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Schluss mit Mode: Die Marken, die Trends und Saisons hinter sich lassen

Von Weixin Zha

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Mode|Hintergrund
Die zeitlose Garderobe von Asket, Kampagne Spring 2022Bild: Asket

In einer Branche, die von ständigem Wandel lebt, haben sich eine Handvoll Modemarken von den Konventionen gelöst und zeitlose Bekleidungskollektionen ausgefeilt. Ihre saisonunabhängigen Geschäftsmodelle haben sich während der Pandemie als beachtlich widerstandsfähig erwiesen, als viele Bekleidungsunternehmen unter Überbeständen und Lieferketten-Problemen litten. Könnten sie eine praktikable Alternative zur Überproduktion und anderen verschwenderischen Praktiken in der launischen Welt der Mode bieten?

Manchmal braucht es Außenstehende, um Dogmas in Frage zu stellen, die über Generationen befolgt werden. Die in Stockholm ansässige minimalistische Marke Asket wurde 2015 von August Bard Bringéus und Jakob Dworsky gegründet, die in ihrem letzten Studienjahr die Aufgabe hatten, einen Businessplan zu erstellen. Die Idee war simpel: Sie wollten nur Kleidung anbieten, die wirklich gebraucht wird und zu denen die Menschen immer wieder zurückkehren können.

Ihre Motivation entstand aus der geteilten Frustration über die auf dem Markt angebotene Kleidung und die unzähligen Teile in ihrem Kleiderschrank. „Wir fanden das einfach ziemlich befremdlich und ineffizient. Aus Sicht der Kundschaft ist es sehr frustrierend. Viel Geld wird für Dinge ausgegeben, die nicht benutzt werden", sagt Asket-Mitbegründer Bard-Bringéus. „Man kauft Dinge, in denen man sich nicht wohlfühlt, mit denen man nicht zufrieden ist. Es ist entweder die Qualität oder der Stil, die das Kleidungsstück irgendwann obsolet machen.”

Die Gründer von Asket von links nach rechts: Jakob Dworsky und August Bard Bringéus. Bild: Asket

Seine Irritation über das Phänomen der "geplanten Obsoleszenz" lässt sich auch mit Daten untermauern: In einem Bericht aus dem Jahr 2017 schätzt die Ellen MacArthur Foundation, dass die weltweite Kleidungsnutzung – oder die durchschnittliche Anzahl, wie oft ein Kleidungsstück getragen wird, bevor es weggeworfen oder nicht mehr verwendet wird – innerhalb von 15 Jahren um 36 Prozent zurückgegangen ist, während sich die Bekleidungsproduktion im gleichen Zeitraum auf mehr als 100 Milliarden Stück verdoppelt hat.

Diese Zahlen machen deutlich, wie verschwenderisch die Modeindustrie und das Konsumverhalten der Menschen geworden sind. Das Aufkommen der Fast Fashion seit den 1990er Jahren hat die Auffassung von Kleidung als Wegwerfware verstärkt, der Einzug der sozialen Medien beschleunigt die Verbreitung von Trends und nährt immer kurzlebigere Sehnsüchte, was zu stets schnelleren Produktionszyklen führte.

„Bei modernen Zielgruppen ist ein Trend meistens sechs Saisons lang zu beobachten", erklärt Ulla Ertelt, Chefin des Frankfurter Marktforschungsunternehmens HML Modemarketing. „Von der Produkteinführung bis zur Sättigung und dem Rückgang läuft ein Trend in der Regel drei Jahre."

Während viele Trends mehrere Saisons brauchen, um sich auszubreiten, bringen Fast-Fashion-Unternehmen viel häufiger Neuheiten in ihre Läden. Die spanische Modekette Zara bietet jedes Jahr 24 neue Kollektionen an, der schwedische Konkurrent H&M bis zu 16, schätzte ein Bericht der Unternehmensberatung McKinsey 2016. Die Marken äußern sich gewöhnlich nicht zu den Zahlen. Ihre Geschäftsmodelle haben sich als so erfolgreich erwiesen, dass weitere Modemarken ihr Kollektionsprogramm über die traditionellen Angebote für Frühjahr-/Sommer- und Herbst-/Winter hinaus aufstockten.

