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Galeria Karstadt Kaufhof: Wie das Trauerspiel vorerst ein Ende findet

Von Jule Scott

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Galeria-Filiale an der Frankfurter Hauptwache. Bild: FashionUnited

Galeria Karstadt Kaufhof bekommt eine weitere Chance. Die Gläubiger:innen des Warenhauskonzerns stimmten dem von Sanierungsexperten Arndt Geiwitz und der Unternehmensführung erarbeiteten Insolvenzplan am Montag zu. Damit ist die Zukunft von Galeria vorerst gesichert. Gleichzeitig zementiert die Entscheidung jedoch auch den Verlust der Arbeitsplätze von mehr als 4000 Mitarbeitenden und die Schließung von 47 Galeria-Filialen.

Damit ist der letzte Akt im Drama rund um den insolventen Warenhauskonzern erst einmal beendet. Wie sehr die Zukunft des Unternehmens in den letzten Wochen und Monaten wankte und wie viele Filialen noch gerettet werden könnten, hat FashionUnited zusammengefasst.

Erste Probleme machen sich Anfang Oktober bemerkbar

Probleme bahnten sich bereits Anfang Oktober an. Zuerst kündigte Galeria den nach dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof geschlossenen Sanierungstarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi. Daraufhin wurde bekannt, dass das Unternehmen das dritte Mal innerhalb von zwei Jahren einen Antrag auf Staatshilfe gestellt hat. Den Ernst der Lage unterstrichen nur wenige Tage später auch die Zahlen für das Geschäftsjahr 2020/21. Die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH schloss das Jahr mit dreistelligem Millionenverlust ab und auch ohne konkrete Zahlen für das Ende September abgeschlossene Geschäftsjahr 2021/22 wurde bereits spekuliert, dass der Einzelhändler erneut tiefrote Zahlen geschrieben habe. Ein Schreiben von Konzernchef Miguel Müllenbach soll Mitarbeiter:innen zu dieser Zeit in einem Brief gewarnt haben, dass der Konzern sich „erneut in bedrohlicher Lage“ befinde.

31. Oktober: Galeria sucht zum zweiten Mal Rettung in Schutzschirmverfahren

Wie bedrohlich die Lage tatsächlich war, zeigte sich nur wenige Tage später, denn am 31. Oktober wurde es offiziell: Galeria Karstadt Kaufhof sucht erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Noch am selben Tag sprach Konzernchef Müllenbach in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" davon, das Filialnetz um mindestens ein Drittel reduzieren zu müssen, um das Unternehmen zu retten. Zu diesem Zeitpunkt war der Warenhauskonzern noch mit 131 Filialen in 97 deutschen Städten vertreten. In einigen Punkten ähnelte das auf Sanierung ausgerichtete Insolvenzverfahren dem von 2020. Unter der Leitung von Sachverwalter Frank Kebekus und Restrukturierer Arndt Geiwitz wurden damals rund 40 Filialen geschlossen, etwa 4000 Stellen abgebaut und mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden gestrichen. Auch im Oktober übernahm Kebekus erneut die vorläufige Sachverwaltung, während Geiwitz fortan die operative Sanierung leitete. Die externen Sanierungsexperten nahmen jedoch nur eine beratende Funktion ein, während die Unternehmensführung weiterhin die Kontrolle behielt.

Schon nach Abschluss des ersten Insolvenzverfahrens von Galeria wurden kritische Stimmen laut, diese sollten nun recht behalten. „Bei der Galeria-Insolvenz im Jahr 2020 gingen die Einschnitte nicht tief genug”, urteilte der Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms. „Das Warenhaus hat eine Daseinsberechtigung, aber es benötigt ein großes Einzugsgebiet. Darum ist nur Platz für 50 bis 60 Filialen in Deutschland, nicht für alle 131 Galeria-Kaufhäuser."

