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Jahresrückblick 2020 – Teil 2: Juli bis Dezember

Von Jan Schroder

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Mode

Nur wenige Wochen lang verlief das Modejahr 2020 halbwegs normal – dann erschütterte die Covid-19-Pandemie auch die globale Bekleidungsindustrie. Zahlreiche Insolvenzen waren die Folge, doch die Krise sorgte auch dafür, dass vermeintlich unantastbare Traditionen hinterfragt und umfassende Reformkonzepte vorgelegt wurden. Aber auch sonst veränderte sich einiges Branche.

Heute erinnern wir an einige Schlüsselereignisse aus den Monaten Juli bis Dezember zurück. Den Rückblick auf die erste Jahreshälfte finden Sie hier.

Juli: Tom Tailor und Bonita lassen sich scheiden

Unmittelbarer Auslöser für die zahlreichen Insolvenzen im Bekleidungshandel waren die Covid-bedingten Einnahmeausfälle im Frühjahr. Doch viele Unternehmen nutzen ihre laufenden Schutzschirmverfahren, um längst fällige Veränderungen vorzunehmen. So beschließen etwa Galeria Karstadt Kaufhof und Esprit drastische Einschnitte in ihre überdimensionierten Filialnetze.

Beim Hamburger Bekleidungskonzern Tom Tailor Holding sind die Maßnahmen sogar noch gravierender: Die Unternehmensgruppe wird filetiert. Damit gelingt nun ein strategischer Schritt, der im vergangenen Jahr noch am Widerstand der Kreditgeber gescheitert war.

Im Juni musste der Konzern ein Schutzschirmverfahren für seine seit Jahren defizitäre Tochter Bonita beantragen. Aufgrund der finanziellen Probleme von Bonita meldete gleichzeitig die Dachgesellschaft Tom Tailor Holding Insolvenz an. Das bot die Gelegenheit, die wirtschaftlich solide Tom Tailor GmbH mit der gleichnamigen Kernmarke aus der Unternehmensgruppe herauszulösen: Im Juli wurde sie vom chinesischen Mischkonzern Fosun übernommen, der bereits Mehrheitseigentümer der börsennotierten Holding war.

Die Handelskette Bonita, die die Konzernbilanz jahrelang belastet hatte und bereits im März 2019 vor dem Verkauf stand, ehe die Konsortialbanken Einspruch einlegten, unterzog sich im Schutzschirmverfahren weiteren radikalen Sparmaßnahmen und wurde im Dezember im Rahmen eines Management-Buy-Outs von einer Investorengruppe um Geschäftsführer Karsten Oberheide übernommen. Damit endete eine unglückliche Beziehung, die im Jahr 2012 mit dem Kauf von Bonita durch die Tom Tailor Holding begonnen hatte. Beide Unternehmen, die nie wirklich zusammenpassten, können nun ihre eigenen Wege gehen.

August: Boom im Onlinehandel – Zalando und Co. sind die Krisengewinner

Die Corona-Krise hatte viele Verlierer – aber auch große Gewinner. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr waren die Kunden aufgrund der angeordneten Ladenschließungen gezwungen, neue Kleidung im Internet zu bestellen – und viele blieben dabei, als die Geschäfte wieder geöffnet waren. So verstärkte sich der Trend zum E-Commerce, der die Branche bereits in den vergangenen Jahren geprägt hatte.

Spezialisierte Anbieter wie der Berliner Online-Versender Zalando profitierten davon. Das zeigten die Halbjahreszahlen, die das Unternehmen im August vorlegte. Während traditionelle Bekleidungsanbieter in den Krisenmonaten massive Umsatzeinbußen beklagen mussten, konnte der E-Commerce-Riese seine Erlöse in der ersten Jahreshälfte um fast zwanzig Prozent steigern. Der Nettogewinn sprang sogar um knapp dreißig Prozent. Mit seinem Connected-Retail-Programm bietet Zalando zudem stationären Händlern einen dringend benötigten Vertriebskanal auf der eigenen Online-Plattform.

