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Beschaffung: Was tut sich in Pakistan?

Von Simone Preuss

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Nach dem Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes in der Nähe von Dhaka im April 2013 haben sich die Anstrengungen der Bekleidungsindustrie weltweit auf Bangladesch konzentriert, um die Bekleidungsfabriken und das Leben der Arbeiter dort sicherer zu machen. Aber was ist mit Nachbarländern wie Pakistan, Indien und Sri Lanka? Sie setzen ebenfalls auf die Bekleidungsindustrie als wichtigen Arbeitgeber, aber wie sicher sind ihre Fabriken? FashionUnited hat die letzten Entwicklungen der Branche in Pakistan zusammengestellt.

Der Jahrestag des verheerenden Brands bei Ali Enterprisesin der Nähe von Karatschi, der mehr als 250 Arbeitern das Leben kostete, jährte sich am 11. September 2012 zum fünften Mal. Die Kampagne für Saubere Kleidung zog Bilanz und resümmierte in in ihrer jüngsten Presseerklärung, “dass in Abwesenheit von glaubwürdigen und transparenten Sicherheitsinspektionen die Bekleidungsfabriken in Pakistan weiterhin unsichere Arbeitsplätze bleiben. Das bedeutet, dass Tausenden von Arbeiter/innen weiterhin täglich droht, bei der Arbeit verletzt oder getötet zu werden”.

Dabei wird Pakistan von der internationalen Branche nicht vergessen - es ist und bleibt ein begehrtes Herstellungsland, das auch als Baumwollproduzent große Chancen bietet. Erst Anfang des Jahres hatten die Better Cotton Initiative (BCI) und Cotton Australia angekündigt, ab der Baumwollsaison 2017 225.000 pakistanische Baumwollbauern ausbilden zu wollen, um bessere soziale, wirtschaftliche und umweltfreundlichere Techniken gemäß der BCI Standards einzuführen.

Im Februar machte das italienische Mode- und Lifestyle-Magazin Grazia einen Vorstoss ins Land und startete eine eigene pakistanische Grazia-Ausgabe. Dass es dort eine reiche Modetradition gibt, hatten erst kürzlich pakistanische Star-Designer wie Hassan Shehryar Yasin, Zahid Khan, Maheen Aduan und Fahad Hussayn in Berlin bewiesen.

Im Jahr 2016, vier Jahre nach dem oben erwähnten Brandunglück in der Textilfabrik Ali Enterprises, stellte der Textildiscounter KiK weitere 5,15 Millionen US-Dollar für die Betroffenen des Brandes zur Verfügung. Zusammen mit der bereits direkt nach dem Unglück im September 2012 gezahlten Soforthilfe in Höhe von 1 Million US-Dollar beträgt die finanzielle Unterstützung von KiK damit 6,15 Millionen US-Dollar.

Im April 2016 hatte Pakistans Wirtschaftsministerium versprochen, Textilien von der Mehrwertsteuer zu befreien und ihren Prozentsatz ab 1. Juli 2016 auf Null zu setzen. Damit soll die sich wirtschaftlich gut entwickelnde pakistanische Textil- und Bekleidungsindustrie weiter gefördert werden.

Im November 2015, nachdem es seine e-Commerce-Richtlinien lockerte, lud Pakistan die Online-Riesen PayPal und Alibaba ein, um zu veranlassen, dass diese bald ihre Dienste im Land anbieten können. Immer noch verlassen sich viele Händler vor Ort auf Nachnahmesendungen statt auf Onlinezahlungen.

Die deutschen Gewerkschaften DGB, Ver.di und IG-Metall solidarisierten sich mit Textilarbeitern und -arbeiterinnen in Pakistan und riefen im September 2014, zum zweiten Jahrestag des Brandunglücks in der Fabrik Ali Enterprises, zu mehr öffentlichem Handeln und Hilfe für pakistanische Textilarbeiterauf.

Dank APS+-Status, der für Pakistan ab 1. Januar 2014 in Kraft trat, legten für das Geschäftsjahr, das am 30. Juni 2014 endete, die Textil- und Bekleidungsexporte um 5,3 Prozent zu und erreichten 13,7 Milliarden US-Dollar. Textilminister Abbas Khan Afridi führte das allgemeine Wachstum im Jahr 2014 auf einen Anstieg der Exporte in die EU um 18 Prozent zurück, der durch den neuen APS+ Status Pakistans angekurbelt wurde.

Im Juli 2014 leitete Rechtsanwalt Faisal Siddiqi, der die Überlebenden und Hinterbliebenen der Opfer von Karatschi vertrat, eine Klage gegen Behörden und Fabrikbesitzer ein und stellt damit die Textilindustrie an den Pranger. Vertreter von Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen verwiesen auf die tiefere Ursache der Tragödie, nämlich das System der Billigproduktion von Kleidung in Asien für europäische Kunden.