Erste potenzielle Investor:innen melden sich zu Wort

Nur einen Tag, nachdem Galeria Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen musste, bekundete der erste mögliche Investor Interesse an der Übernahme von bis zu 40 Filialen des Warenhauskonzerns – eine Zahl, die sich den “überlebensfähigen” Filialen des Handelsexperten annäherte. Der bis dato relativ unbekannte Markus Schön, Geschäftsführer des Onlinehändlers Buero.de, bekundete sein Interesse und seine Pläne für Galeria gegenüber mehreren deutschen Medien. Eine Woche später, am 7. November bestätigte Galeria, dass es ein persönliches Treffen zwischen Geiwitz, dem Generalbevollmächtigten von Galeria Karstadt Kaufhof, und Markus Schön geben soll. Laut Schön wurde das besagte Treffen allerdings abgesagt, die Gründe dafür fielen bei beiden Parteien unterschiedlich aus, Geiwitz ließ kurz vor der vermeintlichen Absage des Termins jedoch verlauten, dass noch kein “seriöser Interessenten” in Erscheinung getreten seien. Mutterkonzern Signa sicherte Galeria unterdessen weiterhin Unterstützung zu.

Klarheit schuf Galeria währenddessen, zumindest was den Entscheidungszeitraum für die Zukunft des Konzerns anging. Damals rechnete der Konzern damit, im Laufe des Januars 2023 Klarheit über die Schließung einzelner Filialen schaffen zu können. Dieses Ziel verfehlte Galeria letzten Endes um fast drei Monate.

Vorstand wird kleiner – Einkaufschefin und Personalchef müssen gehen

Mitte Dezember wurde das Galeria-Führungsteam um CEO Miguel Müllenbach verkleinert. Einkaufschefin Karin Busnel-Knappertsbusch und Personal- und Operationschef Dirk Lessing mussten ihre Posten angesichts der schwierigen Unternehmenslage räumen. „Es kann unter diesen Marktbedingungen kein einfaches ‚Weiter so‘ oder eine bloße ‚Feinjustierung‘ geben, um Galeria nachhaltig zukunftsfähig zu machen”, so Müllenbach in einer Mitteilung. „Wie jeder Unternehmensbereich muss auch das Management seinen Anteil zur dringend notwendigen Verschlankung beitragen.”

Übernahme-Chaos und Einigung beim Insolvenzgeld

Von festlicher Vorfreude war bei Galeria keine Spur, denn die Schlagzeilen rund um den insolventen Warenhauskonzern nahmen auch kurz vor Weihnachten kein Ende. Plötzlich gab es Spekulationen über die Schließung von bis zu 90 Filialen. Während Galeria sich zu diesem Zeitpunkt nicht über die Anzahl der von Schließungen betroffenen Filialen äußern wollte, folgte einen Tag später eine scheinbar versöhnliche Nachricht: ein erstes Übernahmeangebot für eine Reihe von Filialen. Um wen es sich bei dem Interessenten handelte, wollte der Konzern nicht bekannt geben, doch Markus Schön kann wohl ausgeschlossen werden, denn nur einen Tag vor Weihnachten kam die Ernüchterung für all diejenigen, die ihn für den “Retter in der Not” gehalten hatten.

Der Geschäftsführer von Buero.de zog sein Übernahmeangebot zurück. Der Betriebsrat des angeschlagenen Warenhauskonzerns Galeria Karstadt zeigte sich enttäuscht. „Es wäre eine Chance gewesen”, sagte der Galeria-Betriebsratvorsitzende Jürgen Ettl der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist ein bisschen frustrierend, dass so schnell das Handtuch geschmissen wurde.” Schön wiederum machte Gerüchte über viel weitergehendere Schließungen als zuerst absehbar und eine “deutlich gewordene Konfliktlage” für den Rückzug verantwortlich.

Kurz vor Neujahr gab es dann aber dennoch eine gute Nachricht für die Mitarbeiter:innen, denn während es bei Übernahmegesprächen zu keiner Einigung kam, kamen Galeria und die Gewerkschaft Verdi zumindest beim Insolvenzgeld auf einen gemeinsamen Nenner.

