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Ein 10 Millionen-Euro-EU-Projekt will die Hürden zur Kreislaufwirtschaft beseitigen

Von Anna Roos van Wijngaarden

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Business|Hintergrund
Das Sortieren ist ein wichtiger Schritt bei den Piloten von Cisutac. Bild: ETP

Das neue Konsortium Cisutac will die Hindernisse europäischer Modeunternehmen und Textillieferanten auf ihrem Weg zur Kreislaufwirtschaft beseitigen. Das von der Europäischen Union mitfinanzierte und von 27 Partnern unterstützte Projekt will die Kapazitäten für Wiederverwendung, Reparatur und Recycling von Alttextilien mit erschwinglichen Mitteln und Methoden erhöhen.

„Die europäische Textilindustrie arbeitet bereits an einer nachhaltigeren Mode", sagt Kommunikationskoordinatorin Charlotte Denis, „aber es gibt noch einige Hindernisse, die die Industrie daran hindern, Textilien zirkulärer zu nutzen."

Qualität, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit haben in der Bekleidungsproduktion oft keine Priorität, obwohl die Branche alle drei Elemente braucht, um die Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen. Das Ziel der vierjährigen Cisutac-Initiative, kurz für Circular and Sustainable Textile and Clothing, ist es, die derzeitigen Engpässe zu beseitigen und neue, zirkuläre und integrierte europäische Wertschöpfungsketten in großem Umfang zu entwickeln.

Das im vergangenen September ins Leben gerufene Projekt wird von Centexbel, einem belgischen Forschungszentrum für Textilien und Kunststoffe, geleitet. Centexbel ist verantwortlich für die Gesamtkoordination des Projekts, die Entwicklung der Pilotprojekte und die Unterstützung der Lebenszyklusanalysen, einer Methode zur Messung der Umweltauswirkungen eines kommerziellen Produkts. Die Forschungsplattform Textile ETP ist für den Austausch von Informationen und Ergebnissen des Projekts zuständig.

Zu den weiteren Partnerorganisationen gehören Bekleidungskonzerne wie Decathlon, aber auch der Textilverband Euratex oder Faserhersteller Lenzing.

Erhalten, recyceln, wiederverwerten

Cisutac hat drei Pilotprojekte initiiert: Das erste zielt darauf ab, den größten Wert von vorhandenen Artikeln, insbesondere für die Wiederverwendung, zu erhalten. Beim zweiten geht es darum, Fehler bei der Sortierung von Textilien für das Recycling zu vermeiden, beispielsweise das Hinzufügen von falschen Materialien. Das letzte Pilotprojekt zielt darauf ab, den manuellen Arbeitsaufwand und das erforderliche Fachwissen des Personals beim Sortieren, Zerlegen und Reparieren zu verringern. Der Anwendungsbereich der Pilotprojekte ist breit gefächert und umfasst fast 90 Prozent aller Textilfasern, einschließlich Polyester und Baumwolle, sowie die drei Bereiche Fashion, Sport und Outdoor sowie Berufsbekleidung.

Das Recycling in der Textilindustrie steht noch vor vielen Herausforderungen, bevor es in größerem Umfang eingesetzt werden kann. Die Gründe für die derzeitigen Schwierigkeiten sind vielfältig, unter anderem sind die schlechtere Faserqualität zu nennen und die Notwendigkeit, recycelte Bestandteile mit neuen Fasern zu mischen. Die meisten Kleidungsstücke bestehen aus einer Mischung verschiedener Fasern und sind mit den derzeitigen Technologien nur schwer zu trennen. Es fehlt an Sortierkapazitäten, außerdem an Investitionen in Forschung und Maschinen.

Erste Ergebnisse Ende 2023

Erste Ergebnisse für die Pilotprojekte werden für Ende 2023 erwartet, danach sollen sie in Prototypen in grösserem Massstab umgesetzt werden. Es ist nicht zu erwarten, dass die Entwicklungen innerhalb der nächsten zwei Jahre von der Industrie übernommen werden. Die neuen Technologien und bewährten Verfahren, die aus Cisutac hervorgehen, sollen der europäischen Textilindustrie langfristig helfen.

