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Ein ständiges Kommen und Gehen: die kreative Umwälzung der Designer:innen in 2023

Von Jule Scott

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Personen

Sarah Burton nimmt Abschied von Alexander McQueen Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Die Mode war schon immer äußerst wankelmütig, und auch wenn die Rolle des Creative Directors sehr begehrt ist, galt sie noch nie als der sicherste Job der Branche. In diesem Jahr wurde der ständige Wandel besonders auf der höchsten Ebene der kreativen Leitung der Luxusmode deutlich, denn von Branchenveteran:innen und langjährigen Führungskräften bis hin zu frisch gekrönten Kreativdirektor:innen schien niemand vor einem (vorzeitigen) Abgang sicher zu sein.

FashionUnited blickt auf ein Jahr zurück, in dem die einzige Konstante der Wandel war und fasst die wichtigsten Bewegungen auf der kreativen Landkarte noch einmal für Sie zusammen.

Januar: Einige Abschiede und die Antwort auf eine langersehnte Frage

Die erste Marke, die in diesem Jahr den Wechsel der Kreativdirektor:innen einleitete, war Lacoste. Nach vier Jahren verließ Kreativchefin Louise Trotter die französische Marke, die den Wandel der Marke hin zur Damenmode begleitete, “um sich anderen Aufgaben zu widmen”. Um welche Aufgabe es sich dabei handelte, wurde erst im Laufe des Jahres klar und auch die kreative Zukunft von Lacoste blieb zuerst vage, als angekündigt wurde, dass die Marke mit dem Krokodil auf ein kollaboratives Ateliermodell setzt, das sich auf eine kollektive Vision konzentrieren würde.

Anderswo gab es einen Neuzugang, jedoch ohne Abgang, denn der belgische Designer Christian Wijnants wurde Mitte Januar zum Kreativdirektor der belgischen Luxusmarke Maison Ullens ernannt. Beim britischen Herrenmodelabel Dunhill wiederum wurde wenige Tage später bekannt, dass Kreativdirektor Mark Weston nach fünf Jahren heimlich, still und leise Abschied von Dunhill genommen hatte, und das bereits vor einigen Monaten.

Sabato De Sarno für Gucci Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Weniger still ging es beim nächsten modischen Neuzugang zu, denn die Branche startete mit zwei großen Fragezeichen in das Jahr 2023. Zum einen gab es den bereits seit November 2021 unbesetzten Kreativdirektor:innenposten bei Louis Vuitton, und auch Creative Director Alessandro Micheles kreatives Vermächtnis bei Gucci hatte noch zu Jahresbeginn keine Nachfolge. Letzteres änderte sich am 28. Januar, als das florentinische Modehaus den neuen Kreativchef Sabato De Sarno vorstellte.

Februar: Das Louis-Vuitton-Rätsel löst sich

Auch der Monat Februar startete mit Neuigkeiten von Lacoste. Die Marke kündigte an, dass sie mit Pelagia Kolotouros als Creative Design Director eine Gallionsfigur für ihr “kollaborative Atelier-Modell" gefunden hat. Kolotouros, die bis dato beim Herzogenauracher Sportartikler Adidas tätig war und die Kollaborationslinien Ivy Park – mit Sängerin Beyoncé – und Pharrell Williams verantwortete, wurde mit der Leitung des Kreativstudio von Lacoste beauftragt.

Hierzulande gab es ebenfalls Veränderungen, denn Modedesigner Dirk Schönberger verließ MCM. Erst ein Jahr zuvor wurde er zum weltweiten Markenchef des in München gegründeten Labels befördert, nachdem er 2018 als Global Creative Officer bei MCM eingestiegen war.

Einen Tag nach dem Abschied von Dirk Schönberger lüftete sich das wohl am besten gehütete und mit Spannung erwartete Geheimnis der Modebranche. Am 14. Februar stand es fest, Pharrell Williams wird in die Fußstapfen von Virgil Abloh treten und die Kreativdirektion der Menswear übernehmen. Offiziell lautet der Titel des Sängers, Musikproduzenten und Designers seither Men’s Creative Director. Als solcher wurde es zu Williams Aufgabe, den Status der Luxusmarke als “Cultural Maison” zu festigen.

Pharrell Williams für Louis Vuitton Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Viel Zeit zum durchschnaufen blieb der Branche allerdings nicht, denn kaum war das Rätsel um einen der begehrtesten Kreativposten gelöst, tat sich ein neues auf, als das italienische Modehaus Moschino sich nach zehn Jahren von Kreativdirektor Jeremy Scott trennte. Scott, der seine erste Kollektion für Moschino während der HW14-Präsentationen bei der Mailänder Modewoche zeigte, betonte, wie stolz er auf seine Zeit bei der Marke war und stieß Spekulationen an, wer sein farbenfrohes, ironisches und spielerisches Erbe antreten könnte.

