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Nachhaltige Textilinnovationen: Pilzleder

Von Simone Preuss

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Angesichts schwindender Ressourcen, die besonders durch Naturfasern wie Baumwolle erschöpft werden, und der Umweltbelastung erdölbasierter Fasern wie Acryl, Polyester, Nylon und Spandex, ist es höchste Zeit, nach nachhaltigen Alternativen Ausschau zu halten. In dieser Serie untersucht FashionUnited oft überraschende nachhaltige Alternativen und Textilinnovationen aus der ganzen Welt. Hier geht es um veganes Leder, das aus Pilzen gewonnen wird.

Das Berliner Unternehmen Zvnder spezialisiert sich auf die Herstellung von Accessoires wie Geldbörsen, Brustbeuteln, Kappen und Uhren, die aus Zunderschwamm-Leder gemacht werden. Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) ist ein Baumpilz, der aufgrund seiner Eigenschaft, Wasser zu binden, als Schwamm bezeichnet wird.

Er ist ein Parasit, der geschwächte Laubbäume wie Birken und Buchen befällt und am Stamm dicke Fruchtkörper bildet, die über mehrere Jahre bestehen und einen Durchmesser von bis zu 30 Zentimeter erreichen können. Aufgrund seiner früheren Verwendung als Brennanzünder erhielt er den Namen 'Zunderschwamm'.

Pilzleder hat viele vorteilhafte Eigenschaften

Das gewonnene Material ist organisch, gluten- und chemikalienfrei und hat eine marmorierte, samtige Oberfläche. Es ähnelt nur optisch einem tierischen Leder, ist jedoch ein veganes Produkt mit stark absorbierenden, antibakteriellen und antiseptischen Eigenschaften. Der hohe Anteil an Luft verleiht dem Material seine Leichtigkeit und hat gleichzeitig einen isolierenden Effekt.

Beschafft wird das Material im rumänischen Transsilvanien, auch Siebenbürgen genannt, einer Region mit einem hohen Vorkommen an Zunderschwämmen. Dementsprechend wird die Zunderschwammverarbeitung seit Generationen praktiziert und Zvnder setzt auf das langjährige Wissen und die einzigartige qualitative Verarbeitung der dort ansässigen Familienbetriebe. Diese ernten den Pilz in naturschonender Hand-Ernte und trocknen ihn bis zu einem Jahr. Anschließend wird er geschält und aufwendig von Hand weiter verarbeitet.

„Für das Sammeln der Pilze erhalten die Familienbetriebe Zertifikate. Dadurch können die Fruchtkörper der Baumpilze mit Sorgfalt geerntet und der Artenerhalt gesichert werden. Während der Aufbereitung kommen keinerlei Chemikalien zum Einsatz. Die anfallenden Reststoffe bei der Verarbeitung finden beispielsweise als Räucherware in der Bienenzucht Anwendung“, erklärt das Unternehmen.

In einem kleinen Studio in Berlin-Lichtenberg wird das handgefertigte Zunderschwamm-Leder dann weiterverarbeitet. Dabei werden die Materialeigenschaften den Produktansprüchen angepasst, etwa um das absorbierende Zunderschwamm-Leder vor Nässe zu schützen und es strapazierfähiger zu machen. Neben der Herstellung von Kompositen aus Biotextilien und Pilzleder werden auch verschiedene Beschichtungen verwendet.

Alle Teile des Zunderschwamms können verwendet werden

Da Zvnder auf die ganzheitliche Nutzung des Zunderschwamms als Rohstoff setzt, gibt es keinen Abfall, denn selbst aus dem Ausschuss des Zundeschwamm-Leders werden Fasern gewonnen, die beispielsweise in Einlegesohlen verarbeitet werden. „Die stark absorbierenden Fasern können viel Feuchtigkeit im Schuh aufnehmen. Bei direktem Hautkontakt gab es schon erfolgreiche Tests zur Verbesserung bei Fußpilz. Auch als Uhrenarmbänder können die Fasern Hautreizungen von Neurodermitis-Betroffenen vorbeugen“, so Zvnder.

Die heilende Wirkung des Zunderschwamms ist bereits seit Jahrhunderten bekannt und wurde jüngst durch eine Studie belegt wurde, die die medizinische Wirkung des 1,3/1,6-ß-D-Glucan-Chitin-Melanin Anteils von Zunderschwamm-Fasern nachwies. Zunderschwamm wird bereits in Kosmetikprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln als Mittel gegen Neurodermitis und zur Stärkung des Immunsystems verwendet.

Schuhe aus Pilzleder: Kooperation mit nat-2

„Die natürlichen, veganen und individuellen Eigenschaften des Zunderschwamm-Materials machen jedes Produkt zu einem Unikat“, verspricht das Unternehmen. Es bietet daher keine Massenprodukte an, arbeitet aber an einer ständigen Erweiterung seiner Produktlinie - wie etwa einem Sneaker aus Pilzleder in Zusammenarbeit mit dem deutschen Unternehmen nat-2, das eine Fungi-Line gestartet hat.

„Das 'Pilzleder' ist in seiner Haptik unglaublich weich und optisch einziartig gemasert. Indem das Material beidseitig eingesetzt wird, entstehen interessante Kontraste und Kombinationen“, sagt nat-2 über den Schuh. Das von Zvnder gelieferte Basismaterial wird mit anderen innovativen, hochwertigen Materialien wie Korkinnensohlen, Biobaumwoll-Frottee, Microfaser-Velour aus recycelten PET-Flaschen und Echtgummisohlen kombiniert. Produziert wird der Schuh dann von Hand fair in einem kleinen Familienbetrieb in Italien.

Bei Kooperationen sollte bedacht werden, dass Pilzleder ein Nischenprodukt und die Stückzahl daher begrenzt ist. „Wie bei der Lederproduktion gibt es unterschiedliche Größen und Qualitäten der Lederstücke. Die Schnittmuster werden bei der Produktion von Hand gelegt“, ergänzt Zvnder.

Zvnder wurde 2017 gegründet und basiert auf der weiterentwickelten Masterarbeit der Designerin Nina Fabert an der Kunsthochschule Berlin Weißensee, die sich mit der traditionelle Verarbeitung des Zunderschwamms beschäftigt. Umfangreiche Materialstudien und -konzepte folgten, die 2016 als künstlerische Objekte in der Berliner Ausstellung „+ultra. -gestalten schafft wissen“ gezeigt wurden. Zudem wurde das Projekt 2015 mit dem Nachwuchsstipendium der Elsa-Neuman-Stiftung ausgezeichnet und wurde für den Deutschen Designpreis 2018 nominiert.

Anm. der Redaktion: In diesem Beitrag wurde der Begriff Leder einmalig durch Material wurde auf Bitte des Unternehmens ersetzt, da es derzeit ein Uneinigkeit über die Verwendung des Wortes Leder in Zusammenhang mit nicht-tierischen Produkten geht. Die Änderung betrifft nur ein Zitat von der Website von Zunder.

Fotos: alle Zvnder bis auf Zunderschwamm: George Chernilevsky / Wikipedia und nat-2 Fungi Line: nat-2
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