Neuer Interessent und die Rückkehr eines alten Bekannten

Gleich zum Jahresanfang bestätigte die Handelskette Aachener Interesse an mehreren möglicherweise frei werdenden Immobilien von Galeria. Außerdem begrüßt der Warenhauskonzern einen alten Bekannten zurück an Bord. Es wurde bekannt, dass der frühere Galeria-Einkaufschef Edo Beukema zum Warenhauskonzern zurückkehrt und die Position der im Dezember ausgeschiedenen Einkaufschefin Karin Busnel-Knappertsbusch übernimmt. Er war bereits von 2014 bis 2019 vor der Fusion von Galeria Kaufhof und Karstadt im Führungsteam der Galeria Kaufhof GmbH aktiv.

Galeria Karstadt Kaufhof eröffnet Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Am 1. Februar eröffnete das Amtsgericht in Essen das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für Galeria Karstadt Kaufhof. Ab diesem Zeitpunkt konnten Gläubiger:innen ihre Forderungen beim Sachwalter anmelden. Ein vom Warenhauskonzern erarbeiteter Insolvenzplan wurde dem Gericht vorgelegt und erstmals drangen auch erste Details an die Öffentlichkeit. Wie viele Filialen den Schließungen zum Opfer fallen würden, blieb aber weiterhin unklar. Das Amtsgericht Essen berief die Gläubiger:innenversammlung für den 27. März ein.

Schwere Tarifverhandlungen und Gerüchte über den Verkauf der belgischen Tochter

Kurz nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gab es die ersten Gerüchte über den Verkauf der belgischen Galeria-Tochter Inno. Die belgische Warenhauskette selbst stritt jedoch ab, dass derzeit konkrete Verkaufsgespräche stattfinden würden.

Zeitgleich begannen für Galeria auch die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi. Diese gestalteten sich schwierig. Die Gewerkschaft Verdi bestand darauf, dass nach Scheitern der ersten Sanierung 2020 nun vertraglich wieder die Flächentarifverträge des Einzelhandels gelten müssten, Galeria lehnte dies ab und betonte, dass es keinen Spielraum für höhere Gehälter gebe. Bei den ersten Tarifgesprächen kam es zu keiner Einigung und so gingen die Gespräche am 22. Februar in die zweite Runde – doch auch dieses Mal gab es keine Annäherungen bei den beiden Parteien.

Mit dem ehemaligen Fashion-ID-Geschäftsführer Nicolay Merkt konnte sich Galeria hingegen gehaltlich scheinbar einigen, denn dieser wurde Anfang März zum neuen Chief Customer Officer des Warenhauskonzerns berufen.

Medienberichten zufolge sollen Gläubiger:innen von Galeria unterdessen erneut auf einen Milliardenbetrag verzichten.

Galeria schließt 52 Warenhäuser

Am 13. März gab es endlich Klarheit, 52 der noch verbliebenen 129 Galeria-Warenhäuser werden in zwei Wellen, zum 30. Juni 2023 und zum 31. Januar 2024, schließen. „Das ist zweifellos heute für uns alle ein schwerer Tag. Wir haben in den vergangenen Wochen intensiv um jeden einzelnen Standort gerungen und sind in harte interne wie externe Gespräche gegangen“, sagt Arndt Geiwitz, Generalbevollmächtigter von Galeria. „Die verbleibenden Filialen haben eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive.“

Die Schließung, von der rund 4.000 Mitarbeitende in den Filialen und um die 300 Stellen in der Zentrale in Essen betroffen sein sollen, geht Hand in Hand mit dem Sanierungskonzept von Galeria. Der Konzern brauche eine höhere Flächenproduktivität und ein Sortiment, das stärker auf die lokalen und regionalen Bedürfnisse der jeweiligen Standorte ausgerichtet ist. Zudem ist auch eine “kundenfreundliche Verzahnung von Mobile-, Online- und Filialkaufmöglichkeiten” und die Modernisierung der übrigen 77 Filialen in den nächsten drei Jahren.

