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Deutsche Mode unter Druck: Insolvenzen und offene Fragen prägen das erste Halbjahr

Von Weixin Zha

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Business|Überblick
Credits: Aygin Kolaei für FashionUnited

Der deutsche Modemarkt ist herausfordernd und gerade deswegen in Bewegung. In der ersten Jahreshälfte gerieten viele kleinere und größere Unternehmen in finanzielle Nöte. Für einige gab es nach einer wiederholten Insolvenz keine Rettung mehr und bei anderen wie Esprit und Scotch & Soda ist noch unklar, wie es weitergeht. Ein Überblick über Insolvenzen und Übernahmen – von abgeschlossenen Fällen bis zu offenen Fragen.

Am Ende

Aus für Aachener

Der Krimi um den insolventen Bekleidungshändler Aachener endet mit der Einstellung des Geschäftsbetriebs Ende Juni. Alle zehn Filialen müssen schließen, rund 400 Mitarbeitende verlieren ihren Job. Das Ende kündigte sich schleichend an.

Aachener trat im vergangenen Jahr noch als Interessent an Galeria-Standorten ins Rampenlicht. Im März 2023 habe der Modehändler laut Geschäftsführer Friedrich Göbel Mietverträge für Häuser in Coburg, Cottbus, an der Frankfurter Zeil sowie in Nürnberg-Langwasser unterschrieben. Insgesamt plante Aachener zehn bis 25 Galeria-Standorte zu übernehmen und zu sogenannten Aachener Department Stores umzuwandeln.

Dann berichtete die Bild-Zeitung über einen Haftbefehl gegen Göbel. Auch die Eröffnungen der ehemaligen Galeria-Filialen ließen auf sich warten. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Göbel ist nicht mehr Geschäftsführer, Aachener muss im November Insolvenz anmelden, trotzdem hält das Unternehmen noch an der Übernahme der übernommenen Galeria-Filialen fest, bis es nicht mehr geht.

McTrek wird eingestellt

Der Outdoorhändler McTrek muss nach drei Jahrzehnten schließen. Elf Filialen und 87 Mitarbeitende sind betroffen. Im März musste die strauchelnde Kette zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren Insolvenz anmelden. Der Münchner Finanzinvestor GA Europe und die CM Solutions GmbH übernahmen 2020 das Geschäft, woraufhin 25 Läden geschlossen wurden. Zwei Jahre später übernimmt die Zeitfracht Gruppe den Outdoor-Händler. Aber auch dieser Schritt konnte das endgültige Aus nicht verhindern. Nun soll die Staatsanwaltschaft wegen Insolvenzverschleppung ermitteln.

Teilrettung für Modehaus Rübsamen

Das Augsburger Modehaus Rübsamen hat vergeblich versucht, das Stammhaus und 13 Filialen seit Mai 2023 zu sanieren. Das Traditionsunternehmen mit 120-jähriger Geschichte litt, wie viele andere, durch die Kaufzurückhaltung der Kund:innen aufgrund von Inflation und Rezession. Ein Insolvenzverfahren wurde im September eröffnet, aber die Sanierung gelang nicht und auch nicht die Übernahme durch Geschäftsführer Marcus Vorwohlt. Investoren interessierten sich nicht für die verbliebenen Filialen, außer zwei in Dachau und Friedberg.

Klingel Gruppe wird aufgelöst

Die in Pforzheim ansässige Klingel Gruppe musste Ende Januar ihren Geschäftsbetrieb aufgeben. Auch nach den Sanierungsbemühungen während der Insolvenz waren keine Investor:innen dazu bereit, den Versand-Konzern K - Mail Order GmbH & Co. KG als Ganzes zu übernehmen. Stattdessen wurden die einzelnen Marken nach und nach verkauft: Die Herrenmarke Babista ging an das Berliner Unternehmen Vanderstorm Ventures, die Plus-Size Marken Happysize, Meyermode und Miamoda an die Popken Fashion Group. Die Bruno Bader GmbH + Co. KG übernahm die Modemarke Monda und die Hauptgesellschaft und Marke Klingel. Mittlerweile sind mehr als zehn Marken verkauft, aber die Staatsanwaltschaft prüft, ob es zu Insolvenzdelikten kam.

