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Berlin Fashion Week: Es tut sich was, aber wie geht’s weiter?

Von Weixin Zha

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Mode

Frischer Wind in Berlin, die Labels Namilia, Litkovska und Sia Arnika. Fotos: © Finnegan Godenschweger

Es kommt Bewegung in die Berliner Modewoche. Nicht nur lokale Labels überzeugten mit einem diversen Programm, sondern auch Gäste aus der Ukraine. Aber es bleibt offen, wie sich in der Hauptstadt weitergeht.

Junges Blut

In den vergangenen Saisons wurde die Berlin Fashion Week schon oft totgesagt, aber nun scheint sich was zu tun. Hier waren sich viele lokale und internationale Besuchende einig. Ein Highlight im Kalender von vielen war die Show des Berliner Labels Namilia, das durch seine körperinklusive und provokante Mode auch außerhalb von Deutschland viele treue Fans zählt.

Auf der Berliner Modewoche zeigte das Label eine Kollektion, die in Form und Aussage laut, kompromisslos und befreiend war – alles Eigenschaften, die viele seit jeher mit den angesagten Clubs der deutschen Hauptstadt verbinden, aber nur nicht mit der Modewoche.

Einige Brands, die international ebenso im Trend liegen, wie Gmbh oder Ottolinger, zeigen bisher aber nicht in Berlin, sondern bei der Modewoche Paris. Zum einen gehen die Einkäufer:innen internationaler Luxusboutiquen zum Ordern in die französische Hauptstadt, zum anderen mag es auch noch eine gewisse Scheu geben, sich als Marke mit der Berliner Modewoche zu assoziieren.

Namilia zeigt zum ersten Mal auf der Berliner Modewoche. Bild: © Finnegan Godenschweger

„Wir sind eine Berliner Brand seit sieben Jahren und haben vorher in New York gezeigt“, sagte Nan Li, einer der zwei Modeschaffenden hinter Namilia nach der Show am Mittwoch. Aber mittlerweile gebe es auch viel Kundschaft und eine starke Community in Berlin.

„Mir ist auch bewusst, dass Berlin Fashion Week nicht vergleichbar ist mit New York, Paris oder London, aber für uns spielt das keine Rolle, weil wir gar nicht so in dem Fashion-Rhythmus drin sind”, erklärt er die Entscheidung, im Januar in Berlin zu zeigen. „Unser Casting, unsere Leute sind in Berlin, für uns ist das unser Event. Wir hatten einfach Lust in unserer Heimatstadt zu zeigen.”

Überall zuhause

Aber Namilia ist nicht die einzige Berliner Brand, die nah am Zeitgeist liegt und auf der Berliner Modewoche zeigte. Das junge Label SF1OG brachte seine von alltäglichen Artefakten inspirierte Kollektion ins Rote Rathaus; LML Studio inszenierte Inklusion und Mode in der Marienkirche. Andere spannende Talente wie Olivia Ballard, Acceptance Letter Studio oder David Chuene waren ebenfalls mit eigenen Schauen oder im Berliner Salon zu sehen.

Der Berliner Salon zeigt Arbeiten von Karen Jenssen, SF1OG und David Chuene. Fotos: Julia von der Heide

Auffällig an diesen aufstrebenden Brands sind oft ihre internationale Ausbildung und Ausrichtung. Die kreativen Köpfe hinter Namilia, Nan Li und Emilia Pohl, lernten sich im Studium an der Universität der Künste in Berlin kennen, bevor sie ihren Master in Fashion an der Londoner Royal College of Art abschlossen und zurück nach Berlin zogen, um ihr Label 2015 zu gründen. Damals war es einfacher und günstiger eine Marke in der deutschen Hauptstadt zu gründen, erzählte Li.