Daher konnte die bereits im Spätsommer drohende zweite Welle der Pandemie die Zuversicht bei Zalando nicht erschüttern: „Wir sind viel besser vorbereitet als zu Beginn der Pandemie“, betonte Finanzvorstand David Schröder im August. Und tatsächlich setzte der Versender seinen Höhenflug in den folgenden Monaten fort.

September: Eine neue Hoffnung

Die Sommermonate gaben den Bekleidungshändlern Zeit zum Durchschnaufen: Allenthalben war in den aktuellen Quartalsberichten von „Erholungstendenzen“ nach dem oftmals katastrophalen Frühjahr die Rede. Zwar erreichten die Umsätze in den wieder geöffneten Läden nicht das Vorjahresniveau, weil viele Verbraucher angesichts der weiter bestehenden Unsicherheiten und der weiterhin geltenden Maskenpflicht die Geschäfte mieden, aber die wirtschaftliche Talsohle schien durchschritten. So schrieben zahlreiche Branchengrößen wie Hennes & Mauritz, die Zara-Mutter Inditex oder dänische Bekleidungskonzern Bestseller Group zumindest wieder schwarze Zahlen – auch wenn die Gewinne deutlich geringer ausfielen als in der Vorkrisenzeit.

Auch die Politik bemühte sich, Zuversicht zu verbreiten: Noch im September schloss Gesundheitsminister Jens Spahn einen möglichen zweiten Lockdown im Einzelhandel aus. Angesichts rapide steigender Fallzahlen und verschärfter Schutzmaßnahmen sollte sich allerdings bald herausstellen, dass die Hoffnung auf eine schnelle Gesundung im Modehandel trügerisch war.

Oktober: Aufschwung in China lässt Luxusmodehäuser aufatmen

Kein Bereich des Modehandels ist so globalisiert wie die Luxussparte. Geschäfte mit Touristen zählen zu den wichtigsten Einnahmequellen, die asiatischen Märkte sind seit Langem die wichtigsten Wachstumstreiber vieler westlicher Traditionsmarken. So hatten auch die beiden wichtigsten Luxusgüter-Konglomerate LVMH und Kering unter der Covid-Krise zu leiden. Doch nach massiven Umsatzeinbußen im ersten Halbjahr brachte sie der erneute Wirtschaftsaufschwung in China, wo die Pandemie am Jahresbeginn ausgebrochen war und dann mit rigiden Maßnahmen hinreichend erfolgreich bekämpft wurde, wieder in die Spur.

Im Oktober veröffentlichten die beiden französischen Konzerne innerhalb weniger Tage ihre Zahlen für das dritte Quartal – und hoben „ermutigende Erholungstendenzen“ hervor, weil die Geschäfte in China wie vor der Krise kräftig stiegen. Zudem wurden auch in Nordamerika wieder Zuwächse erzielt. So hielten sich die Umsatzeinbußen nach den deutlichen Rückgängen im Frühling im dritten Vierteljahr trotz der anhaltenden Reisebeschränkungen und anhaltender Probleme in Europa in Grenzen. Bei Kering, der Muttergesellschaft von Marken wie Gucci und Yves Saint Laurent, lag der Konzernumsatz im dritten Quartal nur noch marginal unter dem Vorjahresniveau, LVMH verbuchte im Geschäft mit Mode und Lederwaren sogar wieder ein zweistelliges Umsatzplus auf organischer Basis.

November: Zweiter Lockdown bringt Modehandel in Existenznöte

Nachdem die Covid-19-Fallzahlen in Deutschland über Wochen rasant gestiegen waren und die Werte des Frühjahrs längst weit übertroffen hatten, zieht die Politik erneut die Notbremse: Anfang November wird der sogenannte „Lockdown light“ ausgerufen. Die Kontaktbeschränkungen werden wieder verschärft, Bars und Restaurants, aber auch kulturelle Einrichtungen wie Kinos und Museen müssen schließen.

