Wie sinnvoll ist textiles Recycling?
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Die Textil- und Bekleidungsindustrie gilt als keine besonders umweltfreundliche Branche, im Gegenteil, werden bei Färbe- und anderen verarbeitende Prozessen doch Chemikalien verwendet und eine Menge Wasser verschwendet. Zudem fallen zunächst beim Zuschneiden und in der Herstellung Textilabfälle an, die auf dem Müll landen beziehungsweise Tonnen von Kleidungsstücken, nachdem sie ausgedient haben. Textiles Recycling ist das Stichwort; der Kreislauf soll geschlossen werden. Aber wie nützlich und weitreichend sind die Anstrengungen der Marken und Einzelhändler von Asos bis Zara? Und macht Textilrecycling immer Sinn? FashionUnited hat die Entwicklungen der letzten Jahre zusammengestellt.
Die H&M Group gab jüngst bekannt, einen Anteil am schwedischen Unternehmen re:newcell erworben zu haben. Re:newcell hat eine neue Technologie entwickelt, um Baumwolle, Viskose und andere Zellulosefasern zu neuem, nachhaltigen Zellstoff zu machen, der biologisch abbaubar ist. Das Unternehmen stellt derzeit pro Jahr 7.000 Tonnen her und benutzt diesen Zellstoff, um neue Textilfasern herzustellen und sie so wieder dem Produktionskreislauf zuzufügen. H&M hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 zu 100 Prozent recycelte oder nachhaltig beschaffte Materialien zu verwenden.
Erst letzte Woche war H&M jedoch in die Kritik geraten, nachdem eine dänische Fernsehsendung dem Unternehmen vorwarf, pro Jahr 12 Tonnen unverkaufter Kleidungsstücke zu verbrennen. H&M bestreitet den Vorwurf und gab an, dass es sich bei der Kleidung um beschädigte, unverkäufliche Ware gehandelt habe.
Der Funktionsspezialist Sympatex, der für seine erste klimaneutrale Membran und umweltfreundliche Textilien bekannt ist, entwickelte zusammen mit einem 20-köpfigen Team eine kreislauffähige Jacke, deren Membran aus 100 Prozent Polyetherester besteht und samt Textilien vollkommen klimaneutral hergestellt. Auf der Stoff- und Ledermesse Lineapelle in Mailand stellte das Unternehmen einen recycelten Kinderschuh vor, der zu 90 Prozent aus wiederverwerteten Rohmaterialien besteht, inklusive einer Sohle aus über zwei Drittel recyceltem Gummi.
Textiles Recycling - authentisch oder Augenwischerei?
Manchmal können die sogenannten Recyclingbemühungen von Bekleidungsunternehmen aber auch nach hinten losgehen. Die Tierschutzorganisation PETA zum Beispiel nannte Nikes neues „Flyleather“-Material Betrug. Die Begründung? Die neuen „Flyleather“-Schuhe, die der Sportartikelriese als nachhaltig und zu mindestens 50 Prozent recycelt anpreist, seien nicht recycelt und Tiere müssten immer noch leiden, um sie herzustellen. Nike gab an, Lederabfälle zu nutzen und aus ihnen recycelte Lederfasern zu machen, die zusammen mit Synthetikfasern zu einem neuen Material verbunden werden. PETA argumentiert, dass das neue Material durch die Verbindung von Leder- und Kunstfasern schwerer zu recyceln sei und stellt damit die Nachhaltigkeit des neuen Materials in Frage.
Die Biologin Dagmar Parusel findet, dass Designer zukünftig eine Schlüsselrolle spielen werden, um sicherzustellen, dass ein Produkt zukunfts- und recyclingtauglich ist: „Entscheidend ist, dass man sich schon beim Design Gedanken darüber macht, wie das Produkt verwertet werden soll. Viele der heutigen Textilien sind, selbst nach einer langen Lebensdauer, in der Nachnutzung leider nur Sondermüll. ... Das heißt, der Designer muss in Zukunft ein noch besserer Materialkenner sein und mit der Wissenschaft eng zusammenarbeiten. Designer sind hier die wichtigsten Personen in diesem Zusammenhang.“ Parusel ist seit 1998 im Hamburger Beratungs- und Entwicklungsinstitut EPEA Internationale Umweltforschung tätig, dessen Gründer Michael Braungart das „Cradle to Cradle“ (C2C) Konzept mitentwickelt hat.
Interessant ist, dass fast jedes Bekleidungsunternehmen früher oder später an der Nachhaltigkeit hängenbleibt - es ist zum Stichwort geworden, zum Trend, an dem jeder teilhaben will. Ob beim britischen Onlinehändler Asos, der bis 2025 komplett auf nachhaltige Baumwolle umstellen will und eine nachhaltige Jeans-Kollektion eingeführt hat, bei Lidl und Aldi, wo es heutzutage auch nachhaltige Bekleidung gibt, oder bei Tchibo - alle streben einen geschlossenen Stoffkreislauf an. Kompostierbare Schuhe und Bekleidung gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Ob dies ernstgemeinte Bemühungen oder eher scheinheilige Recycling-Mode sind, sollten Verbraucher gut abwägen, bevor sie sich zum Kauf entscheiden.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisiert das Engagement für eine Kreislaufwirtschaft, wenn Marken das Recycling - vor allem von Polyester - betonen, ohne die Schließung des Kreislaufs oder die Verlangsamung des Materialflusses ernsthaft einzubeziehen. Denn schließlich soll das Recycling von Ressourcen kein Ansporn sein, noch mehr zu produzieren und den Überkonsum weiter anzuregen.
„Die Zirkularität wird von der falschen Ausgangslage aus angegangen, indem zuerst auf das Recycling eingegangen wird. Dabei sieht die Abfallhierarchie vor, dass vor dem Recycling erstmal die Vermeidung von Abfall und die Wiederverwendung vorrangig behandelt werden sollten“, sagte Yannik Vicaire, einer der Autoren der Greenpeace Studie „Fashion at the Crossroads“ im Gespräch mit FashionUnited.
Beim Thema Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der textilen Kette gilt also, genau hinzuschauen und zu untersuchen, ob die gepriesenen neuen Produkte auch tatsächlig nachhaltig sind und sinnvoll in die Zirkularität eingebunden werden können, oder ob sie hinter dem Deckmantel des Recyclings den Konsum weiter antreiben.
Fotos: Sympatex, EPEA, Hartmut Giessler / pixelio.de