Stetiger Wandel und brodelnde Gerüchte: das Kommen und Gehen der Kreativdirektor:innen in 2024
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Nichts ist so konstant wie der Wandel – das mag wie ein Klischee klingen, aber die Modebranche beweist es Jahr für Jahr, besonders wenn es um ihre Kreativdirektor:innen geht. Doch während der Wandel in der Mode schon seit einiger Zeit das bestimmende Element ist, waren die kreativen Umwälzungen des Jahres 2024 nahezu beispiellos in ihrer Häufigkeit.
FashionUnited blickt auf ein Jahr zurück, in dem das Rauschen der Spekulationen genauso laut war wie die tatsächlichen Veränderungen, und fasst die wichtigsten Veränderungen in der Riege der Kreativdirektor:innen noch einmal für Sie zusammen.
Januar: Langsamer, aber stetiger Start
Die Modewelt war kaum in 2024 angekommen, als bereits der erste Kreativdirektor des Jahres ernannt wurde. Max Kibardin übernahm die kreative Leitung der italienischen Herrenmodemarke Caruso. Ähnliches galt auch für Derek Lam, der seine Rückkehr in die New Yorker Modeszene als Kreativdirektor von Callas Milano bekannt gab. Ein Comeback – jedoch in virtueller Form – gelang auch dem ehemaligen Mugler-Kreativdirektor Nicola Formichetti. Die Web3-Modeplattform Syky, die sich auf digitale Luxusmode spezialisiert hat, ernannte ihn zum künstlerischen Leiter und ebnete ihm damit den Weg in die digitale Welt.
Gerade als es schien, als ob der Monat ohne weitere Überraschungen verstreichen würde, stellte Moschino Ende Januar Adrian Appiolaza als neuen Kreativdirektor vor. Doch die Nachricht war von bittersüßen Gefühlen überschattet. Moschinos vorheriger Kreativdirektor, Davide Renne, war im vergangenen November plötzlich und unerwartet verstorben – noch bevor er seine erste Kollektion präsentieren konnte.
Februar: Kontinuierlicher Wandel
Während die Ernennung eines neuen Kreativchefs bei Moschino mit Spannung erwartet wurde, kam die Berufung von Zac Posen zum Creative Director von Gap Inc. völlig überraschend. Zwar hatte sich das US-amerikanische Label bereits im August 2023 von Global Creative Director Len Peltier getrennt, doch mit einem Designer von Posens Kaliber, der sein gleichnamiges Label bereits 2019 einstellte, hatte kaum jemand gerechnet.
Auch bei Filippa K gab es bedeutende Veränderungen: Das schwedische Label verkündete die Ernennung von Anna Teurnell zur Creative Lead. Sie trat die Nachfolge der deutsch-finnischen Designerin Liisa Kessler an, die das Unternehmen nach knapp zwei Jahren am 1. Februar verließ.
März: Ein Monat der Abschiede – und einer Rückkehr
Überraschungen gab es bei Kreativdirektor:innen in den vergangenen Jahren immer wieder, doch kaum ein Gastspiel war so kurz wie das von Walter Chiapponi, der Blumarine im März nach nur einer Saison als Creative Director wieder verließ. Ganz anders sah es da bei Dries van Noten aus. Der Designer war fast 40 Jahre lang als Kreativdirekor seiner gleichnamigen Marke tätig, bevor er im März seinen Abschied ankündigte.
Einen fast schon fliegende Wechsel gab es wiederum bei Valentino, und das obwohl der bisherige Kreativdirektor Pierpaolo Piccioli immerhin 25 Jahre lang für das italienische Modehaus tätig war. Die Modeindustrie hatte den Abschied von Piccioli kaum verdaut, schon stand seine Nachfolge auch schon fest, denn nur fünf Tage später wurde der ehemalige Gucci-Designer Alessandro Michele zum Kreativdirektor des römischen Modehauses ernannt.
April: Startschuss für die Gerüchteküche
Micheles Ernennung bei Valentino beendete zwar die monatelangen Spekulationen um seine Zukunft, doch die modische Gerüchteküche ruht nie lange, und so stand der Monat ganz im Zeichen der Spekulationen um einen möglichen Abschied von Hedi Slimane bei der französischen Luxusmarke Celine. Dies war das erste von vielen Gerüchten, die sich in diesem Jahr wie ein Lauffeuer in der Branche verbreiteten, und, wie sich bald herausstellen sollte, eines der wenigen, die sich bisher bestätigt haben.