Bis sich das Rätsel um Moschinos Zukunft vorerst löste, dauerte es noch eine Weile, denn erst einmal gab es ein Update zu Louise Trotter. Die Designerin wurde zur ersten Chefdesignerin des französischen Modelabels Carven seit 2018 berufen. Ihr Carven-Debüt ein paar Monate später, im September, signalisierte nicht nur einen Neuanfang für die Marke, sondern auch die Rückkehr auf den Laufsteg nach einer fünfjährigen Abwesenheit von der Pariser Modewoche.

März: Aus für GmbH bei Trussardi?

Der März war relativ ruhig, jedoch von einem hartnäckigen Gerücht geprägt: Serhat Işık und Benjamin Huseby, das Designerduo hinter dem Berliner Label GmbH, soll Trussardi verlassen haben, nachdem die Marke ein Schutzschirmverfahren eingeleitet hatte, um sich neu aufzustellen. Die Nachricht wurde niemals offiziell von Trussardi bestätigt, jedoch ließ das Designer-Duo in einem Interview mit dem Berliner Modemagazin 032c verlauten, dass sie nicht länger für die italienische Marke tätig sind.

Serhat Işık und Benjamin Huseby bei Trussardi SS23-Show. Bild: ©Launchmetrics/spotlight

April: Kreative Partnerschaften und auslaufende Verträge

Im April gab es einen Neuzugang und zwei Abschiede in der Branche.

Dunhill fand mit Simon Holloway einen Nachfolger für Mark Weston, der “ein fundiertes und umfassendes Verständnis des englischen Stils” mitbringt und Dunhills Fokus auf britisches Handwerk, Innovation, Funktionalität und maskuline Eleganz bekräftigt.

Wiederum auf die Suche nach der passenden Nachfolge musste sich Lanvin machen, nachdem sich das Modehaus nach vier Jahren von Kreativdirektor Bruno Sialelli getrennt hatte. Ähnlich wie auch Lacoste gab Lanvin bekannt, dass die kreative Leitung künftig von einem internationalen Team für “kreative Partnerschaften” namens 'Lanvin Lab' übernommen werden würde. Auch wenn kreative Partnerschaften die Zukunft Lanvins sein sollen, gab die Marke nach Veröffentlichung der ersten Lavin Lab Kollektion mit Rapper Future bekannt, dass eine neue kreative Leitung in “Kürze” bekannt gegeben werden soll, bis dato ist dies allerdings nicht geschehen.

Etwas weniger Zeit sich zu beweisen, hatte Designer Charles de Vilmorin, dessen Vertrag mit dem französischen Modehaus Rochas nach zwei Jahren auslief. Der junge Designer wurde 2021 zum Creative Director des Hauses berufen, nachdem der damals 24-Jährige einen Monat zuvor sein Debüt während der Pariser Haute Couture Woche gegeben hatte. Auch bei Rochas gab es nach de Vilmorins Abschied Gerüchte um eine potenzielle Umgestaltung hin zu einem kollaborativen Ateliermodell – diese würden sich aber am Ende des Jahres nicht bestätigen.

Mai: Helmut Lang lebt wieder auf und die Mode zeigt sich von ihrer ungeduldigen Seite

Eine Ernennung, mit der wohl keiner gerechnet hatte, war die des Designers Peter Do zum Creative Director von Helmut Lang. Seit der namensgebende österreichische Designer Lang sein Label 2005 verließ, lag die kreative Verantwortung seines minimalistischen Erbes in vielen – oftmals wenig erfolgreichen – Händen. Mit der Aufgabe, dies nach vier Jahren gänzlich ohne Kreativchef zu ändern, wurde Do beauftragt.

Wie schnell das Vertrauen eines Labels in seine Kreativspitze wieder schwinden kann, zeigte Bally, als das schweizerische Modeunternehmen sich nach etwas mehr als einem Jahr wieder von Creative Director Rhuigi Villaseñor trennte. Eigentlich sollte er die Traditionsmarke auf die nächste Stufe bringen, doch daraus sollte zunächst nichts werden. Am Ende des Monats verschaffte Bally allerdings direkt Klarheit über die Zukunft der Marke und ernannte Simone Bellotti zum neuen Chefdesigner. Bellotti war bereits seit 2022 Teil des Kreativteams von Bally und wurde nach dem Abgang von Villaseñor mit der Leitung des Desingteams beauftragt. Wie auch sein Vorgänger war es fortan seine Aufgabe, die neue strategische Ausrichtung der Marke voranzutreiben.

