signal für Verbraucher
Angesichts der vielen nachhaltigen Zertifizierungen, die es bereits gibt, stand Tchibo dem Siegel anfangs kritisch gegenüber. Aber jetzt hofft der Hamburger Einzelhändler darauf, dass ein staatliches Abzeichen Orientierung in den Dickicht der Siegel bringen kann, das Verbraucher und Medien oft verwirrt.
"Wir wollen die Masse erreichen, nur so kann sich die ganze Textilindustrie verändern”, sagte Sandra Coy, Sprecherin für Nachhaltigkeit bei Tchibo. “Dazu müssen wir die Kommunikation einfacher machen, hier kann der Grüne Knopf helfen."
Die Hoffnung ist, dass der Grüne Knopf als staatliches Kennzeichen Kunden das Erkennen von nachhaltigen Textilprodukten erleichtert und damit ihren Kauf. Auch wenn Verbraucher behaupten, Wert auf ethisch produzierte Kleidung zu legen, spiegelt ihr tatsächliches Kaufverhalten das oft nicht wider, wie eine Untersuchung des Deutschen Modeinstituts zeigte. Wenn also viele Unternehmen mitmachen und das öffentlichkeitswirksam, könnte sich hier etwas tun. "Wir sollten gemeinsam alles tun, um das Thema Nachhaltigkeit in das Bewusstsein der Verbraucher zu bringen”, sagte Coy.
Um den Grünen Knopf zu bekommen, müssen Textilprodukte nicht nur 26 nachhaltige Produktstandards zu Umwelt- und Arbeitsbedingungen erfüllen. Eine Besonderheit liegt darin, dass die teilnehmenden Unternehmen selbst auch 20 Kriterien in ihrer Lieferkette erfüllen müssen. Um den Grünen Knopf für ein Kissen oder ein Kleidungsstück zu bekommen, reicht es also nicht, wenn Unternehmen bloß eine Produktreihe nachhaltig zertifizieren lassen ohne selbst als Organisation Mindeststandards zu erfüllen. Es ist hier also etwas schwieriger, sich einen grünen Anstrich mit einigen nachhaltigen Artikeln zu geben. Aber es ist weiterhin möglich, dass nur ein Teil der Textilprodukte eines Unternehmens, den grünen Knopf trägt.
Um die 50 Textilhersteller und -händler machen in der Einführungsphase beim Grünen Knopf mit, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller im August der Neuen Osnabrücker Zeitung. Bei diesen Unternehmen, die Start-ups bis Premiumhersteller umfassen, variiert anfangs der Anteil des Sortiments, das den Grünen Knopf auf seinen Etiketten trägt. Am Ende musste alles eben ganz schnell gehen.
Kosten noch unkklar
Bei dem grünen Pionier und Bergsportausrüster Vaude tragen 98 Prozent der Bekleidung aus der aktuellen Herbst/Winter Kollektion das neue staatliche Siegel und der Großteil der Rucksäcke, Taschen, Schlafsäcke und Zelte, teilte das familiengeführte Unternehmen mit. Der hohe Anteil liegt in der Vorarbeit von Vaude begründet, der Hersteller hat sich früh um umweltschonende und faire Herstellung bemüht und besitzt sogar ein eigenes Bewertungssystem mit dem Label Green Shape.
Bei Tchibo tragen bis jetzt Baby-Produkte und Bettwäsche den Grünen Knopf; es sind die Baumwollartikel, die mit dem Global Organic Textile Standard zertifiziert sind, und rund zehn Prozent des Textilsortiments umfassen. Langfristig will das Unternehmen den Grünen Knopf für alle nachhaltigen Textilprodukte beantragen.
Rund zwei Wochen dauerte es bei Tchibo bis es als Unternehmen zertifiziert wurde. Dafür kamen externe Prüfer in die Unternehmenszentrale in Hamburg und schauten auch in die Produktionsstätten. Geprüft wird hier beispielsweise, ob ein Unternehmen Risiken in seiner Lieferkette überwacht und Maßnahmen dagegen ergreift, jährlich über Sorgfaltspflichten berichtet und wie mit Beschwerden bei Produzenten umgegangen wird. Das geht aus der Satzung des Grünen Knopfes im Register des Deutschen Patentamtes hervor, wo das Siegel als Marke im Juli angemeldet wurde. Die Kosten für diese Prüfungen trug am Anfang noch das Ministerium. Wie hoch diese für Textilunternehmen in Zukunft ausfallen ist noch nicht bekannt, aber sie werden mit darüber entscheiden, in welcher Breite der Grüne Knopf angenommen wird.
Der Grüne Knopf setzt keine ambitionierten Standards
Knapp fünf Jahre nach der ersten Erwähnung und Verzögerungen zuletzt im Juli, soll der Grüne Knopf schließlich mit seinen Mitstreitern kommende Woche vorgestellt werden. Sechs Jahre sind auch seit dem Fabrikeinsturz von Rana Plaza in Bangladesch vergangen, das die Arbeitsbedingungen von Textilarbeitern und Näherinnen weltweit in den Fokus gerückt hat. Die Frage ist nun, ob das Siegel mehr als eine Marketingmaßnahme für nachhaltige Kleidung und Textilien ist und langfristig helfen kann, Produktionsbedingungen zu verbessern. Greenpeace sieht das ambitioniert gestartete Projekt als vertane Chance, während der Verband Textil+Mode sich weiter gegen das Projekt positioniert.