Der chinesische Einzelhändler Shein, der ausschließlich digital arbeitet, scheint sogar täglich neue Modelle auf seine Website zu stellen, was ihm den Beinamen "Ultra-Fast-Fashion-Unternehmen" einbrachte. Das Unternehmen nannte auf Anfrage keine Zahlen, betonte aber, dass seine schnelle On-Demand-Produktion den eigenen Überhang an Kleidungsstücken auf einen einstelligen Prozentsatz begrenzt, während der Durchschnitt der Modebranche zwischen 25 und 40 Prozent liegt.

Die Entscheidung, sich dem halsbrecherischen Tempo zu widersetzen, mit dem immer mehr Artikel produziert werden, wirkt beinahe überholt oder zumindest verwunderlich. Wie können Marken, die Saisons und Trends ignorieren, im aktuellen System überleben und sogar erfolgreich sein?

Zeitlose Designs entwickeln

Eines der offenen Geheimnisse der Modeindustrie ist die Tatsache, dass die Kleiderschränke in den wohlhabenden Staaten der Erde voll sind. Die Menschen besitzen mehr Kleidung als je zuvor und werfen sie immer schneller weg, wie Studien von Organisationen wie Greenpeace zeigen. Die Kleiderschränke sind so sehr angewachsen, dass 50 Prozent der Klamotten gar nicht mehr getragen werden. Die Modeindustrie ist darauf angewiesen, Trends und andere Kaufanreize zu erzeugen, um auf einem gesättigten Markt weiterhin Gewinne zu erzielen, doch die Gründer von Asket suchten eine Alternative.

Eine Garderobe aus 41 essentiellen Kleidungsstücken. Bild: Asket

„Unsere Idee war es, die 20 Prozent der Kleidungsstücke zu betrachten, die wir tatsächlich immer benutzen", sagt Bard-Bringéus, "die Kleidungsstücke, die wir tagtäglich lieben und die wir immer benutzen werden."

Seit seiner Gründung hat Asket langsam und sorgfältig eine Garderobe mit 41 Modellen in bis zu acht Farben aufgebaut. "Zeitlose Essentials" aus der Herrenmode haben oft ähnliche Eigenschaften, erklärt der Mitbegründer. Sie besitzen eine Funktion aus den Bereichen Militär, Sport, Arbeitskleidung oder Uniformen, und einige sind Ikonen der Popkultur wie das weiße T-Shirt, das durch Schauspieler wie Marlon Brando und James Dean Popularität erlangte.

„Wenn wir ein bestimmtes Kleidungsstück historisch nicht finden können, wissen wir, dass es auch in Zukunft nicht sehr relevant sein wird", sagt er.

Die Marke begann 2015 mit einem einfachen weißen T-Shirt und fügte nach und nach Artikel wie ein Jahr später ein Oxford-Hemd und ein Paar Raw-Denim-Jeans 2019 hinzu. Eine Damenlinie wurde 2021 nach demselben Rezept eingeführt: Bevor Asket beschließt, ein Kleidungsstück in sein Sortiment aufzunehmen, wird das traditionelle Design in Frage gestellt und unter dem Blickwinkel der Funktionalität überarbeitet.

So hat Asket beispielsweise in den vergangenen Jahren die Münztaschen aus seinen Jeanshosen entfernt, weil Menschen Münzen nicht mehr so häufig benutzen. Der Verzicht auf traditionelle Designelemente wie diese bedeutet auch, dass zusätzliche Materialien und Kosten eingespart werden – aber Askets Neuinterpretation des modernen, funktionalen Kleidungsstücks geht noch weiter.

Absoluter Fokus auf Qualität

Eines der Hauptprobleme im Geschäft mit Mode und Konsumgütern ist, dass Unternehmen Kompromisse beim Produkt eingehen, sagt Bard-Bringéus.

Sein Unternehmen konzentriert sich nicht nur auf die Qualität der Kleidungsstücke vor der Markteinführung – zum Beispiel durch die Auswahl langlebiger, langstapeliger Baumwolle für seine T-Shirts – sondern verbessert die Artikel auch ständig. Das reine Kaschmir in den Pullovern wurde schließlich durch eine recycelte Version ersetzt.