Golfino gibt auf

Die Golfbekleidungsmarke Golfino stellt Ende Februar ihren Betrieb ein. Die einst zu den führenden Anbietern Europas gehörende Marke überlebte ihre zweite Insolvenz nicht. Im August war Golfino ein zweites Mal zahlungsunfähig und nannte gestiegene Kosten und Kaufzurückhaltung als Gründe. Bereits 2019 war das Unternehmen schon insolvent, woraufhin es von der britischen Beteiligungsgesellschaft Endless übernommen wurde.

Goldner übernimmt Madeleine

Der Damenmode-Anbieter Madeleine Mode GmbH hat seinen Betrieb im Januar eingestellt. Aus der Insolvenz gab es keine Rettung, etwa 200 Mitarbeitende haben ihre Arbeit verloren. Die Marke Madeleine, der Onlineshop und das Warenlager übernahm die Goldner Fashion Gruppe.

Müller & Meirer sichert sich Marke Bree

Der Taschenhersteller Bree schafft es nicht aus der zweiten Insolvenz innerhalb von fünf Jahren. Der Store in Österreich und acht Läden in Deutschland müssen schließen. Durch die Geschäftsaufgabe verlieren auch 40 Angestellte ihren Job. Die Rechte an der Marke Bree werden an die Müller & Meirer Lederwarenfabrik verkauft.

Aus für HR Group

Die frühere Reno-Mutter HR Group muss ihren Betrieb einstellen. Der Wholesale-Schuhhändler und Logistikanbieter war bei der Suche nach neuen Investor:innen nicht erfolgreich. Etwa 750 Mitarbeitende verlieren ihren Job.

Shoepassion schließt Läden

Die Berliner Shoepassion GmbH wird während des laufenden Insolvenzverfahrens saniert. Der einstige Online-Player, der bis zur Insolvenz im vergangenen Jahr zehn stationäre Geschäfte in Deutschland und Österreich eröffnet hatte, will sich wieder auf das Onlinegeschäft fokussieren. Sieben Geschäfte wurden bereits im Zuge der Insolvenz geschlossen. Die Läden in Berlin, Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart und Frankfurt sollen aber weitergeführt werden.

Es geht weiter

Galeria vorerst gerettet

Nach einer wiederholten Insolvenz findet der Warenhauskonzern Galeria seine Rettung Anfang Mai. Ein Konsortium aus der US-Investmentgesellschaft NRDC und der Beteiligungsfirma BB Kapital SA des Unternehmers Bernd Beetz will bis zu 100 Millionen Euro in die verbleibenden Filialen investieren. Mit der Zustimmung der Gläubiger:innen wurde auch die letzte Hürde Ende Mai genommen. Allerdings hat das Fortbestehen seinen Preis, deutschlandweit müssen etwa 16 Filialen schließen, 1400 Menschen verlieren ihre Arbeit.

L&T übernimmt Wormland

Der Menswear-Anbieter Theo Wormland GmbH ist seit Januar insolvent und hofft durch ein Schutzschirmverfahren wieder auf die Beine zu kommen. Trotz leicht gestiegenen Umsatzes gegenüber dem Vorjahr konnte das Unternehmen die wachsenden Kosten für Mieten, Energie und Personal nicht mehr decken. Die Investorensuche verlief zunächst erfolglos, ein Insolvenzverfahren eröffnete im März und drei Läden sollen schließen. Ende Juni wurde bekannt, dass es doch Rettung gibt: das Osnabrücker Familienunternehmen Lengermann & Trieschmann, auch bekannt als L&T, übernimmt die verbliebenen Filialen von Wormland.

Lieblingsstück wird übernommen

Die Markenrechte, der Onlineshop und das Warenlager des Damenlabels Lieblingsstück werden von der Lovely Brands GmbH & Co aus dem bayerischen Aichach übernommen. Die neue Eigentümerin behält auch ein Drittel der Arbeitsplätze am Unternehmenssitz in Rosenheim. Lieblingsstück stand zwischenzeitlich vor dem Aus, nachdem die Betreibergesellschaft SLT GmbH Service & Logistik für Textilien, zu der die Marke zu diesem Zeitpunkt noch gehörte, kurz vor Weihnachten Insolvenz anmelden musste.