Mai: Unvorhergesehene Wechsel
Eine Ernennung, die absolut niemand vorhersehen oder sich auch nur vorstellen konnte, bevor sie im Mai 2024 bekannt gegeben wurde, war die von Haider Ackerman als erster Kreativdirektor in der Geschichte von Canada Goose. Es war zwar nicht die einzige große Ankündigung für den französischen Designer in diesem Jahr, aber sicherlich die am wenigsten erwartete, was man von Michael Riders Ausstieg bei Polo Ralph Lauren nicht behaupten kann. Rider war zu diesem Zeitpunkt bereits als möglicher Nachfolger von Slimane bei Celine gehandelt worden, weshalb sein Ausstieg bei der US-Marke nur noch mehr Öl ins Feuer goss.
Anderswo gab es einen Neuzugang, jedoch ohne Abgang, denn nach fünf Jahren ohne Chefdesigner:in gab Calvin Klein die Ernennung von Veronica Leoni zur Kreativdirektorin bekannt. Nach fast sieben Jahren Pause kehrt Calvin Klein nun unter ihrer Leitung in der kommenden Saison zur New York Fashion Week zurück. Dort war das Label zuletzt im September 2018 unter der Leitung von Designer Raf Simons auf dem Laufsteg vertreten.
Juni: Das Wettrennen um Chanel beginnt
Zu sagen, dass Virginie Viards Ausstieg bei Chanel im Juni überraschend kam, wäre vielleicht etwas übertrieben, nachdem monatelang über ihre Zukunft bei dem französischen Modehaus spekuliert wurde. Dennoch war ihr plötzlicher Abgang in einer Nacht- und Nebelaktion, ohne eine letzte Verbeugung bei der Marke, die sie seit Karl Lagerfelds Tod geleitet hatte und der sie insgesamt 30 Jahre lang angehörte, ein gewisser Schock. Nicht genug des Schocks, um die Modeindustrie davon abzuhalten, sofort über Chanels modische Zukunft zu spekulieren. Diese Träumereien sollten allerdings noch einige Monate andauern, bis im Dezember endlich Licht ins Dunkle gebracht wurde.
Abseits der großen Modemetropolen stand eine Beförderung innerhalb der eigenen Reihen an. Die schwedische Schuh- und Modemarke Axel Arigato ernannte Jens Werner zu ihrem neuen Kreativdirektor. Werner, der zuvor von 2021 bis 2023 die Leitung der Konfektionsabteilung von Axel Arigato innehatte, trat die Nachfolge seines Vorgängers und Markenmitbegründers Max Svärdh an.
Lanvin wiederum machte sich bereits im vergangenen Jahr auf die Suche nach einer passenden Nachfolge für Kreativdirektor Bruno Sialelli, wurde allerdings erst im Juni diesen Jahres endgültig fündig. Die Wahl viel schließlich auf Peter Copping, der nach jahrelanger Tätigkeit bei Balenciaga als Artistic Director zum französischen Modehaus wechselte und sein Debüt kommende Saison geben wird.
Juli: Fliegende Wechsel
Porst 1961 machte es im Juli Axel Arigato nach und vertraute auf eine Talent aus dem hauseigenen Designteam. Das in Mailand beheimatete Damenmode-Label ernannte Francesco Bertolini, der dem Designteam von Ports 1961 bereits seit 2019 angehört und zuvor Erfahrungen bei namhaften Modehäusern wie Salvatore Ferragamo, Vionnet und der Prada Group sammelte, zum Design Director.
Wie schnell das Vertrauen eines Labels in seine Kreativspitze jedoch auch wieder schwinden kann, zeigte sich bei Tom Ford. Auch wenn die Marke nach dem Abschied ihres gleichnamigen Gründers mit Peter Hawkings auf ein Talent aus den eigenen Reihen setzte, wurde im Juli bekannt, dass dieser von seinem Posten zurückgetreten war.
Während sich Tom Ford – inzwischen im Besitzt von The Estée Lauder Companies Inc. – erneut auf die Suche nach einem Creative Director machte, gab Blumarine bekannt, dass die Nachfolge von Walter Chiapponi in David Coma gefunden wurde.
August: Die Mode drückt auf Pause
Im August schien die Modewelt eine Pause vom ständigen Wandel einlegen zu wollen, um die Freuden des Sommers in vollen Zügen zu genießen. Rückblickend jedoch bereitete sich die Branche nicht nur auf die Fashion Week-Saison vor, sondern auch auf ein turbulentes letztes Quartal des Jahres, das von gewaltigen Umbrüchen, Gerüchten und einem endlosen Karussell an Personalwechseln geprägt sein würde.