„Wenn man nur sehr wenige Kleidungsstücke herstellt, muss man sich verdammt sicher sein, dass die Kundschaft das Produkt lieben wird. Es spielt keine Rolle, wie viel Geld wir für Werbung ausgeben, wenn die Leute das Produkt nicht lieben, wird es nicht funktionieren", sagt Bard-Bringéus.

Qualität steckt bei Joe Merino im Detail. Bild: Joe Merino

Dieser Ansatz – wenige, aber gut gemachte Kleidungsstücke anzubieten – wird auch von anderen Marken praktiziert, die saisonlose Essentials verkaufen und sich eine treue Fangemeinde aufbauen.

„Wir machen eigentlich keine Mode. Natürlich stellen wir Kleidungsstücke her, aber wir ändern nicht allzu viel. Wir konzentrieren uns nur auf Qualität, Größe und Passform und hören unserer Kundschaft aufmerksam zu", sagt Ron Beckers. Er gründete 2011 sein in Amsterdam ansässiges Herrenmode-Label Joe Merino, das sich auf hochwertige Wollkleidung für Männer spezialisiert hat.

Zeitlose Menswear

Der Modeveteran leitete 20 Jahre lang ein Damenlabel, war aber froh, dieses Segment verlassen zu haben, weil die Herrenmode weniger stark den Trends folgt.

„In den Grundformen bleibt es weitgehend stabil über viele, viele Jahre. Der Skinny-Trend war bei modischen Männern zum Beispiel mehr als acht Jahre lang angesagt", sagt Ulla Ertelt. „Die langfristige Modetrend-Entwicklung bei Männern unterstützt die Möglichkeit, zeitlose und saisonlose Mode für Männer anzubieten."

Diese Eigenheiten erklären, warum die meisten saisonlosen Modelabels im Herrenmode-Segment begonnen haben und dort erfolgreich sind. Allerdings ist dieser Markt immer noch kleiner, was zum Teil daran liegt, dass die Kleidungsstücke nicht so rasch durch schnelllebige Trends überholt werden. In Europas größtem Modemarkt, Deutschland, wird mit Herrenmode nur halb so viel Umsatz gemacht wie mit Damenmode, so Ertelt.

Wie groß ist der Markt für saisonlose Kleidung?

Um die Größe des Gesamtmarktes für saisonunabhängige Kleidung zu bestimmen, muss das jeweilige regionale Klima betrachtet werden. „Die saisonalen Schwankungen sind etwa vier Monate im Jahr, das heißt, rund acht Monate im Jahr kann man schon etwa die gleichen Qualitäten hier in Mitteleuropa tragen", sagt Ertelt, die noch mehr Potenzial bei Damenbekleidung sieht.

„Bei Frauen ist es etwas schwieriger, weil Modelle und Passformen viel komplexer sind. Aber ein höherer Prozentsatz könnte in vielen Bereichen der saisonlos sein”, fügt sie hinzu.

Die Vorlieben und die Stile unterscheiden sich je nach Land, was sich folglich auf die Größe der Zielgruppe auswirkt, die sich für zeitlose Mode interessiert. In Deutschland könnten etwa 50 Prozent der Artikel für Frauen über 30 zeitlos sein, sagt Ertelt. Viele Modeunternehmen konzentrierten sich auf Frauen zwischen 30 und 40 Jahren, aber diese Gruppe im mittleren Marktsegment sei nicht die größte, was die Ausgaben angeht.

Die größte Gruppe sind die sogenannten "Klassikerinnen", die als zurückhaltend gegenüber Modetrends und qualitätsorientiert beschrieben werden können und laut Ertelt 50 Prozent des deutschen Marktes für Damenmode ausmachen. Und diese Gruppe kauft bereits 50 Prozent ihrer Kleidung in wiederkehrenden Grundformen und Grundqualitäten.

Essentials aus Wolle für Männer, das simple Konzept von Joe Merino. Bild: Joe Merino

Loyale Fans

Das Konzept der saisonlosen Bekleidung ist nicht ganz neu. Viele Modeunternehmen bieten eine zeitlose Linie mit Never-out-of-Stock-Teilen an, die stets auf Lager sind und immer wieder gekauft werden können. Dieses Modell funktioniert am besten, wenn die Kund:innen dauerhaft gebunden werden können – zum Beispiel durch die Passform bei Hosen, erklärt Ertelt.