„Um die lokalen Strukturen zu stärken, geben wir den Filialen mehr Eigenständigkeit“, sagt Galeria-CEO Miguel Müllenbach. „Sie sollen stärker über Sortimente, Schwerpunkte und Abläufe vor Ort entscheiden können. Wir legen heute die Basis für eine positive wirtschaftliche Perspektive von Galeria. Das Warenhaus in Deutschland hat damit eine Zukunft.“

Ob die Warenhauskette tatsächlich eine Zukunft hat, bleibt zu diesem Zeitpunkt noch abzuwarten, denn erst nach der Zustimmung der Gläubiger:innen ist der Plan auch tragfähig. Sollten die Gläubiger:innen diesen ablehnen, bedeutet dies das Aus für Galeria.

Proteste, Kritik und die Rettung von fünf Filialen

Die offiziellen Pläne von Galeria und die damit einhergehenden Schließungen sorgten für Proteste von Verdi sowie Kritik in den sozialen Medien. Galeria wiederum schloss ein Umdenken bei den einzelnen Schließungsfilialen von vornherein nicht aus und so folgte die “Rettung” von fünf Warenhäusern nur vier Tage später. Dank weiterer Zugeständnisse der Vermieter:innen werden die Warenhäuser in Bayreuth, Erlangen, Oldenburg, Rostock und Leipzig erhalten bleiben und die Zahl der von der Schließung betroffenen Filialen sank auf 47 – damit wird es auch weiterhin noch 82 Galeria-Filialen geben.

Aachener macht Ernst

Sein Interesse an einzelnen Galeria-Standorten betonte Geschäftsführer der Modekette Aachener, Friedrich-Wilhelm Göbel mehrfach, doch kurz nach der Bekanntmachung der Schließungsliste wurden die Pläne des früheren Sinn-Managers konkreter. Die Mietverträge für vier Galeria-Immobilien – in Coburg, Cottbus, an der Frankfurter Zeil sowie in Nürnberg-Langwasser – seien bereits unterschrieben, erklärte Göbel am vergangenen Mittwoch. Für eine Reihe weiterer Galeria-Standorte gebe es "weit fortgeschrittene Verhandlungen" über Mietverträge. Bis nächsten Februar sollen zwischen zehn und 25 bisherige Galeria-Standorte angemietet und als Aachener-Läden fortgeführt werden können. Ein Konzept will Göbel im April bekannt geben, doch alle Galeria-Beschäftigten sollen übernommen werden, sollten sie das wünschen, so der Aachener-Geschäftsführer.

Neue Geschäftsführung

Vier Tage vor der alles entscheidenden Gläubiger:innenversammlung am 27. März gibt es noch einmal Veränderungen in der Geschäftsführung von Galeria.

Miguel Müllenbach wird nach Abschluss des noch laufenden Insolvenzverfahrens den Chefsessel bei Galeria räumen und zum Mutterkonzern Signa wechseln. Ab Mai wird Oliver van den Bossche die Zügel in die Hand nehmen. Für ihn ist es, wie auch für Galeria, eine zweite Chance. Van der Bossche leitete von 2014 bis 2017 die damals noch eigenständige Warenhauskette Kaufhof.

Gläubiger:innen stimmen der Rettung zu

Jetzt ist es offiziell: Galeria Karstadt Kaufhof gilt als gerettet. Die Gläubiger:innen stimmen dem Rettungsplan des Kaufhauses zu. Der Schritt bedeutet für sie den Verzicht auf einen Großteil des Geldes, das der Konzern ihnen schuldet, doch so wirklich eine Wahl scheinen die Gläubiger:innen nicht gehabt zu haben. Bei Ablehnung des Insolvenzplans würde ihnen wohl überhaupt kein Geld zukommen und hätte zudem auch das endgültige Ende von Galeria Karstadt Kaufhof bedeutet.

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