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Regenerativ, grün und langlebig - die Nachhaltigkeitsbemühungen im 2. Quartal

Von Simone Preuss

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GreenChange bei Kaufhaus Woha Drexel in Crailsheim. Bild: EK Fashion

Auch das zweite Quartal des Jahres gestaltete sich spannend, was die Nachhaltigkeitsbemühungen der Branche angingen. Wohl das heißeste Thema derzeit - regenerative Mode. FashionUnited untersuchte, was es ist und warum „nachhaltig“ bald nicht mehr ausreichen könnte.

Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche präsenter geworden ist, ist ökologisch produzierte Kleidung noch kaum im herkömmlichen Multilabel-Handel zu finden. Der Einkaufsverbund EK Fashion bietet dem Handel mit seinen Green-Change-Flächen die Möglichkeit, nachhaltige Marken zu testen, bevor sie ins Sortiment aufgenommen werden. Im Gespräch mit FashionUnited sprach Account-Manager Marco Schütte darüber, wie die temporären Flächen von EK Fashion bisher laufen und warum es noch zu wenig grüne Mode im konventionellen Handel gibt.

Die Future Supplier Initiative, die von The Fashion Pact in Zusammenarbeit mit dem Apparel Impact Institute, der Nachhaltigkeitsberatung Guidehouse und einer der größten Banken Südostasiens, DBS Bank, durchgeführt wird, bringt einige der größten Modemarken zusammen, darunter Bestseller, Gap Inc., H&M Group und Mango. Dabei soll ein kollektives Finanzierungsmodell eine tiefgreifende Dekarbonisierung im Bekleidungssektor unterstützen und dort ansetzen, wo schätzungsweise 99 Prozent der Gesamtemissionen in der Lieferkette (Scope 3) anfallen - in den Herstellungsländern. Für ein erstes Programm haben sich die Teilnehmenden in Bangladesch verpflichtet.

Global Fashion Summit

Vom 21. bis 23. Mai fand auch der Global Fashion Summit unter dem Motto „Unlocking the Next Level“ statt. „Das Versprechen war ein ausgewogener, evidenzbasierter Überblick über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Experimente für einen nachhaltigeren Modesektor - um daraus für die entscheidenden kommenden Jahre zu lernen. Doch wie so oft beim Thema Nachhaltigkeit nahm das Gespräch eine verzerrt positive Form an, wobei der Schwerpunkt auf jungen Partnerschaften und hoffnungsvollen Zukunftsszenarien lag, statt auf ehrlichen Überlegungen zu gescheiterten Pilotprojekten und untergegangenen Konsortien“, ist das Fazit von FashionUnited. Was genau „die nächste Stufe“ ist und was Modefachleute tun müssen, um sie zu erreichen, bleibt die Frage.

Die Willkommensrede des Global Fashion Summits. Bild: Global Fashion Summit

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die „The Fashion ReModel“-Initiative der Ellen MacArthur Foundation, die gleich am ersten Tag des Global Fashion Summits vorgestellt wurde. Sie soll die Möglichkeit erforschen, wie man in der Modebranche Geld verdienen kann, ohne neue Kleidung herzustellen. Was sich vielleicht wie die Quadratur des Kreises anhört, ist letztlich die Kunst, Kreislauffähigkeit in lineare Modelle zu bringen beziehungsweise diese durch kreislauffähige zu ersetzen.

Dass die Branche die Frage angesichts des derzeitigen Wegwerfmodells lösen muss, steht nicht zur Debatte: Jedes Jahr werden 100 Milliarden (!) neue Kleidungsstücke produziert, die dann nach ein paar Mal Tragen weggeworfen werden. An der Initiative sind einige der weltweit führenden Modemarken beteiligt, die untersuchen werden, wie zirkuläre Geschäftsmodelle zur Norm werden können.

Fashion Revolution Week

Zum zehnten Geburtstag der Fashion Revolution Week fand die Veranstaltung dieses Jahr zehn Tage lang statt, vom 15. bis 24. April. FashionUnited schaute zusammen mit Fashion Revolution auf die Errungenschaften zurück und sprach mit Liv Simpliciano, Policy and Research Manager, und Lauren Rees, Assistentin für digitale Kommunikation, darüber, wie weit die Branche in Bezug auf Transparenz gekommen ist. Der Tag der Erde scheint indes hauptsächlich zur PR-Aktion verkommen zu sein.

FashionUnited sprach auch mit Charlotte Piller, Co-Gründerin der Slow-Fashion-Luxusmarke Lotta Ludwigson, die faire, zirkuläre und zeitlose Businessmode für Frauen kreiert, die auch nach Feierabend getragen werden kann. Im Gespräch erläuterte sie, warum das eigentlich stärkste Verkaufsargument, dass die Anzüge nach mehreren Produktlebenszyklen vollständig biologisch abgebaut werden können, derzeit noch heruntergespielt wird.