September: Kein Stein bleibt auf dem anderen
Der September ist traditionell einer der geschäftigsten Monate der Modebranche. Während dies normalerweise auf die Fashion Week und das damit verbundene reisende Spektakel zurückzuführen ist, waren es in diesem Jahr vor allem überraschende Entwicklungen an der Spitze der Kreativabteilungen, die für Aufsehen sorgten.
Die Veränderungen bei Benetton waren nach wochenlangen Umstrukturierungen absehbar, die schließlich zum Ausscheiden von Kreativchef Andrea Incontri führten. Doch die Ernennung der ehemaligen Givenchy-Designerin Clare Waight Keller zur Creative Director bei Uniqlo überraschte die meisten. Zwar arbeitete die Designerin bereits seit etwa einem Jahr mit dem japanischen Bekleidungsanbieter zusammen und kreierte ihre Linie Uniqlo : C, doch nun wurde ihr plötzlich die Verantwortung für die Hauptlinie, einschließlich der Menswear, übertragen.
Nicht weniger überraschend folgte kurz darauf die Ernennung von Haider Ackermann zum neuen Kreativdirektor von Tom Ford. Ackermann, der lange als potenzieller Nachfolger für Karl Lagerfeld bei Chanel gehandelt wurde, wurde somit zum zweiten Kreativdirektor des Modehauses, nachdem der gleichnamige Gründer den Posten abgegeben hatte. Seine Ernennung beim Luxuxmodehaus änderte außerdem nichts an seiner im Mai verkündeten Kreativdirektorenrolle bei Canada Goose. Trotz seiner Berufung bei Tom Ford bleibt er dem kanadischen Label erhalten.
Anders sah es bei Y/Project aus, denn die französische Marke und ihr Kreativdirektor Glenn Martens gingen nach elf Jahren getrennte Wege. Martens konzentriert sich so künftig voll vorerst gänzlich auf seine Rolle als Kreativdirektor von Diesel.
Nach 43 Jahren kündigte zudem Alberta Ferretti ihren Rückzug von der Kreativspitze ihres gleichnamigen Labels an. Während die Branche noch einige Wochen auf die Enthüllung von Ferrettis Nachfolger warten musste, lüftete sich im September jedoch eines der am längsten gehüteten Geheimnisse der Modewelt. Nach neuen Monaten ohne kreative Führung übernahm die ehemalige McQueen-Kreativdirektorin Sarah Burton die Rolle des Creative Directors bei Givenchy.
Kaum wurde ein Rätsel gelöst, eröffnete sich ein Neues. Die Zukunft des ehemaligen Valentino-Designers Pierpaolo Piccioli blieb weiterhin ungewiss, und die Branche zeigte sich zunehmend ungeduldig. Gerüchten zufolge sollte Piccioli bereit sein, seine kreative Handschrift bei Fendi einzubringen. Dieses hartnäckige Gerücht hielt sich zwar eine Zeit lang, konnte jedoch bislang nicht bestätigt werden.
Oktober: Gerüchteküche heizt sich weiter an
Viel Zeit zum durchschnaufen blieb der Branche nach dem turbulenten September nicht, denn Anfang Oktober bestätigten sich zwei der wohl am schlechtesten gehüteten Geheimnisse der Branche: Hedi Slimane verließ Celine und schon im nächsten Atemzug wurde Michael Rider zu seinem Nachfolger gekürt.
Slimanes Abschied vom französischen Modehaus beschwichtigte die Gerüchte um seine Person jedoch keineswegs, denn sofort gab es Spekulationen um einen potenziellen Wechsel zu Chanel, doch er war nicht der einzige Designer, dessen Zukunft diskutiert wurde. Noch bevor Dior etwaige Veränderungen ankündigen konnte, wurde bereits spekuliert, dass Jonathan Anderson von Loewe zum französischen Modehaus wechseln könnte. In welcher Kapazität, also ob für die Womenswear oder Menswear, schien dabei von keiner großen Bedeutung.
Angeheizt wurde die Gerüchteküche um Anderson auch von Kim Jones Abschied. Der Designer legte vorerst lediglich sein Amt als Kreativdirektor der Damenmode bei Fendi nieder. Doch ab diesem Zeitpunkt war es für viele nicht mehr abwegig, auch einen möglichen Rücktritt bei Dior in Betracht zu ziehen. Weniger spekulativ, aber nicht minder bedeutsam, ist hingegen das Ende von Filippo Graziolis Tätigkeit bei Missoni. Grazioli war 2022 zu Missoni gestoßen und hatte die kreative Leitung von Alberto Caliri übernommen, der diese zuvor interimistisch innehatte. Nun wurden die Rollen erneut getauscht. Während Grazioli das Label verließ, übernahm Caliri wieder die Position des Creative Directors.
