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Jahresrückblick Insolvenzen: Auf Corona folgen Inflation und Konsumflaute

Von Jan Schroder

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Bild: Galeria Karstadt Kaufhof GmbH

Nach zwei Jahren im Zeichen der Covid-19-Pandemie sollte 2022 für den deutschen Mode- und Schuhhandel eigentlich eine Rückkehr zur Normalität bringen. Die größten Belastungen der Branche – zeitweilig angeordnete Ladenschließungen oder Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und 2G-Regeln – gehörten der Vergangenheit an.

Doch die Hoffnung auf ein vergleichsweise unbeschwertes Jahr währte nur wenige Wochen: Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar sah sich der Einzelhandel plötzlich mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Massiv ansteigende Energiepreise trieben die Inflation in ungeahnte Höhen, daraufhin sank die Stimmung der Verbraucher:innen bis zum Herbst auf immer neue Tiefststände.

Das hatte Folgen für die Branche: Angesichts der widrigen Rahmenbedingungen gerieten zahlreiche Einzelhändler in finanzielle Schwierigkeiten, dringend benötigte Geldgeber machten sich rar. Letztlich blieb daher auch einigen namhaften Unternehmen nichts anderes übrig, als den Weg zum Insolvenzgericht anzutreten.

Weitere Schließungen geplant: Galeria Karstadt Kaufhof durchläuft das zweite Schutzschirmverfahren innerhalb von zwei Jahren

Der prominenteste Fall hierzulande war keine große Überraschung. Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof schwächelt bereits seit Jahren, erst 2020 hatte er ein Insolvenzverfahren durchlaufen und rund vierzig Filialen geschlossen. Angesichts der hohen Energiepreise und der steigenden Verunsicherung der Verbraucher:innen geriet der Einzelhändler nun erneut in eine „bedrohliche Lage“, wie Konzernchef Miguel Müllenbach im Herbst in einem Brief an die Mitarbeiter:innen einräumen musste.

Galeria-Filiale an der Frankfurter Hauptwache (Bild: FashionUnited)

Nach gescheiterten Verhandlungen über neue Staatshilfen musste das Unternehmen, das in den vergangenen Jahren bereits Hilfsgelder in Höhe von insgesamt 600 Millionen Euro erhalten hatte, Ende Oktober erneut ein Schutzschirmverfahren beantragen. Nun drohen weitere gravierende Einschnitte. Zahlreiche unprofitable Standorte sollen aufgegeben werden. Wie viele der zuletzt noch 131 Filialen vorerst überleben werden, will das Unternehmen im Anschluss an die derzeit noch laufenden Analysen und Verhandlungen mit Vermieter:innen im Januar verkünden. Angesichts der erneuten Krise beim letzten großen deutschen Warenhausbetreiber lebte auch die Diskussion wieder auf, ob das Geschäftsmodell überhaupt noch eine Zukunft hat.

Auch der Schuhhändler Görtz leidet unter den widrigen Rahmenbedingungen

Die sich zunehmend verschlechternden Rahmenbedingungen brachten auch andere Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten. So musste der Hamburger Schuhhändler Ludwig Görtz GmbH im September ein Schutzschirmverfahren für die Dachgesellschaft sowie Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für die beiden operativen Töchter Görtz Retail GmbH und Görtz Logistik GmbH beantragen.

Bild: Görtz

Das Traditionsunternehmen begründete den Schritt mit „deutlichen Umsatzrückgängen“ aufgrund der zunehmenden „Kaufzurückhaltung“ der Verbraucher:innen angesichts der hohen Inflation. Im Rahmen des laufenden Sanierungsprogramms wird auch der Schuhhändler aus vielen Einkaufsstraßen verschwinden. Die konkrete Zahl der Schließungen steht derzeit noch nicht fest. Zu Beginn des Verfahrens hatte Görtz rund 160 Filialen in Deutschland und Österreich betrieben.

Weitere Insolvenzfälle in der Footwear-Branche

Neben dem Branchenriesen Görtz erwischte es auch eine Reihe weiterer Unternehmen aus der Schuhbranche. So mussten im Laufe des Jahres die beiden zur Hamm-Gruppe gehörenden Gesellschaften HC Footwear GmbH und HS Footwear GmbH Insolvenz anmelden. Für die Marke Camel Active hatte das im Mai verkündete Aus des Schuhlizenz-Partners HC Footwear gravierende Folgen. Sowohl in der aktuellen Herbst-Winter-Saison als auch im kommenden Frühjahr können keine neuen Schuhkollektionen des Labels angeboten werden. Der Neustart von Camel Active Shoes soll nun in der Saison Herbst/Winter 2023 mit dem neuen Lizenzpartner Gerli gelingen.

Zahlreiche weitere Schuhanbieter gerieten in finanzielle Nöte. Im September musste der Onlinehändler Surf4shoes GmbH, an dem die HR-Gruppe mehrheitlich beteiligt ist, Insolvenz anmelden, im Dezember folgte die Gebrüder Götz GmbH, die gerade erst ein entsprechendes Verfahren hinter sich hatte.

Kurz vor dem Jahreswechsel beantragte schließlich die Ara AG Schutzschirmverfahren für die Handelsketten Klauser GmbH & Co. KG und Salamander Deutschland GmbH & Co. KG. Wiederum wurde die Konsumflaute infolge der hohen Inflation als Begründung angeführt. Diese habe es den Unternehmen unmöglich gemacht, während der Corona-Jahre erlittene Umsatzeinbußen wettzumachen.

Bild: Vögele Shoes

Während die meisten betroffenen Unternehmen ihren Geschäftsbetrieb fortsetzten und die Sanierung im Rahmen der laufenden Insolvenzverfahren anstreben, kam für die schweizerische Handelskette Vögele Shoes das endgültige Aus. Die Betreibergesellschaft Karl Vögele AG, die seit 2021 der in Hannover ansässigen Cm.shoes GmbH gehört und im Sommer Insolvenz angemeldet hatte, brach ihre Rettungsbemühungen Ende November vorzeitig ab und schließt nun bis zum Jahresende alle 27 Filialen.

International: Missguided, Joules und Kings of Indigo setzen nach der Insolvenz auf neue Eigentümer:innen

Im deutschen Textilhandel blieben spektakuläre Insolvenzfälle aus, nachdem in den vergangenen Jahren unter anderem namhafte Anbieter wie beispielsweise Gerry Weber, Bonita, Hallhuber, Esprit und Adler betroffen gewesen waren. 2022 gerieten eher mittelständische Unternehmen in Schwierigkeiten, wie beispielsweise der Münchener Einzelhändler Keller Group GmbH, der Ende November ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragte. Hier hatten nach Angaben des Unternehmens neben Lieferkettenproblemen wiederum „die deutlich verschlechterten Konsumenten- und Marktbedingungen aufgrund des Ukraine-Krieges“ für Liquiditätsengpässe gesorgt.

Bild: Kings of Indigo

International blieb das Jahr nach den vielen Pleiten von Großunternehmen in den vergangenen Jahren ebenfalls vergleichsweise ruhig. Doch auch 2022 mussten bekannte Marken wie der britische Fast-Fashion-Anbieter Missguided, der Bekleidungsanbieter Joules oder das niederländische Denim-Label Kings of Indigo nach gescheiterten Sanierungsversuchen Insolvenz anmelden. Nachdem Missguided umgehend vom britischen Handelskonzern Frasers Group und Joules vom Modekonzern Next übernommen wurde, will nun auch Kings of Indigo mit neuen Eigentümer:innen wieder durchstarten.

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