Vielversprechend - die Nachhaltigkeitsbemühungen im 4. Quartal 2024
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Zum Ende des Jahres wurden nochmal gute Fragen aufgeworfen - etwa, warum Menschen weiterhin Billigmode kaufen, obwohl sie nicht nachhaltig ist? Gerade Gen Z gibt sich umweltbewusst, ist aber trotzdem süchtig nach Fast Fashion. In diesem Zusammenhang ist es fraglich, ob Konsumfeste wie der Black Friday noch zeitgemäß sind. Weniger scheint mehr zu sein.
Für große Bekleidungskonzerne ergibt sich der Widerspruch, weiterwachsen zu wollen, aber trotzdem Netto-Null-Ziele einhalten zu müssen. Hier sorgen rechtliche Vorschriften, gerade in der EU, für neue Impulse, Chancen, aber auch Verwirrung. Eine Reihe von Studien und Berichten in den letzten drei Monaten des Jahres zeigen Möglichkeiten in die Kreislaufwirtschaft auf und auch das Textil-zu-Textilrecycling legt endlich zu.
Initiative
TrusTrace, die Plattform für Rückverfolgbarkeit und Compliance in der Lieferkette, hat sich mit führenden Marken, dem Forest Stewardship Council (FSC) und OpenAtlas zusammengetan, und gemeinsam eine Compliance-Lösung auf Lieferebene erarbeitet, die auf reale Szenarien zugeschnitten ist. Die „Deforestation Compliance Solution“ wurde entwickelt, um Unternehmen bei der Einhaltung und dem Nachweis entwaldungsfreier Lieferungen im Einklang mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zu unterstützen.
Textilrecycling
Das dreijährige europäische Forschungsprojekt SCIRT (System Circularity and Innovative Recycling in Textiles) feierte Ende Oktober seinen Abschluss. Die Erkenntnisse sollen den Übergang zu einer kreislauforientierten Modeindustrie beschleunigen. Im Rahmen des Projekts arbeiteten 18 europäische Partner:innen unter der Leitung des Flämischen Instituts für Technologische Forschung (VITO) zusammen. Die gesamte Textilwertschöpfungskette war involviert, und sowohl die Industrie als auch die Forschungsinstitute arbeiteten zusammen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die sowohl den ökologischen Fußabdruck der Mode verringern als auch die Bedürfnisse von Marken und Verbraucher:innen erfüllen.
Vor gut zwei Jahren, im Juli 2022, gaben die vier Textil- und Schuhanbieter On, Patagonia, Puma und Salomon bekannt, sich mit dem französischen Biochemie-Unternehmen Carbios zusammengeschlossen zu haben, um dessen einzigartige Biorecycling-Technologie zum Recycling von Kunstfasern zu nutzen und die Recyclingfähigkeit und laufende Wiederverwertbarkeit ihrer Produkte zu verbessern. Ende Oktober stellten sie die Früchte ihrer Zusammenarbeit vor: das erste Kleidungsstück, das in einem von Carbios entwickeltem biologischen Recyclingprozess zu 100 Prozent aus Textilabfällen hergestellt wurde. Es handelt sich um ein weißes T-Shirt, das aus farbigen und gemischten Textilabfällen geschaffen wurde.
Welche zwei Lösungen sich beim Textilrecycling anbieten untersuchte ein Gastbeitrag der Organisation Circle Economy. Mit dem Pilotprojekt „Design for Transformation“ des Biomimicry-Instituts leistet sie Pionierarbeit bei der Verarbeitung gemischter Textilabfälle in Rotterdam, Niederlande.
Wie in Zukunft Mischfasern recycelt und als neue Textilfasern zurück in den Textilkreislauf gebracht werden können untersucht auch Eeden. Das Start-up aus Münster steht kurz davor, die erste Recyclinganlage für Polyester-Baumwollgemische zu bauen, die im industriellen Maßstab funktioniert. FashionUnited sprach mit Co-CEO Steffen Gerlach und Ida Marie Brieger, Business Development.