Lucas Meyer-Leclère, der Gründer des Labels LML Studio, entwarf Stoffe für Chanel und Jimmy Choo, bevor er 2017 nach Berlin zog. Die gebürtige New Yorkerin Olivia Ballard gründete ihr gleichnamiges Label 2020 in Berlin. Diese Labels könnten fast überall zuhause sein, aber wählten doch Berlin als ihren Sitz.

Die Kunst- und Musikszene machten Berlin weiterhin aus, sagt Li. „Ich finde es ist eine der stärksten Jugendkulturszenen weltweit und für unsere Brand absolut perfekt.”

Bewährtes und neues auf der Berlin Fashion Week HW23: Rianna + Nina, Acceptance Letter Studio, Olivia Ballard. Foto von links nach rechts: © Lina Grün, Lina Grün, Finnegan Godenschweger

Post Mercedes Benz

Trotz seiner kulturellen Anziehungskraft hatte es Berlin in den vergangenen Jahren schwer, seine spannendsten Modelabel auf den Laufsteg zu bringen. Manchmal reicht es nicht, talentierte Modeschaffende zu haben; die Strukturen, sie zu fördern und zu präsentieren, müssen auch stimmen. Die vergangenen Jahre stand die Berliner Modewoche lange im Schatten des Images der Mercedes Benz Fashion Week, die einst die Glanzzeit der Mode in der Hauptstadt symbolisierte.

Aber wo das weiße Zelt von Mercedes Benz am Bebelsplatz Ende der Nullerjahre für Aufbruchstimmung stand, war zuletzt viel Modemüdigkeit zu spüren. Die Mischung der Labels stimmte nicht, zu viele kommerziell Bekleidung, aber nicht genug modischer Anspruch, mäkelten manche.

Nun hat sich Mercedes Benz als Sponsor weitgehend aus Berlin zurückgezogen. Nur mit ausgewählten Marken, wie Marc Cain in der vergangenen Woche, wolle der Autokonzern künftig kooperieren. Manche Akteure in Berlin, wie der Fashion Council Germany, sehen das als eine Chance, die Modewoche neu zu positionieren. Einen Vorgeschmack darauf, was möglich ist, bot die vergangene Woche.

Sia Arnika arbeitete für Ottolinger und Yeezy bevor sie ihr gleichnamiges Label gründet. Foto: FW23-Kollketion © Finnegan Godenschweger

Es gab drei Kategorien, worauf sich Berlin Marken und andere Modeakteur:innen seit November auf Preisgelder der Stadt Berlin bewerben konnten. Für größere Formate wie den Berliner Salon gab es zwischen 5.000 und 150.000 Euro, für Store- und Atelier-Events bis zu 5.000 Euro, für Modenschauen und Präsentationen bis zu 25.000 Euro. Die Modenschauen konnten in den Kantgaragen stattfinden, aber die Labels waren auch frei selbst die passendste Location für sich zu wählen.

Die Designerin Sia Arnika lud zur HW23-Show ihres gleichnamigen Labels in die Archivhallen in Berlin-Marzahn ein. Die Metallgitterwände und Regale boten eine gelungene Kulisse, die ihre auf Texturen und Silhouetten fokussierten Entwürfe passend ergänzten.

Unterstützung aus der Ukraine

Auch das Hamburger Label Fassbender war unter den Preisträgerinnen für eine Modenschau. Im Vorjahr hatte es auch einen Preis gewonnen, der es ermöglichte, bei der Mercedes Benz Fashion Week zu zeigen, aber mit weniger Budget.

„Mit diesem Budget gibt es jetzt ganz andere Möglichkeiten und mein Wunsch war es immer etwas Privat-gemütliches daraus zu machen als einen klassischen Catwalk”, sagte Christina Fassbender, die Gründerin des gleichnamigen Hamburger Labels, nach ihrer Show in den Kantgaragen am Mittwoch. Sie nutzte das Preisgeld, um ihren Laufsteg mit einem Mittagessen zu verbinden, bei dem die Gäste während der hektischen Modewoche zum Verweilen eingeladen wurden. Die Künstlerin Fulya Celik, mit der sie für ihre HW23-Kollektion zusammenarbeitete, bemalte und vollendete während der Show ein Kleid mit silberner Farbe.