Bereits im Juli 2013 fragte FashionUnited, ob Auftraggeber den Preis von Billigprodukten zahlen?. “Der Schwerpunkt der öffentlichen Debatte ist eindeutig auf die großen Akteure der Textil- und Bekleidungsindustrie gerichtet, denn sie ist sehr konzentriert: Die 50 größten Unternehmen erwirtschaften 65 Prozent des Umsatzes. Ihre Handlungen, seien sie positiv oder negativ, sprechen deutlich für sich, da sie im Vordergrund stehen”, stellte der Artikel heraus.

Im März 2013, kurz vor dem Rana Plaza-Unglück, aber nach einer Reihe von Fabrikbränden in Bangladesch und Pakistan, veröffentlichten das niederländische Forschungszentrum SOMO und die Kampagne für Saubere Kleidung den Bericht “Fatal Fashion”, der die beiden letzten schweren Brandunglücke in Textilfabriken in untersuchte.

Nach den jüngsten Brandkatastrophen in Zulieferländern wie Bangladesch und Pakistan will auch die deutsche Modebranche aktiv werden. Der German Fashion Modeverband Deutschland e.V., der rund 270 deutsche Modemarken repräsentiert, will jetzt für mehr Transparenz bei der Beschaffung sorgen. Konkret kooperiert der Verband mit dem New Yorker Unternehmen Tradegood, das anhand seiner Beschaffungsdatenbank Einkäufer und Lieferanten weltweit miteinander in Kontakt bringt. Verschiedene Branchenverbände benutzen Tradegood bereits, darunter die Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association.

Davor forderte auch die EU mehr Sicherheit in Textilfabriken und stellte im Januar 2013 eine Resolution zusammen, in der internationale Bekleidungsfirmen aufgefordert wurden, ihre Lieferketten kritisch zu überprüfen.

Die New Yorker Gruppe Social Accountability International (SAI) hatte im November 2012 eine genaue Untersuchung seiner Betriebsprüfungsmethoden angefangen, da sie mit der Kontrolle von Fabriken und dem Ausstellen von Zertifikationen betraut war und Ali Enterprises nur einen Monat vor dem Unglück noch eine Gesundheitsbescheinigung ausgestellt hatte. Angesichts vergitterter Fenster, versperrter Notausgänge und schlechter Belüftung fragt man sich, wie dies geschehen konnte.

Nur wenige Tage nach dem Brandunglück bei Ali Enterprises hatte die pakistanische Textil- und Bekleidungsindustrie festgestellt, dass die Exporte unter den Folgen des Brandunglücks litten. Bereits im Oktober taten sich Pakistans Ministerium für Textilindustrie (Mintex), die Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und die kanadischen Organisation für internationale Entwicklung zusammen, um dem entgegenzuwirken und ein

Ausbildungsprojekt

ins Leben zu rufen, das in den nächsten anderthalb Jahren 600 Lehrlinge ausbilden und so die Anzahl der qualifizierten Arbeitskräfte im Land erhöhen sollte.

Bereits drei Tage nach dem Unglück bei Ali Enterprises wurden weltweite Forderungen laut, die

Arbeitsbedingungen im Textil- und Bekleidungssektor in Pakistan und anderen Ländern zu verbessern. “Diese Todesfälle hätten vermieden werden können,” sagte Sam Maher von der britischen Anti-Sweatshop-Organisation Labour Behind the Label. In Pakistan protestierten Gewerkschaften und Arbeitergruppen, um auf die Situation aufmerksam zu machen.

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Im Juli 2012 hatten die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die All Pakistan Textile Mills Association (APTMA) ein umweltfreundliches Produktionszentrum in Lahore angekündigt, das unter den teilnehmenden Textilfabriken Energieeffizienz und sauberere Produktionstechnologien fördern sollet. Ebenso folgten Workshops zum Thema Energiemanagment.

Wie man sieht erregten die Brände in den Bekleidungsfabriken Pakistans schon früh internationales Aufsehen und Forderungen nach einer Verbesserung der Zustände wurden laut. Allerdings scheint es, dass Auftraggeber und andere Akteure der Branche nach dem Rana Plaza-Unglück ihre Anstrengungen nach Bangladesch verlagerten. Jetzt scheint es an der Zeit, damalige Versprechungen zu erfüllen und Pakistan endlich die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihm als wichtigem Beschaffungsland zusteht.

Foto: Website der Kampagne für Saubere Kleidung
Beschaffung
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