„Wenn eine Kundin sie entdeckt hat, dann kauft sie sie jahrelang unter dem Namen oder der Bezeichnung in verschiedenen Taillenhöhen oder Mustern, Farben und Qualitäten. Das bietet sich für ein nachhaltiges Geschäftsmodell an, da zuverlässig-investiv gekauft werden kann", fügt sie hinzu.

Marken wie Asket und Joe Merino haben das Konzept der saisonlosen und nie vergriffenen Teile weiterentwickelt und ihr gesamtes Geschäftsmodell darauf aufgebaut. Sie überzeugen ihre Kundschaft mit einem zeitlosen Konzept, das zuverlässige Qualität und Passform bietet.

„Wir verkaufen das ganze Jahr über und unsere Kundschaft ist sehr loyal. Die Menschen wissen, was sie kaufen, und wir liefern jedes Mal die gleiche Größe, so dass die Kund:innen sehr gerne wieder bestellen", sagt Ron Beckers. Seine Marke kann auf einen treuen und wiederkehrenden Stamm von rund 75.000 aktiven Kund:innen zählen, mit einer starken Marktposition in den Niederlanden, Belgien und Deutschland.

Direkter Draht zur Kundschaft

Ein stabiler Kreis an Stammkundschaft eignet sich auch für ein schlankes Direct-to-Consumer-Geschäftsmodell online, mit nur wenigen eigenen stationären Geschäften. Joe Merino betreibt vier Läden, Asket zählt zwei – und diese dienen hauptsächlich als Präsentationsflächen für die Marke, denn der Großteil des Geschäfts wird online abgewickelt. Der Verzicht auf den Großhandel – den Verkauf über andere Einzelhandelsunternehmen stationär und online – bedeutet, dass eine vergleichsweise hohe Qualität zu einem vernünftigen Preis angeboten werden kann.

Von Anfang an entschied sich Asket für einen dreifachen Aufschlag auf die Kosten, um die höchste Qualität zum günstigsten Preis zu erreichen. Der Verkauf über Großhandelskanäle hätte den Preis für die Kundschaft nochmal um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Die minimalistische Marke hinterfragt und eliminiert nicht nur Designelemente, sondern auch die gesamte Art und Weise, wie das konventionelle Modegeschäft betrieben wird.

„So sehen wir unser gesamtes Geschäftsmodell, unsere Lieferkette – ohne Zwischenhändler:innen, Agent:innen, riesige Ladennetze oder den Vertrieb über den Großhandel", sagt Bard-Bringéus. „Alles, was keinen Mehrwert bringt, muss weg."

Ron Beckers vor dem Amsterdamer Store von Joe Merino. Bild: Joe Merino

Vor ein paar Jahren lehnte Beckers ein Großhandelsangebot für Joe Merino von einem Kaufhaus ab – solche Angebote werden von vielen Marken normalerweise als Zeichen des Erfolgs und der Anerkennung gewertet. „Ich werde das nie wieder tun. Ich bin so froh, dass ich direkt an die Kund:innen verkaufe. Das macht mich jeden Tag glücklich."

Geschichten statt Sales

Eine weitere Gemeinsamkeit der saisonunabhängigen Marken besteht darin, dass sie ihre Produkte zum vollen Preis verkaufen. Das ist ungewöhnlich in einer Branche, die von Überbeständen geplagt wird und nicht auf Rabattschlachten verzichten kann, um Artikel zu verkaufen, die außerhalb der Saison oder nicht mehr im Trend liegen.

„In meinem früheren Leben war ich in der Damenmodebranche tätig, und wir mussten viele Altbestände mit Preisnachlässen versehen und unter dem Einstandspreis verkaufen. Immer und immer wieder", sagt Beckers. „In meiner gesamten Zeit bei Joe Merino habe ich kein einziges Teil mit einem Preisnachlass verkauft. Meine Kundschaft weiß das zu schätzen, weil sie nicht das Gefühl hat, das Falsche gekauft oder zu viel bezahlt zu haben", sagt Beckers. Kund:innen erhalten nur dann einen Rabatt, wenn sie mehr als einen Artikel kaufen, der zwischen 10 und 45 Euro liegt.

