Tendenz steigend: Insolvenzen überschatten zweites Halbjahr 2024
Wird geladen...
Der deutsche Modemarkt bleibt weiterhin herausfordernd und auch in der zweiten Jahreshälfte blieb es spannend, was die Zukunft vieler kleinerer und größerer Unternehmen angeht. Für offene Fragen, die sich klärten (Esprit, Scotch & Soda) warf das unsichere Einzelhandelsklima neue auf (Sinn, Gössl). Zum Jahresende sorgte die geplante Megafusion von Zalando und About You noch einmal für Gesprächsstoff.
Mit fast einem Viertel mehr Unternehmensinsolvenzen insgesamt als im Vorjahr - darunter deutlich mehr Großinsolvenzen - könnte 2024 die Weichen für das kommende Jahr stellen, in denen sie auf Rekordniveau steigen könnten, so die Wirtschaftsauskunft Creditreform. Hier ein Überblick über die Insolvenzen und Übernahmen der deutschen Modebranche in der zweiten Jahreshälfte.
Aus
Esprit
Anfang August war bekanntgeworden, dass der Modekonzern Esprit bis zum Jahresende alle seine 56 Filialen in Deutschland schließen werde. Rund 1.300 Mitarbeiter:innen verlieren deshalb ihren Job. Das Geschäft von Esprit wird zurzeit abgewickelt und die letzten Läden schlossen Ende November. Etliche Menschen brachten ihre Trauer zum Ausdruck.
Schuhquadrat
Das österreichische Nachfolgeunternehmen des Schuhhändlers Salamander/Delka ist insolvent. Das Insolvenzverfahren der Schuhquadrat GmbH, vormals Salamander Austria GmbH, wurde aufgrund eines Gläubiger:innenantrags im September eröffnet. Vergangenes Jahr trennte sich die Ara Gruppe in Österreich von den Einzelhandelsaktivitäten um Salamander Österreich und Delka. Trotz der Übernahme in Österreich war schon klar, dass es trotz Investor keine Fortführung für Salamander Österreich und Delka geben sollte. Dementsprechend wurden die Läden bereits im Sommer 2023 geschlossen und die Marke zog sich aus dem Schuhhandelsgeschäft zurück.
Übernahmen
Zalando und About You
Die deutschen Online-Modehändler Zalando SE und About You Holding SE wollen künftig gemeinsame Sache machen. Anfang Dezember verkündete Zalando, dass beide Unternehmen „eine Vereinbarung über einen strategischen Unternehmenszusammenschluss“ geschlossen hätten. Der Berliner Konzern werde den Anteilseigner:innen von About You nun ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für ihre Aktien unterbreiten. Der Vorstand und der Aufsichtsrat von About You beabsichtigen demnach, den Aktionär:innen die Annahme des Angebots zu empfehlen.
Rise Up Fashion und Snocks
Das Mannheimer Socken- und Wäschelabel Snocks übernahm im November die angeschlagene Rise Up Fashion GmbH, das Unternehmen hinter der Sportbekleidungsmarke Oceansapart. Über ein Tochterunternehmen sicherte sich das Label den operativen Geschäftsbetrieb des Webshops sowie das Warenlager des insolventen Bekleidungsanbieters. Die übertragende Sanierung erfolgte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. November. Über den Kaufpreis vereinbarten die Parteien Stillschweigen.
Tausendkind und Vertbaudet
Die Berliner Kindermodemarke Tausendkind wurde vom französischen Kidswear-Händler Vertbaudet übernommen. Tausendkind wird mit der Übernahme als Shop-in-Shop-Lösung in den Märkten Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) im Vertbaudet-Onlineshop angeboten.
Lovely Sisters
Die Habitu GmbH & Co. KG hinter der Marke Lovely Sisters befindet sich seit Mai in der vorläufigen Insolvenz. Doch für die Marke Lovely Sisters und einen Großteil der Mitarbeitenden soll es Rettung geben. Zum 1. Juli übernahm ein Investor die Marke Lovely Sisters und einen Großteil des Teams.
Neuanfang
Yeans Halle
Die Trender Jeansmode GmbH & Co. KG, Betreiberin des Modefilialisten Yeans Halle, hat ihre Sanierung abgeschlossen. Dem Insolvenzplan wurde von den Gläuber:innen zugestimmt und vom zuständigen Amtsgericht Stuttgart genehmigt. Das Verfahren ist damit abgeschlossen und das Unternehmen und der Rechtsträger bleiben erhalten. Rund 250 Mitarbeitende sind weiterhin für das Unternehmen tätig. Drei der 16 Standorte mussten schließen.
Scotch & Soda
Das Insolvenzverfahren für die Scotch & Soda Retail GmbH wurde Anfang September eröffnet und die meisten der 40 deutschen Standorte geschlossen. Dennoch soll die niederländische Bekleidungsmarke in Deutschland nicht von der Bildfläche verschwinden: Der US-Konzern Bluestar Alliance, dem die Markenrechte von Scotch & Soda gehören, hält am Markt fest. Die Investmentgesellschaft, zu der Marken wie Hurley, Catherine Malandrino und Tahari gehören, will einen Fokus auf die Wiedereinführung der Marke in den europäischen Schlüsselmärkten setzen. Dafür ist Bluestar nun auf der Suche nach neuen Partner:innen, die sich den Märkten annehmen. In Belgien und Österreich war die Strategie bereits erfolgreich.