Berichte
Anfang Oktober lieferte der Bericht „Towards a Dutch Circular Textile Industry“ von Invest-NL, einer Investmentgesellschaft, die nachhaltige und innovative Projekte finanziert, interessante Anregungen für andere Länder, die die Chancen und Herausforderungen einer kreislauforientierten Textilindustrie untersuchen wollen. Eine zirkuläre Textilindustrie in den Niederlanden hat großes Potenzial, erfordert aber gezielte Maßnahmen von Unternehmen, politischen Entscheidungsträger:innen und Investor:innen, so das Fazit.
Der Second-Hand-Kleidersektor trägt Milliarden zum Bruttoinlandsprodukt in Europa bei und schafft Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Europa und Afrika. Das zeigte ein Bericht von Oxford Economics mit dem Titel „Die sozioökonomischen Auswirkungen von Second-Hand-Kleidung in Afrika und der EU27”.
Der Fashion Council Germany (FCG) und Ebay Deutschland veröffentlichten im November die Studie „Status Deutscher Mode 2024“, die zusammen mit dem Forschungsinstitut Oxford Economics die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Modebranche (Kleidung, Schuhe, Accessoires, Taschen und Schmuck) untersuchte. Ebenso wurde ein Blick auf die zentralen Herausforderungen und Chancen der Branche sowie die Auswirkungen globaler Trends wie Nachhaltigkeit und Globalisierung geworfen.
In Zusammenarbeit mit der H&M Foundation brachte die in Amsterdam ansässige Organisation Circle Economy Ende November die neueste Ausgabe ihres Circularity Gap Report heraus. Zum ersten Mal haben die Organisationen eine eingehende Untersuchung der Textilindustrie durchgeführt, die aufzeigt, dass diese nur zu 0,3 Prozent zirkulär ist, verglichen mit einem globalen Durchschnitt von 7,2 Prozent. Der Bericht analysiert, wie die Branche zu verschiedenen Umweltauswirkungen beiträgt und modelliert sechs potenzielle Strategien zur Kreislaufwirtschaft.
Der Watchdog Public Eye schlug in seinem im Dezember veröffentlichten Bericht „One-Earth Fashion“ 33 konkrete Ziele für ein gerechteres Modesystem vor. Er hebt hervor, dass das Modesystem die Klimakrise, mit der die Erde konfrontiert ist, zusätzlich verschärft.
Interviews
Zum Schluss noch einige Interviews, die man nicht verpassen sollte. So sprach etwa Reju-CEO Patrik Frisk über sein neues Unternehmen für die Textil-zu-Textil-Regeneration und kam zu dem Schluss, dass es nur sehr wenig gibt, was man nicht wiederverwenden kann.
Die Gründerin und CEO des Amsterdamer Taschenlabels O My Bag, Paulien Wesselink, erzählte mehr über die Umsetzung sozialer Verantwortung, etwa dass die Produzent:innen in Indien einen existenzsichernden Lohn erhalten. Darüber hinaus ist O My Bag innovativ und verwendet Materialien wie Mirum, eine plastikfreie, pflanzliche Alternative zu Leder.
Das Düsseldorfer Start-up Retraced unterstützt bereits rund 150 Fashion- und Outdoor-Marken mit ihren 15.000 internationalen Lieferant:innen bei der Digitalisierung ihrer Lieferkette, darunter Victoria’s Secret, Calzedonia, Tom Tailor, Marc O‘Polo und Vaude. Mitgründer und Chief Product Officer bei Retraced, Philipp Mayer, erläuterte, dass Digitalisierung für Retraced kein Selbstzweck ist: Mit seiner SaaS*-Plattform will das Unternehmen Marken dabei unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsziele nicht nur zu erreichen, sondern zu übertreffen und sicherzustellen, dass ihre Produkte verantwortungsvoll beschafft, hergestellt und vermarktet werden.
Im Oktober gab das Bempflinger Unternehmen Cotonea bekannt, umfassende und richtungsweisende CO2- und Energieanalysen von insgesamt 460 Geweben vorlegen zu wollen, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Baumwollpflanze bis zum fertigen Stoff analysieren. Grund genug für FashionUnited, mehr über die Datenbeschaffung und -verarbeitung erfahren zu wollen. Roland Stelzer, Geschäftsführer von Cotonea und dem Traditionsunternehmen Elmer & Zweifel, beantwortete im Dezember alle Fragen ausführlich.
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