Ludovic de Saint Sernin. Bild: Catwalkpictures

Noch weniger Zeit sich zu entfalten als es bei Villaseñor der Fall war, bekam Ludovic de Saint Sernin. Der junge Designer wurde Anfang Dezember 2022 in die Position des Creative Directors bei Ann Demeulemeester berufen, zeigte im März seine erste Kollektion und musste nur zwei Monate später seine Koffer packen. Grund für sein ungewöhnlich kurzes Gastspiel sollen Differenzen zwischen dem Management der Marke und De Saint Sernin gewesen sein.

Juni: Ein Neuankömmling und eine Rückkehr

Kaum zirkulieren die ersten Gerüchte um Saint Sernins Aus, schon bestätigte Ann Demeulemeester diese mit der Ernennung eines neuen Kreativchefs. Am ersten Juni wurde der nicht weniger junge Stefano Gallici in die Rolle des Creative Directors berufen. Im Gegensatz zu De Saint Sernin kam Gallici jedoch aus den Reihen und war in den vergangenen drei Jahren bereits für die Menswear bei Ann Demeulemeester zuständig.

Mitte Juni wurde außerdem bekannt, dass Michelle Ochs, die Gründerin der Damenmodemarke Et Ochs, in die Rolle des Creative Directors von Hervé Léger berufen wurde. Die Designerin trat damit in die Fußstapfen von Christian Juul Nielsen an, der die Position seit 2018 innehatte. Bei Fiorucci wiederum gab es einen Abschied, denn Designer Daniel Fletcher, der seit 2019 für die italienische Marke arbeitete, kündigte an, Fiorucci zu verlassen, um sich auf sein eigenes Label Daniel W. Fletcher zu konzentrieren.

Eine Rückkehr in die Welt der Mode verkündete das Designer-Duo Nana Aganovich und Brooke Taylor. Das Designerpaar Aganovich wurde an die Creative Spitze der Marke WoodWood berufen, nachdem sie im Juli 2021 ihren vorübergehenden Abschied aus der Modewelt angekündigt hatten.

Juli: Spekulationen werden bestätigt

Im Juli gab es nur zwei Veränderungen im Land der Kreativdirektor:innen, dafür war diese aber recht gewaltig.

Nach wochenlangen Spekulationen bestätigte Chloé, dass Gabriela Hearst das französische Modehaus nach drei Jahren als Creative Director verlassen wird. Während ihrer Zeit hatte die Designerin eine nachhaltige Richtung für Chloé eingeschlagen und die Marke zum ersten Luxusmodehaus mit B-Corp-Zertifizierung gemacht.

Außerdem gab die italienische Modemarke Tod’s bekannt, dass ihr langjähriger Kreativdirektor Walter Chiapponi von seinem Posten zurücktreten wird.

August: Streetwear-Shake-up

Nach einem ruhigen Juli verstrich auch der August fast ohne eine personelle Veränderung. Am letzten Tag des Monats wurde jedoch bekannt, dass Supreme-Kreativdirektor Tremaine Emory das Streetwear-Label verlässt, und das nicht ohne Grund. Der Kreative, der der erste Creative Director nach James Jebbia, dem Gründer des Labels war, beschuldigte die zum US-amerikanischen Bekleidungskonzern VF Corporation gehörende Marke des systemischen Rassismus.

September: Das Ende einer Ära nach zwei Jahrzehnten

Ähnlich wie auch der Juli gab es im September lediglich eine, dafür aber eine einschneidende Ankündigung. Sarah Burton, die seit dem Tod von Alexander McQueen dessen gleichnamige Marke als Kreativdirektorin leitete, gab ihren Abschied nach insgesamt 26 Jahren bekannt. Damit verließ nicht nur eine der am längsten amtierenden Creative Directors der Branche das Modehaus, sondern auch eine der wenigen Frauen an der Spitze eines Luxusmodehauses.

Sarah Burton für Alexander McQueen Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Oktober: Große Fußstapfen werden gefüllt

Lange musste sich die Branche allerdings nicht gedulden, um zu erfahren, wer in Burtons Fußstapfen bei McQueen tritt, denn nur drei Tage nach Burtons letzter Modenschau für die Marke wurde Seán McGirr in die Rolle des Creative Directors von McQueen berufen. Für den bis dato weitreichend unbekannte Designer ist es die erste Rolle an der Spitze eines großen Luxushauses, doch der gebürtige Ire war im Laufe seiner Karriere bereits für verschiedene Modehäuser tätig, darunter JW Anderson und Dries van Noten.