Sportscheck auf der Zielgeraden

Das Ringen um die Zukunft von Sportscheck scheint vorerst ein Ende zu haben. Die italienische Cisalfa Group hat die insolvente Handelskette aufgekauft und will sogar expandieren. Aber auch diese Übernahme hatte ihren Preis. In der Münchener Zentrale werden 80 Stellen gestrichen, außerdem müssen vier Filialen und ein Outlet schließen.

Die Handelskette musste im Zuge der Krise des vorigen Eigentümers Signa im November Insolvenz anmelden. Daraufhin endete die zuvor unterzeichnete Übernahmevereinbarung des britischen Handelskonzerns Fraser Group.

Schuhhaus Kocken saniert sich

Schuhhaus Kocken GmbH & Co muss vier von 16 Standorten schließen und 11 Mitarbeitende verlieren ihre Jobs. Mit diesen Schritten hofft das 1949 gegründete Familienunternehmen, die Insolvenz hinter sich zu lassen und sich für die Zukunft neu aufzustellen.

KaDeWe geht an Central

Die drei Luxuskaufhäuser KaDeWe, Oberpollinger und Alsterhaus Hamburg werden vollständig von der thailändischen Central Group übernommen. Diese hielt auch schon vor der vollständigen Übernahme des Geschäftsbetriebs 50,1 Prozent der Unternehmensanteile. Die Insolvenz der KaDeWe Group im Zuge der Krise beim Mutterkonzern Signa warf auch Fragen über die Wirtschaftlichkeit der Kaufhäuser auf.

Zukunft offen

Sør

Der Herrenausstatter Sør meldet im März erneut Insolvenz an. Es ist die zweite innerhalb von drei Jahren. Der Modehersteller Van Laack hatte die insolvente Kette 2021 übernommen. Das Mutterunternehmen Bonavest GmbH hofft nun, durch die Schließung von acht Filialen und dem Abbau von 30 Arbeitsplätzen im Spätherbst das Eigenverwaltungsverfahren hinter sich zu lassen.

Muji

Der japanische Einzelhändler Muji will sein Europa-Geschäft mit einem Insolvenzverfahren, das seit März läuft, neu aufstellen. Der Insolvenzantrag soll keine unmittelbaren Folgen für die Mitarbeiter:innen und Kund:innen in Europa haben.

Saga um Signa hat noch kein Ende

Der Kaufhaus- und Immobilien Signa steckt seit Herbst vergangenen Jahres in einer Krise. Dieses riss im laufenden Jahr auch mehrere Töchter und Projekte in der Entwicklung mit sich. Die Signa Holding beantragte im April ein Konkursverfahren. Der Sporthändler Sportscheck wird nach der Insolvenz verkauft, ebenso der Warenhauskonzern Galeria und die Luxuskaufhäuser KaDeWe, Oberpollinger und Alsterhaus. Das insolvente Online-Outlet Dress-For-Less wird an den britischen Konkurrenten Secret Sales abgetreten. Der Signa-Eigentümer René Benko ist seit März selbst insolvent.

Wie es für das noch im Bau befindliche, aber bereits insolvente Wiener Luxuskaufhaus Lamarr weitergeht, ist noch unklar. Auch bei der geplanten Düsseldorfer Luxusdestination Carsch-Haus gibt es seit November einen Baustopp.

Scotch & Soda

Die Insolvenz der Dachgesellschaft Scotch & Soda Europe BV trifft auch die mehr als 40 deutschen Standorte der Amsterdamer Marke. Für diese werden nun Investor:innen gesucht. Die niederländischen Stores sollen schließen. Aber zwischenzeitlich spricht der Eigentümer Bluestar Alliance in einem Interview von neuen Filialeröffnungen.

Wer hat Interesse an Esprit?

Nach verlustreichen Jahren meldet der Modekonzern Esprit im Mai erneut Insolvenz an. Die Esprit Europe GmbH, sechs weitere deutsche Gesellschaften, sowie Töchter in der Schweiz, Österreich und Belgien sind betroffen. Der Konzern versuchte die Markenrechte in China zu veräußern, konnte aber keine Abnehmerin finden. Auch für das Europageschäft werden seit ein paar Monaten Interessenten gesucht, aber zumindest von dem Modekonzern CBR Group ist bekannt, dass er wieder abgesprungen ist. In der Zwischenzeit schlossen 40 Esprit-Stores in Deutschland, die von der PTH Group betrieben worden waren.

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