Ein saisonunabhängiges Geschäftsmodell in Kombination mit Artikeln, die nie ausverkauft sind, kann sehr vorteilhaft sein. Einzelhändler:innen, die Mud-Jeans führen, müssen keine Preisnachlässe auf die Produkte der niederländischen Marke gewähren, weil sie nicht saisonabhängig sind und immer nachbestellt werden können, sagt einer der Eigentümer Dion Vijgeboom.

Es sei auch hilfreich, dass Mud Jeans, das etwa 85 Prozent seiner Kollektion als "Never-out-of-Stock"-Artikel anbietet, keine Mindestbestellmengen von Einzelhändler:innen verlangt. „Damit wollen wir der Fast-Fashion-Bewegung etwas entgegensetzen und die Art und Weise fördern, wie wir unser Geschäft betreiben, nämlich nur das zu verkaufen, was die Leute brauchen, und nicht zu viel zu verlangen", erklärt er.

Die City-Kampagne der Never-out-of-Stock Kollektion von Mud Jeans. Bild: Mud Jeans

Statt Kund:innen mit Trends oder Preisnachlässen während des Schlussverkaufs zu ködern, nutzen die marketingversierten Marken ihre starke Onlinepräsenz, um durch das Erzählen von Geschichten Neues zu präsentieren. Als Pionier in diesem Bereich hat Mud Jeans viel über seine nachhaltigen Bemühungen zu berichten. Die Marke verkauft Denim aus Biobaumwolle, der am Ende seiner Nutzungsdauer zu Material für neue Kleidungsstücke recycelt wird. Außerdem gibt das Unternehmen an, dass bereits 40 Prozent seiner Kundschaft Jeans mieten, anstatt sie zu kaufen.

Auslaufende Modelle

„Mit unserem eigenen Shop sind wir online sehr stark. Dort können wir unsere Geschichte und unsere Philosophie erklären, wir müssen uns nicht nur auf unser Produkt konzentrieren", sagt Dion Vijgeboom. Die Denim-Marke bietet jedoch gelegentlich ein paar saisonale Artikel an, "um den Kollektionen etwas Schwung zu verpassen".

Und selbst bei saisonlosen Marken gibt es manchmal Modelle, die sich nicht über einen längeren Zeitraum hinweg bewähren. In diesem Fall lässt Mud Jeans sie auslaufen und wägt die Einführung einer neuen Passform oder Waschung ab.

Auch die Wollmarke Joe Merino nutzt kleinere Ergänzungen wie eine neue Farbe, um mit Kund:innen in Kontakt zu bleiben. „Ich halte meine Kundschaft mit neuen Styles, neuen Ideen und Wissen über Nachhaltigkeit auf dem Laufenden", sagt Beckers. „Wenn eine Farbe nicht so gut ankommt, bestellen wir sie nicht mehr oder machen eine sehr kleine Nachbestellung."

Lagerbestände und Lieferketten

Ein saisonloses Modell kann Modeunternehmen auch bei der Beschaffung entlasten. Während der Pandemie stornierten große Modeunternehmen Bestellungen bei ihren Lieferunternehmen, als sie auf die einbrechende Nachfrage reagieren mussten. Im Gegensatz dazu konnten Marken wie Joe Merino sogar von niedrigeren Wollpreisen und günstigen Währungsentwicklungen profitieren, weil sie es wagten, sich einzudecken. Das half, als sich die Nachfrage erholte und vielen Bekleidungsmarken die Bestände ausgingen.

„Wir haben nicht aufgehört, in Bestände zu investieren. Ich weiß, dass viele Unternehmen neue Aufträge eingefroren haben, wir haben weitergemacht, wir hatten gute Lagerbestände und konnten liefern. Das Wichtigste ist, dass wir zuversichtlich waren, dass es unserem Unternehmen gut gehen würde", erzählt Beckers. „Das einzige Risiko, das ich einging, war, dass ich weniger auf dem Konto hatte, und das andere Risiko war, dass ich die Produkte langsamer verkaufte. Das ist kein großes Risiko."