Zukunft ungewiss
Sinn
Der Hagener Modehändler Sinn befindet sich in einem herkömmlichen Insolvenzverfahren, nachdem die Eigenverwaltung am 10. Dezember vom zuständigen Amtsgericht aufgehoben wurde. Der Verfahrenswechsel soll keine Auswirkungen auf die “sehr gut verlaufende Sanierung” haben, so die Verantwortlichen. Sie planen, den SanierungspIan noch vor Weihnachten beim Gericht einzureichen. Die Zukunft der Filialen ist ungewiss - während einige wie in Rheine und Hildesheim nicht weitergeführt werden, wird an anderen noch verhandelt.
Gössl
Der österreichische Trachten-Spezialist Gössl ist insolvent und für die Gesellschaften Gössl GmbH und Gössl Gwand GmbH wurden Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beim Amtsgericht Salzburg beantragt. Mit der Eröffnung der Verfahren sei „zeitnah zu rechnen“, so eine Mitteilung vom Dezember. Die beiden betroffenen Firmen sollen demnach „fortgeführt und saniert werden“. Die Gössl Trachten GmbH, die nicht operativ tätig ist, aber die Markenrechte von Gössl hält, ist nicht insolvenzverfangen.
Kodi
Der finanziell in Schieflage geratene Einzelhändler Kodi möchte sich über ein Schutzschirmverfahren sanieren. Die Kodi Diskontläden GmbH reichte im November beim Amtsgericht Duisburg einen entsprechenden Antrag ein. Ziel ist es, einen Sanierungsplan zu erarbeiten, mit dem das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen kommen kann. Der Geschäftsbetrieb mit bundesweit 238 Filialen wird derzeit mit allen 1.800 Beschäftigten uneingeschränkt weitergeführt.
Wilhelm Stift
Der österreichischen Einzelhändler Wilhelm Stift Gesellschaft m.b.H. & Co KG meldete im November Insolvenz an. Gründe seien unter anderem „pandemiebedingte Gewinneinbrüche, Preisdruck und Online-Konkurrenz aus dem Ausland sowie Fachpersonalmangel“, so die Gläubigerschutzorganisation Alpenländischer Kreditorenverband. Ein Sanierungsplanantrag ist von der Höhe der Verwertungserlöse abhängig. Neben dem Stammhaus Stift Mode in Tulln gibt es noch zwei weitere eigene Stores sowie als Franchisepartnerin zwei Filialen der Wäschemarke Palmers. Von der Insolvenz sind demnach insgesamt 37 Mitarbeiter:innen betroffen.
Baby Sweets
Der Onlinehändler für Kidswear Baby Sweets startete im Oktober ein Sanierungsverfahren in Eigenregie. Das zuständige Amtsgericht in Halle (Saale) genehmighte einen entsprechenden Antrag. Jetzt sucht Unternehmen nach Investor:innen, während der Geschäftsbetrieb derweil in vollem Umfang weiterläuft.
Lena Hoschek
Das auf Trachtenmode spezialisierte Label Lena Hoschek beantragte im Oktober am Handelsgericht Wien ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Als Gründe nannte es das allgemein rückläufige Konsumverhalten in der Modeindustrie sowie Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Einführung des neuen Online-Shops und eines neuen Enterprise-Resource-Planning-Systems (ERP-Systems). Hinzu kommt die bereits vor einiger Zeit wegen mangelnder Rentabilität eingestellte Kindermodelinie Bunny Bogart.
Trotz dieser Herausforderungen hält das 2005 gegründete Unternehmen an der Fortführung des Labels fest. Für die planmäßige Umsetzung der Frühjahr/Sommerkollektion 2025 wird derzeit aber nach einem unterstützenden Investor gesucht. Von der Insolvenz betroffen sind auch die beiden stationären Geschäfte des Labels in Wien und Graz sowie die insgesamt 47 Mitarbeiter:innen.
Signa
Der Kaufhaus- und Immobilien Signa meldete im November 2023 Insolvenz an, die auch mehrere Töchter und in der Entwicklung befindliche Projekte betraf und insgesamt als die größte Insolvenz in Österreich seit dem zweiten Weltkrieg gilt. Die Signa Holding beantragte im April ein Konkursverfahren. Signa-Eigentümer René Benko ist seit März selbst insolvent.
Sporthändler Sportscheck wurde nach der Insolvenz verkauft, ebenso der Warenhauskonzern Galeria und die Luxuskaufhäuser KaDeWe, Oberpollinger und Alsterhaus. Das insolvente Online-Outlet Dress-For-Less ging an den britischen Konkurrenten Secret Sales. Das noch im Bau befindliche Wiener Luxuskaufhaus Lamarr wurde jüngst an den Immobilieninvestor Georg Stumpf verkauft; die thailändische Central Group übernahm das operative Geschäft der Schweizer Warenhauskette Globus vollständig. Weitere Immobilienverkäufe gestalten sich schleppend.