Auch wenn der Einzelhandel vorerst weiter geöffnet bleibt, schwindet die Hoffnung auf ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft, mit dem viele Unternehmen die Einnahmeausfälle des Frühjahrs wenigstens teilweise ausgleichen wollten: Angesichts schwacher Kundenfrequenzen in den Innenstädten laufen die Geschäfte in vielen Handelsbranchen während der Adventszeit schlecht.

Mitte Dezember ist es auch damit vorbei: Weil die Maßnahmen nicht den erhofften Erfolg bringen, folgt der harte Lockdown. Kurz vor den Feiertagen werden erneut alle Läden, deren Angebot über den Alltagsbedarf hinausgeht, geschlossen. Das trifft die ohnehin angeschlagenen Bekleidungs- und Schuhhändler hart: In einem gemeinsamen Statement beziffern die Handelsverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) die voraussichtlichen Umsatzeinbußen infolge des zweiten Lockdowns in ihren Branchen auf insgesamt rund sechs Milliarden Euro. Ein Großteil der stationären Bekleidungshändler sehe sich daher „in Existenzgefahr“, warnte der Handelsverband Deutschland (HDE) kurz vor Weihnachten.

Die Online-Versender können indessen wiederum auf kräftige Zuwächse hoffen. Dem stationären Handel bleibt vorerst nur die Hoffnung, dass sich im kommenden Jahr infolge der anlaufenden Impfkampagne wieder so etwas wie Normalität in den Einkaufsmeilen einstellt.

Dezember: Brexit-Deal in letzter Minute – aber der britische Einzelhandel leidet

Ein politisches Dauerthema der vergangenen Jahre wurde lange von der Corona-Krise in den Hintergrund gedrängt. Doch zu Weihnachten schafft es der Brexit wieder in die Schlagzeilen: Kurz vor dem Ende der Übergangsfrist einigen sich die Europäische Union und die britische Regierung an Heiligabend doch noch auf ein Handelsabkommen. Darin wird zumindest ein Minimalkonsens über die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nach dem endgültigen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU festgeschrieben. Namhafte Modeunternehmen von der Insel befürchten angesichts der gefassten Beschlüsse allerdings gravierende Einbußen.

Den britischen Einzelhandel hatten die Unsicherheiten über die Modalitäten des Brexit zuvor lange belastet. Sie verschärften die Probleme aufgrund der anhaltenden Konsumflaute auf dem Heimatmarkt und der Auswirkungen der Corona-Krise, die Großbritannien besonders hart getroffen hatte.

So mussten kurz vor der Brexit-Einigung zwei alteingesessene Institutionen der britischen Einkaufsstraßen kapitulieren: Die Arcadia-Gruppe, zu der unter anderem die Modekette Topshop gehört, meldete Insolvenz an. Nun steht ihr die Zerschlagung bevor: Die Marke Evans fand bereits einen neuen Eigentümer, für andere Konzepte gibt es zumindest Interessenten.

Noch schlechter sieht es bei der 1778 gegründeten Warenhauskette Debenhams aus. Die hatte bereits im April zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres Insolvenz angemeldet, Anfang Dezember wurde dann ihr endgültiges Aus verkündet. Nachdem Verhandlungen mit möglichen Kaufinteressenten gescheitert waren, leiteten die Insolvenzverwalter den Schließungsprozess für die 124 britischen Filialen und den Onlineshop des Einzelhändlers ein. Nach 242 Jahren wird Debenhams mit dem Ende des derzeit laufenden Räumungsverkaufs in wenigen Wochen Geschichte sein. Etwa 12.000 Mitarbeitern droht die Arbeitslosigkeit.

Fotos: Chris Panas via Pexels. Tom Tailor (Fotografin: Sabine Skiba), Zalando, Hennes & Mauritz, Gucci Facebook-Page, FashionUnited, Debenhams

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