Herkömmliche Modeunternehmen könnten in einer solch unsicheren Situation nicht so entspannt sein, da sie von Grund auf daran gebunden sind, mit Saisons und Trends zu arbeiten. Solche Unternehmen haben es schwer, die Kosten wieder einzuspielen, wenn zu viele Artikel produziert und nicht oder nur mit hohen Preisabschlägen verkauft werden.

Mud Jeans hält seine Produkte und seine Lieferkette simpel. Bild: Mud Jeans

Das Angebot einer begrenzten Anzahl zeitloser Modelle kann auch dazu beitragen, eine schnelle und wendige Lieferkette zu schaffen, wie das Beispiel Mud Jeans zeigt. Im Gegensatz zur gängigen Praxis der Branche hat die Marke ihre Lieferantenbasis klein und nah gehalten: Die Baumwolle stammt von Farmen in Indien und der Türkei. Ein spanischer Lieferant ist für das Recycling und die Spinnerei zuständig, ein anderer liefert die Stoffe. Die Denim-Marke arbeitet nur mit sechs Stoffarten, so dass sie bei ihrem tunesischen Konfektionär schnell Mindestbestellmengen erreichen kann. Eine dort aufgegebene Bestellung trifft innerhalb von vier Wochen im niederländischen Lager ein.

Immer besser

„Aus Sicht der Lieferkette versuchen wir, alles so einfach wie möglich zu halten", erklärt Vijgeboom. „Das ist eine bewusste Entscheidung, denn so können wir Dinge sehr gut planen." Ein schneller Umschlag in der Lieferkette verringert den Druck auf die Finanzen der Marke und reduziert die Notwendigkeit, einen hohen Lagerbestand in den Niederlanden zu halten.

„Als wir anfingen, wussten wir noch nicht, dass die größte Stärke unseres Geschäftsmodells die dauerhafte Kollektion an sich ist", sagt Asket-Gründer Bard-Bringéus. „Das erscheint banal, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es das, was uns erlaubt, alles anders zu machen."

Marken, die eine feste Kollektion haben, können aufgrund ihrer Haltbarkeit unbegrenzt Ressourcen und Zeit in die Perfektionierung ihrer Produkte investieren, sagt er. Asket hat ein System zur vollständigen Rückverfolgbarkeit seiner Kleidungsstücke eingeführt und schlüsselt auch die Kosten der Teile auf, um seinen Kund:innen radikale Transparenz zu bieten. Mud Jeans hat es geschafft, seinen eigenen Kreislauf zu schließen, indem es Jeans herstellt, diebis zu 40 Prozent recycelten Denim enthalten – wahrscheinlich der höchste Grad an recyceltem Inhalt in Bekleidung, der bisher auf dem Markt ist.

Dion Vijgeboom, einer der Eigentümer der niederländischen Denimmarke Mud Jeans. Bild: Mud Jean

„Bei einem zeitlosen Modedesign kann es zu Kosteneinsparungen im Designbereich kommen", sagt Ertelt. Auf der Produktionsseite könne zeitlose Mode als Durchläufer zu einer gleichmäßigen Auslastung der Produktionsanlagen führen. Dies sei auch für größere Unternehmen interessant, fügt sie hinzu.

Bloß ein Nischenmodell?

Trotz einiger offensichtlicher Vorteile und des kontinuierlichen Erfolgs der Unternehmen – Joe Merino teilt mit, dass es ein "moderates" jährliches Umsatzwachstum von bis zu 30 Prozent erzielt und derzeit etwa 150.000 Artikel pro Jahr verkauft – bleibt die Frage, inwieweit ein saisonloser Ansatz die Modebranche in ihrer derzeitigen Größe und Form aufrechterhalten kann.

Nach Zahlen von Euromonitor erreichte die Branche 2021 einen Umsatz von 1,7 Billionen US-Dollar (1,59 Billionen Euro). Die Größe der saisonlosen Unternehmen wird von Modegiganten wie dem Zara-Eigentümer Inditex oder der schwedischen H&M-Gruppe in den Schatten gestellt. Denn diese nutzen Saisons und Trends, um Millionen, wenn nicht Milliarden von Kleidungsstücken pro Jahr zu verkaufen.