Mehr Zeit zum Spekulieren gab es bei Chloé, doch nach knapp drei Monaten gab es auch hier Klarheit über die kreative Zukunft der Marke – und auch hier fiel die Entscheidung für einen Namen, der bisher weitgehend im Hintergrund agierte. Die deutsche Designerin Chemena Kamali wurde zur Kreativdirektorin der französischen Marke berufen. Sie wird im Januar eine erste Pre-Fall-Kollektion vorstellen. Für die deutsche Designerin war es eine Rückkehr zu Chloé, denn sie begann ihre Karriere beim zum schweizerischen Luxusgüterkonzern Richemont gehörenden Modehaus unter der Leitung der damaligen Kreativdirektorin Phoebe Philo.

Davide Renne Bild: Moschino / Alessio Bolzoni

Aufklärung gab es schließlich auch bei Moschino, denn die Marke fand den Nachfolger für Jeremy Scott in Davide Renne. Der Designer startete einen Monat später, Anfang November, in seiner neuen Rolle als Creative Director, starb allerdings nur zehn Tage später im Alter von 46 Jahren. Die Ursache wurde nicht genannt.

Einen unvorhergesehenen Abgang verkündete Blumarine Ende Oktober, als bekannt wurde, dass Creative Director Nicola Brognano sich von der Marke verabschiedet. Zumindest optisch hatte der Designer Blumarine seit seiner Berufung 2019 zu den Glanzzeiten der frühen 2000er-Jahre zurückgebracht, insbesondere durch viele Y2K-Anspielungen.

November: Unerwartete Wechsel und neue kreative Wege

Von einer klassischen italienischen Marke wie Tod’s zum Y2K-Label Blumarine? Für Walter Chiapponi anscheinend kein Problem, denn er übernahm die Nachfolge von Brognano und bestimmt nun die kreative Handschrift von Blumarine, nachdem er Tods einige Monate zuvor verlassen hatte.

Walter Chiapponi für Blumarine Bild: Blumarine by Julia Von Der Heide

Auch die italienische Outdoor-Marke Napapijri bekam im November eine neue kreative Leitung. Designer Christopher Raeburn wurde zum Global Creative Director berufen und soll der Marke helfen, “designorientierter und anspruchsvoller zu werden”. Ähnliches geschah auch bei Woolrich, denn die neue Black Label-Linie des Outdoor-Ausstatters ernannte den Designer Todd Snyder zum Kreativdirektor.

Dezember: Großputz vor dem Jahresende

Viele Menschen nutzen den letzten Monat des Jahres, um noch all das zu erledigen, was sie sich für 2023 vorgenommen haben und ähnlich sieht es auch in der Modebranche aus, denn einige Marken räumen abermals auf, oder besser gesagt um, bevor sie ins neue Jahr starten.

Pünktlich zum Monatsanfang kündigte Givenchy an, dass Creative Director Matthew Williams das französische Modehaus direkt zu Beginn des nächsten Jahres verlassen wird. Williams, dessen letzte Kollektion für Pre-Fall 2024 bereits in Form eines Lookbooks präsentiert wurde, habe in seinen drei Jahren bei Givenchy zur Modernisierung der zum Luxusgüterkonzern LVMH gehörenden Marke beigetragen, so die Mitteilung. Künftig werde sich der Gründer der Marke 1017 Alyx 9SM wieder ganz auf sein eigenes Label konzentrieren.

Matthew Williams bei der Givenchy SS24 Menswear Show Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Wer Williams Nachfolge antritt, könnte eine der wenigen großen Fragen bleiben, die die Modebranche mit ins neue Jahr nehmen wird, denn sowohl Tod’s als auch Rochas haben diese noch vor Ende des Jahres bekannt gegeben.

Tod’s holte Matteo Tamburini als Creative Director an Bord. Der designierte Kreativchef ist seit Anfang der 2000er-Jahre in der Modebranche tätig und entwarf zuletzt sechs Jahre lang für Bottega Veneta. Bei Tod’s verantwortet er nun, wie auch schon sein Vorgänger Walter Chiapponi, die Damen- und Herrenkollektion.

Fast acht Monate, nachdem Charles de Vilmorin Rochas verlassen hatte, stand fest, wer die Marke in Zukunft leiten wird. Alessandro Vigilantewurde zum Chefdesigner des französischen Luxushauses berufen und damit beauftragt “ein neues Kapitel für das Haus zu schreiben, das auf Kühnheit, Weiblichkeit und Raffinesse aufbaut.” Neben seiner neuen Position werde sich der italienische Designer zudem auch weiterhin auf sein gleichnamiges Label konzentrieren.

2023
Alexander McQueen
Davide Renne
Gabriela Hearst
Jeremy Scott
Ludovic De Saint Sernin
Matthew Williams
Pharrell Williams
Sabato De Sarno
Sarah Burton
Sean McGirr