„Cisutac wird die Industrie in die Lage versetzen, Textilien in engeren lokalen oder regionalen Kreisläufen zu halten und qualitativ hochwertige Produkte begünstigen, die haltbarer und leichter zu reparieren sind und einen höheren Wiederverwendungs- oder Wiederverkaufswert haben", sagt Charlotte Denis, die ebenfalls Kommunikationsbeauftragte bei Textile ETP ist.

Partnerschaften für mehr Reichweite

Es ist kein Zufall, dass sich Cisutac auf das Sortieren und Recyceln von Alttextilien konzentriert. Für die Textilindustrie ist es von entscheidender Bedeutung, diesen Bereich anzupacken, denn die EU zwingt Unternehmen durch strengere Vorschriften dazu, mehr Verantwortung für ihre Produkte zu übernehmen.

Nach Schätzungen der gemeinnützigen Ellen MacArthur Foundation werden derzeit weniger als 1 Prozent der Textilien recycelt. Eine enorme Menge ausrangierter Kleidung landet am Ende auf Mülldeponien, häufig in Entwicklungsländern. Einem Bericht der Europäischen Umweltagentur vom Februar zufolge haben sich die Ausfuhren von Alttextilien aus der EU in den letzten zwanzig Jahren verdreifacht. Eine Verbesserung des Recyclings könnte die Umwelt entlasten, indem die Abfallmenge und die Ressourcen für die Herstellung neuer Materialien reduziert werden.

Denis sagt, dass Initiativen wie Cisutac nur dann einen signifikanten Einfluss auf die Verbrauchenden und die Industrie haben können, wenn sie ausreichende Anreize und Unterstützung durch die Behörden erhalten. Aus diesem Grund sind Organisationen aus der Gesellschaft wie Texfor und Refashion ETP in das Projekt eingebunden. Zu den Partnern des Projekts gehören auch Modegiganten wie Inditex und PVH, die über ein europaweites Netzwerk verfügen, das eine Marktreichweite in vielen Ländern garantiert.

Laut Michael Kininmonth, Business Development Manager beim Projektpartner Lenzing, haben ähnliche Initiativen in den vergangenen fünf Jahren nicht genügend Dynamik entwickelt, weil sie unterfinanziert waren und weil die Unternehmen in Silos arbeiteten. Cisutac verfügt jedoch über eine Finanzierung von fast 10 Millionen Euro. „Das Cisutac-Konsortium ist EU-weit und umfasst alle Arten von Marken, Organisationen und EU-Verbänden, so dass es die besten Chancen hat, die Bedürfnisse des Sektors nach Skalierung zu bedienen", sagt er.

Cisutac ist ein außerwettbewerbliches kollaboratives Forschungsprojekt, was bedeutet, dass die Beteiligten einen finanziellen Anreiz haben, zusammenzuarbeiten. Diese Situation ist einzigartig. Normalerweise lassen sich Marken und andere Organisationen wegen der hohen Kosten für Forschung und Entwicklung nicht auf experimentelle Nachhaltigkeitsprojekte ein. Um eine nachhaltige Zukunft für die Modeindustrie und die Textilindustrie im Allgemeinen zu erreichen, ist es sehr wichtig, Freiräume außerhalb der wettbewerbsorientierten Strukturen zu schaffen und auf gemeinsame Lösungen für alle hinzuarbeiten.

Bessere Reparaturen

In der ersten Phase von Cisutac geht es darum, das Reparieren und Zerlegen von Berufsbekleidung und Outdoor-Produkten wie Rucksäcken und Zelten zu verbessern. Die Projektpartner werden halbautomatische Stationen mit Werkzeugen für die Reparatur und den Abbau entwickeln, wo Roboter das Bedienen der Maschine unterstützen. Auf der sozioökonomischen Ebene werden Reparatur- und Demontagedienste in lokalen Wiederverwendungs- und Reparaturwerkstätten mit Hilfe Behörden vor Ort getestet.