„Interessanterweise sind es die modischen Teile, die die Leute durch die Ladentüren bringen, aber am Ende kaufen sie doch mehr Basics. So gesehen könnten einzelne Marken eine saisonlose Never-Out-of-Stock-Kollektion fahren, aber ich glaube nicht, dass die Modebranche an sich davon leben kann”, sagt Achim Berg, Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey. „Am Ende des Tages sind die Kleiderschränke in der westlichen Welt voll, und ich muss Begehrlichkeit wecken, dass die Menschen überhaupt neue Teile kaufen. Das ist mit saisonlosen, eher basic-orientierten Produkten schwierig.”

Während der Pandemie erwiesen sich die saisonlosen Marken als widerstandsfähig. Als der Modekalender zum Stillstand kam und Schauen abgesagt und in Frage gestellt wurden, stapelten sich die unverkauften Kleidungsstücke, als die Geschäfte während wiederholter Lockdowns geschlossen wurden und die Nachfrage einbrach oder sich über Nacht auf gemütliche Loungewear verlagerte. Angesichts der offensichtlichen Unzulänglichkeiten begannen viele in der Branche, die unhaltbaren und unnachhaltigen Geschäftspraktiken in Frage zu stellen.

Skandinavisch minimalistisch und zeitlos. Bild: Asket

Obwohl Bekleidungskonzerne begannen, ihre Online-Präsenz auszubauen und lokale Lieferketten zu stärken, kehrte die Mode schnell wieder zur Tagesordnung zurück. Die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit nahmen zu. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit diese Bemühungen unter Greenwashing fallen, da die Mechanismen, die zu einer systematischen Überproduktion führen, weitgehend unangegangen bleiben.

„Es gibt natürlich auch für größere Unternehmen Möglichkeiten, diese Zeitlosigkeit als Stil in den Markt einzuführen", sagt Ertelt. „Die Schichten der Käufer:innen sind da. Davon bin ich überzeugt, auf die Dauer werden alle Modeunternehmen von der Entwicklung her nachhaltiger arbeiten müssen.”

Eine philosophische Frage

Trotz der Schwachstellen in der derzeitigen Modeindustrie, die zu Überproduktion führen, weist sie darauf hin, dass die Antwort auf die Frage, wie viel und welche Art von Kleidung wir letztendlich brauchen, auch eine philosophische Frage ist.

Ein weißes Basic-T-Shirt von Asket kostet 40 Euro. Die Marke rechtfertigt den Preis mit höherer Qualität – sie verwendet tatsächlich langstapelige Baumwollfasern, die haltbarer sind. Aber nicht jeder kann sich diesen Aufschlag für ein einfaches Baumwollteil leisten, das bei einem Bekleidungsfilialisten wie C&A im Zweierpack nur 12,99 Euro kostet.

„Die Durchschnittspreise pro Teil im Segment der zeitlosen, nachhaltigen Mode liegen 50 Prozent über dem Preis, den 50 Prozent der Menschen in Deutschland dafür ausgeben", sagt Ertelt.

Jede zweite Person hierzulande gehört zum preissensiblen Marktsegment, in dem Männer durchschnittlich 160 Euro und Frauen 240 Euro pro Jahr für Kleidung ausgeben, zeigen ihre Untersuchungen.

Denim von Mud Jeans als zeitloses Basic. Bild: Mud Jeans

Ein weiterer Aspekt, den man bei Labels wie Joe Merino oder Asket bedenken muss, ist, dass sie ihre permanenten Kollektionen auf den klassischen Teilen einer westlichen Garderobe aufbauen, in einem Stil, den manche als "Normcore" bezeichnen würden. Diese minimalistischen Kleidungsstücke gewannen eine treue Fangemeinde in Nord- und Mitteleuropa. Aber sprechen sie Menschen mit einem anderen Hintergrund oder einer anderen Persönlichkeit an, die ihre Identität über den Bedarf an Grundbekleidung hinaus auszudrücken wollen?

Viele Elemente von Labels mit Geschäftsmodellen, die auf einer permanenten Kollektion aufbauen, sind jedoch angesichts der kommenden Gesetze wie der neuen Textilstrategie der Europäischen Union aktuell und zutiefst relevant.

„Viele von uns haben früher in der Modeindustrie gearbeitet", sagt Vijgeboom. „Wir haben den Druck und die Habgier dieser Branche erlebt, das ist das Letzte, was wir fördern wollen."

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