Giorgio Armani wiederum bewies sich trotz seinen 90 Jahren als standhaft, räumte aber ein, sich vorstellen zu können, sich in zwei oder drei Jahren von der Spitze seines gleichnamigen Modehauses zurückzuziehen. Anders, sah das bei Alberta Ferretti aus, denn die Designerin, die ihren Abschied von ihrer gleichnamigen Marke nur wenige Wochen zuvor verkündete, übergab den Staffelstab an Lorenzo Serafini.
November: eine minimale Verschnaufpause
Im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten bot der November schon fast eine kleine Verschnaufpause. Dennoch musste die Branche einen weiteren gescheiterten Wiederbelebungsversuch des Kultlabels Helmut Lang verkraften, denn Kreativdirektor Peter Do trat nach knapp einem Jahr zurück. Sein Abschied fügte sich in eine Reihe von Versuchen ein, die 1986 vom autodidaktischen Designer Helmut Lang gegründete Marke neu zu positionieren.
Dezember: das große Finale
Nach einem turbulenten Jahr hätte die Modewelt vielleicht eine besinnliche Vorweihnachtszeit verdient, doch es gab noch zu viele lose Enden, die auf eine Klärung warteten – und einige bedeutende Ankündigungen, die noch vor Jahresende gemacht werden mussten.
Dries Van Noten leitete den Dezember mit einer bedeutenden Ankündigung ein: Er stellte seinen Nachfolger vor. Diese Rolle übernahm Julian Klausner, der zum neuen Creative Director des Hauses ernannt wurde und in die Fußstapfen von Van Noten trat. Er mag noch kein großer Name sein, doch der Designer hat bereits mehrere Jahre bei Dries Van Noten gearbeitet und „Seite an Seite“ mit dem Markengründer an der Gestaltung und Entwicklung der Damenkollektionen mitgewirkt. Zukünftig wird er sowohl die Damen- als auch die Herrenkollektionen leiten.
Dann folgte eine Woche, die innerhalb von nur 48 Stunden den Kurs gleich dreier Marken entscheidend veränderte. Zunächst sorgte John Galliano mit einem emotionalen Instagram-Post für Aufsehen, in dem er seinen Abschied von Maison Margiela verkündete. Diese Ankündigung ließ die Gerüchteküche brodeln – doch eines der Gerüchte wurde schnell entkräftet. Während zunächst spekuliert wurde, dass Galliano möglicherweise zu Chanel wechseln könnte, wurde diese Möglichkeit nur wenige Stunden später bereits wieder ausgeschlossen.
Für viele gilt Galliano inzwischen als Favorit für die Position des Creative Directors bei Fendi, oder es wird vermutet, dass er zu Dior zurückkehren könnte, wo er die Marke einst zu weltweitem Ruhm führte. Doch seine Zukunft geriet bald in den Hintergrund, als die Nachricht die Runde machte, dass Louise Trotter Carven verlassen würde. Diese Nachricht allein hätte bereits für Aufregung gesorgt, aber nur Minuten später kam eine weitere Bestätigung: Trotter würde zu Bottega Veneta wechseln und dort Matthieu Blazy ersetzen.
Der wahre Paukenschlag folgte allerdings kurz darauf, denn Blazy, der den Staffelstab bei Bottega Veneta nun an Trotter übergab, übernahm zugleich die kreative Leitung von Chanel.
Das hätte eigentlich genug Wandel für den Rest des Jahres sein müssen, doch die Modewelt liebt nun mal ein gutes Gerücht. So ging das Jahr mit einigen hartnäckigen Spekulationen zu Ende. Doch keines war so laut wie das, was viele als den bevorstehenden Abschied von Jonathan Anderson bei Loewe werten. Angeblich wird er zu Dior wechseln – ob für die Damen- oder Herrenmode bleibt jedoch ein gut gehütetes Geheimnis. Während Andersons Zukunft noch ungewiss ist, stehen laut Gerüchten seine Nachfolger bei Loewe bereits in den Startlöchern: das Designer:innen-Duo Lucie und Luke Meier von Jil Sander.
Ob dieser Wechsel tatsächlich bevorsteht, bleibt abzuwarten, doch eines ist sicher: In der Modebranche wird das Spiel der kreativen Stuhlwechsel auch 2025 weitergehen – und die Gerüchteküche wird dabei nie verstummen.