Die Augmented-Reality-Software wird zunächst wichtige Informationen über die zu reparierenden oder zu zerlegenden Gegenstände ermitteln – wie Marke, Produktkategorie und Materialien. Anhand dieser Angaben werden die Anweisungen für die nächsten Aufgaben, die das Personal an den halbautomatischen Stationen auszuführen hat, auf einem intelligenten Visor oder Display angezeigt. Da es sich um einen sehr technischen Prozess handelt, der mit einer Lernkurve verbunden ist, umfasst das Projekt auch eine maßgeschneiderte Schulung für das Personal.

Das zweite Leben eines Kleidungsstücks

In der zweiten Phase von Cisutac soll der Sortierprozess für ausrangierte Kleidung verbessert werden. Das kommerzielle Bekleidungsrecyclingunternehmen Texaid wird dieses Pilotprojekt leiten. Das Zentrum für Kreislaufinnovation Wargön Innovation wird eine Entscheidungshilfe entwickeln, die dem Personal bei der Entscheidung helfen soll, ob ein Kleidungsstück wiederverwendet, repariert oder recycelt werden soll, um den größten Teil seines Wertes zu erhalten, wobei Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen eingesetzt werden. Diese Algorithmen werden Datensätze verwenden, um in Echtzeit Empfehlungen zu generieren, die die Textilsortierenden bei ihren Einschätzungen unterstützen.

Zur Vorbereitung des Recyclings wird in der Phase 2 auch nach Möglichkeiten gesucht, das gleiche Material in präzisere Ströme zu sortieren und unerwünschte Elemente zu entfernen. Im Idealfall gäbe es vier Wertströme: Textilien für die Wiederverwendung, Zelluloserecycling, Faser-2-Faser-Recycling von Polyester und Baumwolle.

Ausgehend von den verbesserten Sortierverfahren aus Pilotprojekt 2 geht es in der letzten Phase um die Entwicklung von Mechanismen zur Verbesserung des Recyclings von Pre- und Post-Consumer-Textilabfällen. Cisutac sucht auch nach Lösungen für komplexe technische Textilabfälle, die aus mehreren Materialien bestehen und unterschiedliche Sortierverfahren erfordern, wie zum Beispiel Rucksäcke und schützende Sportbekleidung. Ziel ist es, eine neue Spinntechnologie für Hybridgarne zu entwickeln, die auf Verfahren basiert, die derzeit für PET-Flaschen verwendet werden. Große Modekonzerne wie Inditex und PVH werden diese Phase des Projekts unterstützen.

Gesetze und EU-Initiativen

Schließlich wird Cisutac auch einen Überblick über den Stand der Sammlung von Textilabfällen und die europäischen Sortierkapazitäten geben, um künftige Gesetzgebungsverfahren zu unterstützen. Hierbei werden bestehende Szenarien für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft, offene Datenstandards und Richtlinien für die Kreislaufwirtschaft verwendet.

Cisutac gehört zu den zahlreichen von der EU geförderten Initiativen, die die Textil- und Modeindustrie nachhaltiger machen sollen. Der Konsum von Textilien hat nach Angaben der Europäischen Kommission die viertgrößten Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel. Aus diesem Grund wurde von der Europäischen Union die EU-Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien ins Leben gerufen.

Die Strategie schlägt eine lange Liste von Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Textilprodukten vor – von der Art und Weise, wie Textilien entworfen und verbraucht werden, bis hin zu ihrer Wiederverwendung. Dazu gehören Designanforderungen für Textilien, digitale Produktpässe, strengere Kontrollen von Greenwashing, eine erweiterte Herstellerverantwortung und eine bessere Abfallwirtschaft.

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