Vielfalt auf der Berlin Fashion Week HW23: Lou de Bétoly, Fassbender und Odeeh zeigen ihre Entwürfe. Fotos von links nach rechts: © Lina Grün, Finnegan Godenschweger, Lina Grün

Auch bewährte Brands nutzten das Preisgeld, um Schauen abzuhalten. Die Designerin Lou de Bétoly perfektionierte die Camp-Ästhetik als sie ihre subersiven Häkel-Kreationen zeigte. Die HW23-Kollektion der Marke Odeeh spielte mit geometrischen Mustern im Flair der sechziger Jahre. Nicht zuletzt bereicherten auch die Kollektionen ukrainischer Labels, wie Dzhus und Litkovska, die als Gäste eingeladen wurden und deren Showkosten vom Berliner Senat getragen wurden.

Quo vadis?

Die Berliner Modewoche hat in der vergangenen Woche gezeigt, was sie künstlerisch und kreativ aufbieten kann. Aber einige neue, die eigentlich alte Fragen sind, bleiben ungeklärt.

Der Termin der Berlin Fashion Week vom 16. bis 20. Januar überschnitt sich mit den Herrenmodewochen in Mailand und Paris, also eigentlich ungünstig für eine Modewoche, die internationale Besuchende locken will. Dass die Termine nicht mehr im März und September wie im vergangenen Jahr liegen, ist der Rückkehr der Modemesse Premium und Seek nach Berlin geschuldet. Für diese beiden Messen ist es wichtig, Kollektionen zwischen der Pitti Uomo in Florenz und vor den Messen in Paris und Kopenhagen zu zeigen.

Allerdings ist deren Ausrichtung nach dem Intermezzo in Frankfurt noch weiter Richtung Mainstream abgedriftet. Die Einkäufer:innen, die die Messen in die Stadt bringen, scheinen kaum eine Schnittmenge mit den potentiellen Buyern zu haben, die für die trendigen Berliner Labels interessant sind. Wie könnten hier die Synergien vergrößert werden?

Die ukrainische Designerin Irina Dzhus entwirkft multifunktionale Mode, bei der die Idee der Transformation im Zentrum steht. Foto: © Finnegan Godenschweger

Außer der Damenbekleidungsmarke Marc Cain gab es keine größeren kommerziellen Marken, die ihre Kollektion bei einer Modenschau in Berlin zeigten. Der Metzinger Modekonzern Hugo Boss präsentierte sich zuletzt mit einem Event im Juli 2019. Dadurch fällt eine weitere Komponente weg, die für die Labels kommerziell interessante Besuchende in die Stadt bringt.

Damit stellt sich die Frage, wie in der Vergangenheit schon die Frage, wozu Labels eine aufwendige und teuer produzierte Show in Berlin zeigen sollten. Und wie es mit der kommerziellen Zukunft der Labels aussieht. Vielleicht ist das Modell, dass Brands wie Namilia verfolgen, eine Antwort. Das Label geht nicht über Modeboutiquen, sondern verkauft seine Kleidung selbst an die Kundschaft. Auf Instagram zählt es eine Gefolgschaft von über 200.000. Damit ist es nicht von Einkäufer:innen abhängig oder einem Show-Termin im traditionellen Modekalender. Der Ort ist weniger wichtig, es geht vielmehr darum, mit der Show seine Fans vor Ort und in den Sozialen Medien zu erreichen.

Trotzdem findet Namilia-Gründer Nan Li es gut, dass es in der Berliner Modelandschaft diverser wird. „Es wird immer stärker und immer mehr, ich hoffe, dass immer mehr coole Labels hier zeigen, dass die Fashion Week auch mehr macht.”

Namilia zeigt seine FW23-Kollektion in Berlin. Bild: © Finnegan Godenschweger
Berlin Fashion Week
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