Gegen Greenwashing

Die ACT-Initiative (Assessing low-Carbon Transition) ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der französischen Agentur für den ökologischen Wandel (ADEME), dem Carbon Disclosure Project (CDP) und der World Benchmarking Alliance (WBA). Gemeinsam haben sie eine Methodik zur Bewertung der Ausgereiftheit der Pläne von Unternehmen für einen kohlenstoffarmen Übergang entwickelt. Jetzt wurde eine ACT-Methode speziell für die Mode- und Luxusbranche entwickelt, die die Glaubwürdigkeit der Dekarbonisierungsstrategien von Unternehmen bewertet. Sagt ein Betrieb also „Ich bin Unternehmen X und habe mich verpflichtet, bis 2030 kohlenstoffneutral zu werden“, antwortet die ACT-Methode laut Isabelle Lefort, Mitbegründerin von Paris Good Fashion und Initiatorin des Projekts, darauf: „Zeigen Sie uns, wie und mit welchen Mitteln Sie das erreichen wollen.“

Auch das Textilrecycling will raus aus der Greenwashing-Falle: Alle wollen ihre Textilien recyceln, faktisch tut es aber kaum jemand. Das deutsche Unternehmen Turns will das ändern und bietet Unternehmen an, für Altkleider den bestmöglichen Recyclingweg zu finden und damit echtes Recycling voranzubringen.

Der Wiederverkauf könnte ebenfalls eine Greenwashing-Falle sein, wie der hohe Anteil von Fast-Fashion-Artikeln auf Wiederverkaufsplattformen zeigt. Auf dem beliebten Online-Secondhand-Marktplatz Vinted etwa finden sich 61,8 Millionen Kleidungsstücke der spanischen Marke Zara, 59,7 Millionen H&M-Artikel, 21,8 Millionen Shein-Teile, 21 Millionen Artikel von Primark und 10,2 Millionen von Mango. Dies zeigt ein komplexes Bild von Verbraucher:innenverhalten, Fast Fashion und Nachhaltigkeitsbemühungen im Einzelhandel: Einerseits unterstreichen diese Zahlen die schiere Größe der Produktionskapazitäten von Zara und anderen Modekonzernen und ihre Dominanz im Fast-Fashion-Bereich, sie deuten aber auch darauf hin, dass Verbraucher:innen diese Kleidungsstücke tatsächlich in riesigen Mengen kaufen und diese für sie nur eine kurze Lebensdauer haben.

Dies ist auch ein Problem, da Greenwashing und Ultra-Fast-Fashion den Fortschritt bei der Beseitigung fossiler Brennstoffe aus Textilien verlangsamen wie der Bericht „2024 Clean Energy Close Up“ der Umweltschutzorganisation Stand.earth zeigte. „Die gute Nachricht ist, dass Modeunternehmen Fortschritte machen, wenn es um die Reduzierung von Emissionen, den Verzicht auf Kohle und den Übergang zu erneuerbaren Energien geht. Die schlechte Nachricht ist, dass Greenwashing und Ultra-Fast-Fashion diese Bemühungen unterminieren“, so das Fazit.

Lesestoff

Von Recycling bis Zirkularität, Pelz und Existenzlohn - es gibt viele Themen, die zum Nachhaltigkeitsbereich gehören, die noch lange nicht ausgeschöpft sind. FashionUnited hat Ihnen den Lesestoff von April bis Juni 2024 zusammengestellt, den Sie auf keinen Fall verpassen sollten.

Eine Reihe detaillierter Hintergrundartikel beschäftigte sich mit verschiedenen Aspekten des Themas Nachhaltigkeit, etwa was genau „nachhaltige Textilien” sind und wann ein Kleidungsstück wirklich recycelt ist. Und was das neue EU-„Recht auf Reparatur” für die Modebranche bedeutet. Lesen Sie auch, was von den Bemühungen der EU zur Überarbeitung der Textilkennzeichnungsverordnung zu erwarten ist.

Kosten-pro-Tragen-Vergleich eines Fast-Fashion-Mantels mit einem hochwertigen Secondhand-Mantel Bild: Vestiaire Collective

Die französische Resale-Plattform Vestiaire Collective veröffentlichte Ende April ihren ‘Circularity Report 2024’. Der dritte jährliche Impact Report des Unternehmens zeigt die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie mit der Carbon-tracking-Software Vaayu. „Die Vorstellung, Fast Fashion sei erschwinglicher, ist schlichtweg falsch” – zu diesem Schluss kommen die neuen Forschungsergebnisse.

Während Tierschutzorganisationen auf der ganzen Welt weiterhin ein Pelzverbot fordern und Designer:innenmarken von Max Mara bis Fendi dazu drängen, keinen Pelz mehr in ihren Kollektionen zu verwenden, wirft ein neuer Bericht der Material Innovation Initiative (MII) einen genaueren Blick auf die Pelzindustrie und den Aufstieg von Next-Gen-Pelz.

In Deutschland fordert die Gewerkschaft Verdi im Einzelhandel ein Mindestlohn von 13,50 Euro pro Stunde – Zahlen, von denen Arbeiter:innen im globalen Süden nur träumen können. Warum ist es so schwierig, existenzsichernde Löhne in der Textilindustrie einzuführen und wie könnte das gelingen?

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