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Lauter Pandemieopfer? Insolvenzen im deutschen Bekleidungshandel seit Beginn der Corona-Krise

Von Jan Schroder

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Seit knapp einem halben Jahr lastet die Corona-Krise schwer auf dem deutschen Einzelhandel. Die Bekleidungsbranche litt besonders unter den wochenlangen Ladenschließungen, die im Frühjahr zum Schutz gegen die Ausbreitung der Pandemie angeordnet worden waren. Auch nach der schrittweisen Wiedereröffnung der Läden erholten sich die Kundenfrequenzen in den Geschäften nur langsam.

So meldeten zahlreiche Unternehmen Insolvenz an – obwohl die Antragspflicht vorerst bis Ende September ausgesetzt ist. Darunter waren börsennotierte Großkonzerne, aber auch viele Mittelständler. Einige der betroffenen Firmen steckten ohnehin schon länger in der Krise, die Umsatzeinbußen infolge des Lockdowns ließen die vorhandenen Schwächen offen zutage treten. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens haben sie nun die Gelegenheit, die nötigen Restrukturierungen vorzunehmen.

Kurz nach Beginn des Lockdowns schickt Esprit seine deutschen Töchter unter den Schutzschirm

Schon Ende März zog ein erstes Schwergewicht der Branche die Konsequenzen aus den absehbaren Einnahmeausfällen, die aufgrund der bundesweiten Ladenschließungen drohten: Der ohnehin rote Zahlen schreibende Bekleidungskonzern Esprit Holdings Ltd. beantragte Schutzschirmverfahren für seine deutschen Tochtergesellschaften.

Die an der Hongkonger Börse notierte Muttergesellschaft wollte damit nach eigenen Angaben die Liquidität des Unternehmens sichern – und sich Spielraum für notwendige Restrukturierungsmaßnahmen verschaffen. Deren Ausmaße sind inzwischen deutlich: Anfang Juli kündigte der Konzern die Streichung von etwa 1.100 Stellen in Deutschland sowie die Schließung von etwa der Hälfte der hiesigen Shops an.

Die Corona-Krise bringt Traditionsunternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof, Hallhuber, Sinn oder Appelrath Cüpper in Zahlungsnöte

Nur wenige Tage später war der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof an der Reihe. Auch er entschied sich für ein Schutzschirmverfahren, um weitere Reformen umzusetzen. Es folgten turbulente Monate: CEO Stephan Fanderl verließ das Unternehmen, zwischenzeitlich schien das Aus von 62 der insgesamt 172 Filialen unausweichlich. Durch lokalpolitische Interventionen konnten inzwischen einige der bedrohte Standorte vorerst gerettet werden.

Im Laufe des Monats April folgten weitere Traditionsunternehmen, darunter Appelrath Cüpper, Sinn und Hallhuber. Beim Modehändler Hallhuber, der erst im vergangenen Jahr vom früheren Mutterkonzern Gerry Weber International AG an eine Fonds verkauft worden war, hatte die Flucht unter den Schutzschirm neben der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch strategische Gründe: „Wir waren bis Januar 2020 sehr erfolgreich unterwegs, aber die behördlich angeordneten Schließungen unserer Verkaufsflächen setzen uns jetzt hart zu“, erläuterte CEO Rouven Angermann. „Gegenüber der möglichen Option von Staatshilfen und der damit einhergehenden Verschuldung ist das von uns gewählte Schutzschirmverfahren die bessere Variante, unser Unternehmen geordnet und erfolgreich wieder anzufahren und auf den Wachstumskurs vor Covid-19 zurückzubringen.“

Die Pleitewelle frisst sich durch alle Segmente der Bekleidungs- und Schuhbranche

Die Umsatzausfälle durch die angeordneten Ladenschließungen brachten Unternehmen aus allen Segmenten des Bekleidungs- und Schuhhandels in finanzielle Schwierigkeiten. Dem Fast-Fashion-Filialisten Colloseum blieb ebenso nur der Gang zum Amtsgericht wie dem Denim-Anbieter Jeans Kaltenbach, der Bekleidungskette Fashion Store, dem Wäschehändler Herzog & Bräuer oder der Muttergesellschaft des Outdoor-Ausstatters McTrek. Betroffen waren darüber hinaus auch Schuhhändler wie Aktiv-Schuh und Dielmann oder Lederwarenhersteller wie Picard.

Nicht bei allen Insolvenzen waren die Corona-bedingten Probleme der einzige Grund für die finanzielle Misere: So musste der Hosenspezialist Hiltl, der gerade ein Reformpaket umgesetzt hatte, Ende Juni ein Schutzschirmverfahren beantragen, nachdem eine Finanzierungszusage vom Eigentümer zurückgezogen worden war.

Im Insolvenzverfahren gelingt die Trennung von Tom Tailor und Bonita

In anderen Fällen wurde die Krise zum Katalysator für längst fällige Strukturveränderungen. So wollte der börsennotierte Hamburger Bekleidungskonzern Tom Tailor Holding SE seine chronisch defizitäre Sparte Bonita eigentlich schon im vergangenen Jahr verkaufen, konnte den Plan aber nicht realisieren. Anfang Juni musste die Dachgesellschaft angesichts der durch die Pandemie noch verschärften Finanzprobleme der Tochter nun Insolvenz anmelden, Bonita selbst ging ins Schutzschirmverfahren.

Das wirtschaftlich solide Segment Tom Tailor GmbH mit der gleichnamigen Kernmarke konnte sich jedoch Staatsbürgschaften sichern und wurde vom Gläubigerausschuss an den chinesischen Mischkonzern Fosun verkauft, den Mehrheitseigentümer der insolventen Holding.

Fotos: Galeria Kaufhof, Esprit, Hallhuber, Tom Tailor (Fotografin: Sabine Skiba)

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