“Die Grundidee von Minister Müller ist lobenswert, aber er scheitert an der Umsetzung und vergibt hiermit die historische Chance ein gesetzlich verbindliches Siegel für die Textilindustrie einzuführen wie es für die Lebensmittelindustrie schon lange gängig ist”, sagte Viola Wohlgemuth, Kampaignerin Konsum bei Greenpeace telefonisch. Der Grüne Knopf umfasst nur einen Teil der Lieferkette, kritisiert die Umweltorganisation.
In der Einführungsphase bis Ende Juni 2021 schaut der Grüne Knopf bei der Prüfung seiner Kriterien in den Unternehmen nur auf die Produktionsschritte Zuschneiden und Nähen wie Bleichen und Färben, erläutert ein Dokument auf der Webseite des Entwicklungsministeriums. Die Herstellungsprozesse davor und danach, wie beispielsweise die Verarbeitung von Rohfasern zu Stoffen, sollen aber später hinzukommen. Hier versucht das staatliche Siegel keine neuen Maßstäbe zu setzen, sondern hinkt auch hinter bereits bestehenden Labeln hinterher, die die gesamte Lieferkette abdecken.
“Ein ernstgemeintes Textilsiegel eines Ministeriums müsste die bereits bestehende Best Practice am Markt nicht nur selber erfüllen, sondern darüber hinausgehen und ambitionierte Standards für die ganze Branche gesetzlich festlegen”, sagte Wohlgemuth.
Mindestlohn statt Existenzlohn
Auch der Textilverband bleibt skeptisch, wenn auch aus anderen Gründen. Die deutsche Industrie produziere bereits nach weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards, sagte Maria Rost, Nachhaltigkeitsexpertin beim Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie. “Wir haben bereits zahlreiche Qualitätssiegel, die auch international anerkannt sind. Ein zusätzliches nationales Siegel macht deshalb keinen Sinn. Das Konzept bleibt unausgegoren.”
Der Grüne Knopf stützt sich bei seinen Produktkriterien auch auf einige anerkannte Labels, die soziale und umweltverträgliche Herstellung bescheinigen. Ist ein Unternehmen zertifiziert, bekommen seine Produkte mit den entsprechenden Siegeln den Grünen Knopf. Deswegen wird das neue staatliche Siegel von der Branche auch gerne als ‘Meta-Siegel’ bezeichnet. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat bis Freitag keine Auskunft darüber erteilt, über welche Label die Produktstandards nachgewiesen werden können. Aber einer dieser Siegel ist der Global Organic Textile Standard und das Unternehmen ist nicht zufrieden, obwohl es von Anfang an bei den Konsultationen des Bundesministeriums mitgewirkt hat.
“Ich finde es intransparent und unkorrekt, wenn bei einem 'Meta-Siegel', das sich auf andere Siegel stützt, nicht unmittelbar am Produkt und in der Werbung dafür für die Verbraucher sichtbar ist, auf welches dieser anderen Siegel sich der Grüne Knopf bei dem jeweiligen Produkt konkret bezieht”, sagte Herbert Ladwig, ehemaliger Geschäftsführer von GOTS und derzeit Berater für politische Angelegenheiten. Er habe sich seit Anbeginn der Konsultationen für eine Regelung eingesetzt, dass zugrundeliegende Siegel stets im optischen Zusammenhang mit dem Grünen Knopf abgebildet werden. Das sei zugesagt worden, aber jetzt sprächen die verfügbaren Hinweise dagegen, erzählt Ladwig.
Selbst wenn das neue, staatliche Siegel sich auf GOTS und andere Zertifizierungen stützt, sind die Befürchtungen auf der anderen Seite auch verständlich, dass die jahrelange Arbeit an Prüfverfahren nun von dem Grünen Knopf überschattet werden. Es bleiben also viele Details, an denen sich die Textilbranche und auch Nichtregierungsorganisationen stoßen.
Die Kampagne für Saubere Kleidung kritisiert beispielsweise, dass existenzsichernde Löhne nur in einer späteren Phase des Grünen Knopfes angestrebt werden. Die NGO weist regelmäßig darauf hin, dass gesetzliche Mindestbezahlung für Textilarbeiter in vielen Herstellungsländern nicht ausreicht und die meisten Modekonzerne nicht nachweisen können, dass sie Existenzlöhne zahlen. Außerdem bemängelt die NGO, dass das Entwicklungsministerium als Instanz hinter dem Grünen Knopf nicht genug Verantwortung für die Kontrolle von zertifizierten Unternehmen übernimmt. Letztendlich reiche der Grüne Knopf als freiwilliges Siegel nicht aus, sagte Artemisia Ljarja, Koordinatorin bei der Kampagne für Saubere Kleidung. “Wir befürworten weiterhin ein Gesetz, das Unternehmen zu mehr Verantwortung in ihrer Lieferkette verpflichtet.”
Bild: Grüner Kopf | Patentantrag